Kirchheim

Gegen den November-Blues ansingen

Konzert Das Musikprojekt „Poems On The Rocks“ aus Stuttgart hat an gleich zwei Abenden in der Kirchheimer Bastion lyrisch deutsche Übersetzungen von herausragenden Rockklassikern geboten. Von Bernhard Fischer

Der Schauspieler Jo Jung (links) spricht die Texte, Jörg Krauss singt sie.Foto: Johannes Stortz
Der Schauspieler Jo Jung (links) spricht die Texte, Jörg Krauss singt sie.Foto: Johannes Stortz

Weshalb lockte die Mannschaft von Poems On The Rocks die Kirchheimer zuhauf in den Keller der Bastion - trotz parallel stattfindendem Fußball-Länderspiel? Im Bauch der Stadtmauer gab es viele Hits aus aus älterer oder jüngerer Vergangenheit, perfekt dargeboten von der vierköpfigen Band um Ötlingens Allround-Schlagzeuger Helmut Kipp und Sänger Jörg Krauss. Dazu der Schauspieler und Sprecher Jo Jung, der die Texte der „Songs für die Ewigkeit“ mit großer Leidenschaft auf Deutsch in die Songs einbindet.

Chamäleongleich trifft die Band die dem Publikum meist wohlvertrauten Klänge der stilistisch sehr unterschiedlichen Songs von Simply Red, Red Hot Chili Peppers, Mark Knopfler, Pink Floyd und vielen anderen. Manchem wäre wohl ein etwas intensiverer Klang der Instrumente lieber gewesen, die Verständlichkeit der Texte wurde jedoch immer in den Vordergrund gestellt. Jeder der beteiligten Musiker hatte Gelegenheit, sich solistisch zu beweisen. Der sonst sehr mannschaftsdienlich spielende Andreas Kemmer beeindruckte schon frühzeitig auch als Vokalist mit elektronisch verfremdeter Stimme und Bassgitarre im Stück „Fly like an eagle“ von Steve Miller aus dem Jahr 1976. Den Neid der Kleinbürger auf Popstars hat Mark Knopfler sehr erfolgreich in seinen Song „Money for nothing“ verpackt: „Musiker kriegen Geld fürs Nichtstun und die schönsten Frauen noch umsonst dazu“, frei übersetzt. Helmut Kipp konnte im neuesten Song des Abends,„Uprising“ der Band Muse von 2009 mit seinem ausgiebigen Solo eindrucksvoll beweisen, dass neben Talent und langjähriger Übung auch eine ganz beträchtliche Kondition fürs Musikmachen erforderlich ist. Edgar Müller hatte sich die Messlatte besonders hoch gelegt und im Song „Lucky Man“ die ehemals bahnbrechenden Künste von Keith Emerson am Synthesizer auf die Bühne gezaubert.

Texte mit 'ner Aussage

„Wir wollen bewusst Songs bringen, deren Texte eine Botschaft haben. Dabei ist es uns wichtig, Mauern im Kopf zu überwinden“, so Jung. Dies wäre auch die Kernbotschaft des Songs „Heroes“ von David Bowie und Brian Eno, den die Band als eine der Zugaben zum Besten gab. Der Song, entstanden 1977 in Berlin, schildert eine Liebesbeziehung im Schatten der Mauer und im Schussfeld der damals allgegenwärtigen Grenzsoldaten. Jörg Krauss als Sänger und die ganze Band treffen stimmig die anfangs morbide, zerbrechliche Atmosphäre des Originals, die von Band, Sänger und Sprecher gegen Ende in eine hymnische Siegesgewissheit gesteigert wird.

Den Weg in die Hölle besang Chris Rea 1989 mit sonor einschmeichelnder Stimme über einem swingend-treibenden Rockrhythmus. In der Bastion sprang die Atmosphäre des Songs schnell auf das Publikum über, Christoph Berner glänzte mit locker gespieltem Gitarrensolo im Stil von Chris Rea. Jo Jung als Sprecher in der schwarzen Priesterjacke kontrastierte die scheinbar gelöste Stimmung des Songs mit den dramatisch dargebotenen apokalyptischen Bildern von vergifteten Flüssen und von sozialer Ausweglosigkeit.

Viele der Texte sind nach wie vor brennend aktuell. Die eindringlich dargebotenen Übersetzungen vermitteln oft ein völlig neues Bild von den Inhalten hinter einem einschmeichelnd präsentierten Musikstück. Gute Songtexte haben es aber an sich, dass sie viele Deutungen offen lassen, dass eindeutige Interpretationen meist nicht möglich sind. Die beiden Abende in der Bastion gaben damit reichlich Futter für eine weitergehende Beschäftigung mit den Songs für die Ewigkeit. Sie waren aber primär auch ein packendes Hörerlebnis in der besonderen Atmosphäre der Bastion und machen Appetit auf mehr.