Kirchheim

Freiwillige Vertreibung aus dem „Paradiesle“

Umzug Jörg Banzhaf zieht im Januar mit seinen sechs Mitarbeitern von der Paradiesstraße in die Stuttgarter Straße. Den klassischen Abholmarkt gibt es dann nicht mehr. Der Fest- und Lieferservice bleibt erhalten. Von Andreas Volz

Mit dem Abholmarkt im „Paradiesle“ ist bald Schluss. Lieferdienste und Großhandel will Jörg Banzhaf am neuen Standort aber weite
Mit dem Abholmarkt im „Paradiesle“ ist bald Schluss. Lieferdienste und Großhandel will Jörg Banzhaf am neuen Standort aber weiterbetreiben. Fotos: Carsten Riedl

 

Persönlicher Service gehört bei Jörg Banzhaf schon immer dazu - ab nächstem Jahr allerdings nicht mehr im klassischen Einzelhand
Persönlicher Service gehört bei Jörg Banzhaf schon immer dazu - ab nächstem Jahr allerdings nicht mehr im klassischen Einzelhandel.

Sprit wird nicht mehr verkauft. Aber ansonsten hat sich an der ehemaligen Tankstelle von „Bremsen Maier“ in der Kirchheimer Paradiesstraße nicht viel am Ablauf geändert, seit Jörg Banzhaf 2002 dort seinen Getränkemarkt untergebracht hat: Die Kunden fahren auf den Hof und stellen ihr Fahrzeug parallel zur Straße unter dem alten Tankstellendach ab. Anschließend werden sie bedient und müssen nur zum Zahlen an die Kasse.

Scheibenwaschen gehört zwar nicht zum Service. Im Übrigen aber ist es ein Komplettangebot, wie es an Tankstellen längst nicht mehr existiert: Nicht einmal den Kofferraumdeckel müssen die Kunden selbst öffnen. Leere Kisten werden aus-, volle Kisten eingeladen. Das geht nicht automatisch - aber es ist selbstverständlich im „Getränkemarkt im Paradiesle“.

Wo gibt es das heute noch? Diese Art der Kundenbetreuung macht den Charme bei Jörg Banzhaf und seinem Team aus. „Es ist halt nicht mehr zeitgemäß“, sagt der „Getränkewart“ und nennt damit auch einen entscheiden­den Grund für den besonderen Charme: Sein Getränkemarkt ist aus der Zeit gefallen. Deswegen bietet er genau das, was man unter „urig“ versteht - ein Stück Behaglichkeit und Wärme.

Jörg Banzhaf
Jörg Banzhaf

Das alles wird den Kirchheimern fehlen, wenn Jörg Banzhaf in sein neues Areal umzieht: Ab Januar ist er im ehemaligen Ficker-Gelände zu finden - in der Stuttgarter Straße. In den Räumen waren einst eine Schreinerei und die Kantine der Otto Ficker AG untergebracht. In der Paradiesstraße endet dann nach fast 150 Jahren das Gewerbe an dieser Stelle: „Ich habe den Standort verkauft. Die Kreisbau baut dort Wohnungen.“

Abschied nehmen müssen die Stammkunden aber nicht nur vom Standort und vom Namen „Getränkemarkt im Paradiesle“: Die Stuttgarter Straße begrenzt das Paradiesle, aber das Ficker-Areal liegt auf der „falschen“ Straßenseite: „Wir werden dann recht bald wieder, Getränke Banzhaf‘ heißen.“ Was aber viel schlimmer ist: „Den klassischen Getränke-Abholmarkt kann ich so nicht mehr anbieten.“ Jörg Banzhaf verlegt sich am neuen Standort ganz auf Großhandel und Lieferservice. ­Feste hat er immer schon beliefert - und auch das im Komplettservice. Gekühlte Getränke, Schankwagen, gegebenenfalls sogar mit Perso­nal: „Kleine Feste, große Feste, Hochzeiten, Geburtstage, Firmenfeiern und Richtfeste, wir bedienen alles“, sagt Jörg Banzhaf, „und das betreiben wir so auch weiter.“

Nicht mehr zeitgemäß ist im Abholmarkt nicht nur sein „Full Service“, zeitgemäß sind auch die Rahmenbedingungen nicht mehr: „Kennzeichnungspflicht, Lagerung, ich hätte viel umorganisieren müssen. Das wäre nicht mehr der Laden, den meine Kunden gewohnt sind.“ Nicht zeitgemäß ist auch der Aufwand, den er und sein Team betreiben: „Jeden Tag sind ungefähr 60 Paletten vom Lager in den Hof zu fahren, bevor wir um 7 Uhr aufmachen. Wenn wir zwölf Stunden später schließen, geht es mit den 60 Paletten wieder in die andere Richtung - und das an sechs Tagen in der Woche.“

Mit diesem Aufwand ist im neuen Jahr Schluss. Was aber erhalten bleibt, ist das große Sortiment an unterschiedlichen Getränken: „Wir haben über 100 verschiedene Gin-Sorten im Angebot. Auch sonst haben wir lauter Spezialitäten, zum Beispiel viele regionale Biersorten. Allgäuer Bier läuft besonders gut.“ Was er dagegen reduzieren will, sind die vielen Weinsorten im Bestand: „Da bleibe ich bei den fünf bis sechs Weingütern, die am besten gehen. Aber natürlich kann ich jede gewünschte Sorte weiterhin bestellen.“

„Probierstüble“ im Obergeschoss

Was ihm im neuen Obergeschoss vorschwebt, ist neben seinen Büros ein Probierraum oder Showroom für unterschiedlichste Getränke. Dort möchte er Beratungen für große Feiern anbieten, aber auch Gin-Tastings, Weinproben und sonstige Degustationen, etwa mit Craft-Bieren.

Grundsätzlich will Jörg Banzhaf seinen Kundenstamm halten, und auch die Kunden sind an einer langfristigen Bindung interessiert: „Viele haben mir schon gesagt, dass sie sich von uns beliefern lassen, wenn sie nicht mehr selbst vorbeifahren können.“ Immerhin haben ihn diese Kunden im Coronajahr wirtschaftlich überleben lassen: „Mit großen Festen war ja nichts. Das kommt hoffentlich nächstes Jahr alles wieder.“

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