Kirchheim

Fasnetplatt: „Nich‘ lang schnacken“

Zunftmeister Holger Böhm erläutert „der Geli“ den Unterschied zwischen einem Krokodil und einem Hecht: Fotos: Markus Brändli
Zunftmeister Holger Böhm erläutert „der Geli“ den Unterschied zwischen einem Krokodil und einem Hecht: Fotos: Markus Brändli
Die Kloster-Deifel stürmen das Kirchheimer Rathaus.
Die Kloster-Deifel stürmen das Kirchheimer Rathaus.

Fasching verkehrt: Wo sonst die Narren die Welt auf den Kopf stellen, war es gestern Abend Kirchheims Oberbürgermeisterin, die die Narretei auf den Kopf stellen musste: „Das ist mir jetzt zu traurig“, sagte sie nach dem Rathaussturm zu Zunftmeister Holger Böhm, der sie nicht nur mit Abschiedsgeschenken, sondern auch mit Lobeshymnen überschüttet hatte. Beides hatte zu wehmütiger Stimmung geführt. Also forderte sie die Deifel auf, lustig zu sein und sich die Freude an der Fasnet nicht nehmen zu lassen.

Die Rathaus-Mitarbeiter dagegen blockierten die Barrikaden unter den Arkaden (rechts) - lange, aber letztlich vergebens. Fotos:
Die Rathaus-Mitarbeiter dagegen blockierten die Barrikaden unter den Arkaden (rechts) - lange, aber letztlich vergebens. Fotos: Markus Brändli

Bestens eingespielt zeigten sich die beiden Teams, die da zum Schein aufeinander losgelassen werden: Kloster-Deifel einerseits und die Rathaus-Mannschaft andererseits. Die Rathaus-Arkaden hatten sich wieder einmal in Rathaus-Barrikaden verwandelt. Bemalt waren diese „Deifel-Sperren“ ganz in Blau, mit vielen bunten Fischen drauf. Ein einziges zusätzliches Requisit zeigte an, dass das Rathaus kein Aquarium sein sollte, sondern der größte der drei Bürgerseen. Das Requisit war ein Krokodil, und es verwies nicht nur auf den „Aufreger“ des vergangenen Sommerlochs, sondern auch auf das Kostüm der Rathauschefin.

Mehrfach ging sie ganz direkt auf ihre Verkleidung ein. Als der Zunftmeister drohend anhob - „In den letzten Jahren haben wir dich immer schonend behandelt, aber jetzt ...“ -, beendete sie den Satz gleich selbst: „... bin ich ein zahnloses Krokodil“. An einer entscheidenden Stelle sollte sich die Kostümierung aber als unpraktisch erweisen. Zum Birnenschnaps hatte es eine Anweisung von weit nördlich des Mains gegeben: „Nich‘ lang schnacken - Kopp in Nacken.“ Vor dem Trinken hatte die grüne Echse aber doch noch ein gewisses Problem. „Jetzt muss ich meine Schnauze halten“, meinte sie und hatte auch in diesem Fall noch etwas zu ergänzen: „Die vom Krokodil meine ich.“

Im Erdgeschoss des Rathauses zerren zwei Deifel die Oberbürgermeisterin aus dem Haus.
Im Erdgeschoss des Rathauses zerren zwei Deifel die Oberbürgermeisterin aus dem Haus.

Ansonsten aber war „die Geli“ nicht gerade auf die Schnauze gefallen und konnte sich locker herausreden: Wegen der langen Schlangen am Freibadkiosk bat sie die Badegäste nachträglich um Verständnis für die Anlaufschwierigkeiten. „2020 wird es sicher besser, und wenn es je doch nicht funktioniert, muss man notfalls über einen neuen Pächter nachdenken.“ - Den Krokodil-Alarm wiederum wollte sie nicht verantworten, weil sie zu dem Zeitpunkt gerade weit weg im Urlaub war.

Für künftige Urlaube, aber auch fürs Kirchheimer Freibad schenkte Zunftmeister Holger Böhm „seiner Geli“ das aufblasbare Bade-Krokodil, mit dem er ihr zuvor den Unterschied zwischen dem Reptil und einem Hecht erläutert hatte. Weitere närrische Abschiedsgeschenke nach 16 Jahren Amtszeit als Oberbürgermeisterin waren ein bunter Strauß aus lauter Gemüse und eine Collage mit vielen Fotos voller Erinnerungen an gemeinsame Fasnetserlebnisse.

Ein Abschied voller Harmonie

„Durch dein Wirken haben wir einen festen Platz in Kirchheim“, sagte der Zunftmeister schon beinahe gerührt zum scheidenden Stadtoberhaupt und versprach gleich noch: „Deswegen tragen wir dich für immer in unserem Vereinsherzen.“ Kein Wunder also, dass es „der Geli“ bei so viel wehmütigem Rückblick zu viel wurde. Sie schaute lieber voraus in die Zukunft und forderte die Kirchheimer auf: „Unterstützt die Kloster-Deifel auch weiterhin. Sie sind ein Teil von Kirchheim und leisten hier eine großartige Arbeit.“

Ganz zum Schluss war noch eine andere Aufforderung nötig: „Ohne Anklagepunkte kann ich mich ja gar nicht freikaufen“, beschwerte sie sich beim Ober-Deifel. Der antwortete ungewöhnlich zahm und beinahe salomonisch: „Du kannst uns ja ganz einfach eine mildtätige Spende der Stadt geben.“ Bei so viel Harmonie war das Ende des Narrenrufs nur folgerichtig: ein gesungenes „Fürchte-et eu-euch nicht!“ Andreas Volz