Kirchheim

Fotografen fürchten neues Gesetz

Datensicherheit Passbilder sollen wegen der Fälschungsgefahr künftig nur noch unter Aufsicht auf den Ämtern gemacht werden. Würde der Entwurf umgesetzt, droht Kirchheims Studios das Aus. Von Thomas Zapp

Susanne Schneider bei der Passbild-Fotografie in ihrem Kirchheimer Studio. Fotos: Markus Brändli
Susanne Schneider bei der Passbild-Fotografie in ihrem Kirchheimer Studio. Fotos: Markus Brändli

Das geplante Gesetz zur Ausweissicherheit schlägt auch bei Kirchheims Fotografen hohe Wellen. Der Entwurf von Bundesinnenminister Horst Seehofer sieht vor, dass Passbilder künftig nur noch vor Ort ausgefertigt werden, also auf den Bürgerämtern und unter Aufsicht eines Behördenmitarbeiters. Damit will man digitalen Manipulationen der Fotos einen Riegel vorschieben. Gerade durch das „Morphing“, das Übereinanderschieben zweier Fotos ist es möglich, dass sich zwei Personen Pässe mit gleichen Fotos ausstellen lassen, ohne dass es auf den ersten Blick auffällt. Die biometrische Erfassung der Fotos würde somit fehlerhaft. Seit 2017 können staatliche Behörden eine automatisierte Passbildabfrage durchführen.

Von Passbildfotografie abhängig

Für die in Kirchheim niedergelassenen Fotogeschäfte Foto-Studio 19 Stotz oder Photo Schneider hätte die Maßnahme fatale wirtschaftliche Folgen. „Ich müsste mir überlegen, ob ich mein Geschäft weiterführen kann, das würde dann auf dem Prüfstand stehen“, sagt die Kirchheimer Fotografin Susanne Schneider. Bis zu 60 Prozent mache der Anteil am Ertrag aus. Ein Blick auf die Zahlen erklärt, warum: In Kirchheim hat die Passstelle im vergangenen Jahr mehr als 4300 Personalausweise ausgestellt sowie mehr als 2200 Reisepässe. Hinzu kommen noch knapp 800 Kinder-Reisepässe, macht in der Summe 7300 Passfotos pro Jahr. Die Zahlen für 2018 sind ähnlich.

„Viele wundern sich darüber, aber wir sind von der Passbildfotografie abhängig. Ich finanziere davon eine Miete oder ein bis zwei Mitarbeiter“, sagt Susanne Schneider. Zwar hat sie hochwertige Fotoapparate und Technik zum Verkauf in ihrem Geschäft an der Marktstraße stehen, nur haben die geringe Gewinnmargen. „Die sind unwirtschaftlich. Meine Preise sind ja nicht höher als die im Internet, sagt sie. Ins gleiche Horn stößt ihr Kollege Rainer Stotz. Er hat sein Geschäft auf Fotografie konzentriert. Der Wegfall der Passbilder wäre für ihn ein Schlag ins Kontor. „Das macht einen großen Anteil aus, außerdem sind sie ein Frequenzbringer für mein Geschäft“, sagt er. Auch er würde sich überlegen, ob sich die Aufrechterhaltung des Betriebs ohne Passbilder noch lohne.

Dass Passbilder künftig nur noch in Automaten auf Ämtern gemacht werden, können sich beide nicht so recht vorstellen. Gerade bei Kleinkindern brauche es viel Geduld. Die Zeit dafür hätte man auf dem Amt nicht. Ein Fotograf habe im Atelier andere Möglichkeiten. „Bei Kleinkindern kann bei uns die Mutter das Baby in die Kamera halten“, sagt Schneiders Studioleiter Michael Ilg. Genug Platz gibt es ja. Für Erwachsene hat man sich zudem ein Paket ausgedacht. Da man für die biometrischen Fotos ernst schauen muss, gibt es noch zwei „freundliche“ dazu. „Die kann man verschenken oder für eine Bewerbung verwenden“, erklärt Susanne Schneider.

Bei aller Aufregung in der Fotobranche ist ohnehin erst mal Abwarten angesagt. Zwar seien schon Leute ohne Passbild gekommen, aber die habe man aufgeklärt und wieder wegschicken müssen, erklärt Kirchheims Pressesprecher Robert Berndt. Auch Bissingens Bürgermeister Marcel Musolf sieht aktuell keinen Handlungsbedarf: „Solange der Gesetzentwurf des BMI noch nicht durch ist, die Beratungen laufen und kein Beschluss feststeht, geht alles seinen gewohnten Gang im Pass- und Ausweiswesen.“

Susanne Schneider hätte auch eine Idee für mehr Sicherheit, ohne dass die Ämter eingespannt werden. „Es wurden bereits Systeme getestet, in denen die Fotos vom Fotografen speziell gesichert per elektronischer Übermittlung direkt ins Amt geschickt werden“, sagt sie. In Österreich gebe es ein funktionierendes System mit Prüfsiegel vom Fotografen.

So würden drei Seiten profitieren: Die Fotografen behalten ihren Geschäftszweig, den Behörden bleibt zusätzliche Arbeit erspart, der Steuerzahler muss keine Geräte finanzieren, die auch noch gewartet werden müssen. Bei der Stadt Kirchheim denke man über solche Alternativen nach, bestätigt Pressesprecher Robert Berndt - falls aus der Gesetzesvorlage überhaupt ein Gesetz wird. Und auch in diesem Fall gibt es eine zweijährige Übergangsphase bis zur definitiven Umsetzung des Gesetzes. Außerdem ist die Kritik am Entwurf in der Politik angekommen. Derzeit wird über eine Entschärfung des Entwurfs nachgedacht. Für die Kirchheimer ändert sich vorerst ohnehin nichts. Die Anschaffung eines Automaten sei auf jeden Fall nicht geplant, heißt es bei der Stadt.