Kirchheim

Gemeinsames Essen verbindet

Solidarität Die Vesperkirche öffnet von Sonntag bis zum 10. Februar ihre Türen. Für manche ist es eine besondere Erfahrung, bedient zu werden, andere erleben einen Perspektivwechsel. Von Thomas Zapp

Seit elf Jahren gibt es die Vesperkirche in Kirchheim. Hier geht es stets gesellig zu. Archiv-Foto: Jean-Luc Jacques
Seit elf Jahren gibt es die Vesperkirche in Kirchheim. Hier geht es stets gesellig zu. Archiv-Foto: Jean-Luc Jacques

Der Bustransfer vom Kirchheimer Zentrum zur Thomaskirche hat Diakon Ulrich Häußermann einiges an Kopfschmerzen bereitet. Doch der neue Betreiber der Kirchheimer Linien, Schlienz, hat ihm grünes Licht gegeben für den kostenlosen Transport vom 27. Januar bis zum 10. Februar. Denn das Ziel der Organisatoren ist es, möglichst vielen Menschen die Teilnahme an der Vesperkirche zu ermöglichen, die in diesem Jahr zum elften Mal in Kirchheim stattfindet. An 15 Tagen gibt es von 11.30 bis 14 Uhr für 1,50 Euro ein warmes Essen mit Nachtisch, einem Getränk sowie Kaffee und Kuchen. Die Kuchen haben Kirchheimer Bürger gespendet. „Bei dieser Veranstaltung geht es immer sehr schnell, dass wir genügend Zusagen für Kuchenspenden haben“, sagt Diakoniepfarrerin Margarethe Oberle begeistert.

Die Idee ist bei den Kirchheimern angekommen, vor allem weil sie soziale Schranken überwindet. „Bei uns gibt es keine Stigmatisierung“, betont Dekanin Renate Kath. Da sitzt der Stadtrat neben dem Sozialhilfeempfänger, hier kommt der Unternehmer mit dem Paketboten ins Gespräch. Die Vesperkirche ist ein Ort der Begegnung, keine Armenspeisung, darauf legen die Initiatoren großen Wert. Für diejenigen, die selten eine warme Mahlzeit bekommen, ist die Vesperkirche „ein Stück Hoffnung, Teilhabe und Gemeinschaft“, sagt Diakon Ulrich Häußermann. Für die anderen, die sich ein Essen auch in einem Restaurant leisten könnten, ist es eine Möglichkeit, einen Wechsel der Sichtweise zu erleben. Etwa, wenn der Bettler auch einmal bedient wird. Und bei Tisch ergibt sich leichter einmal die Gelegenheit, sich auszutauschen, die andere Perspektive kennenzulernen.

Auf der anderen Seite sollte auch niemand glauben, dass dort Pfennigfuchser essen gehen, um das Geld für einen Mittagstisch zu sparen. „Sie wissen ja nie, was der oder diejenige zuvor freiwillig gespendet hat“, sagt Renate Kath. So sei es schon vorgekommen, dass ein Herr, „der überhaupt nicht danach aussah“, eine 1 000 Euro-Spende da gelassen hätte. Denn das sollte jedem Gast bewusst sein: Die Kosten für das Essen sind mit 1,50 Euro längst nicht gedeckt, Spenden sind also höchst willkommen.

Im Schnitt kommen am Tag zwischen 200 und 280 Gäste, mittlerweile auch viele Stammgäste. „Für manche ist es eine Gelegenheit, mal Freunde und Bekannte einzuladen, weil sie es sich sonst nicht leisten können“, sagt Renate Kath. Traditionell voll ist es an Sonntagen nach dem Gottesdienst, wenn viele Besucher gleich dableiben. Dann wird der Altar zur Seite geschoben, die Bänke um- und Tische aufgestellt. Alle treffen sich dann im Kirchenschiff zum gemeinsamen Mahl, mit entsprechendem Geräuschpegel. „Ein Essen ist gelungen, wenn es laut ist“, meint Diakon Ulrich Häußermann augenzwinkernd. Er und sein Team würden häufiger gefragt, warum die Vesperkirche nicht länger ginge, etwa drei anstatt zwei Wochen. „Wir haben aktuell 200 Helfer, pro Tag brauchen wir 40. Da kommt man an die Belastungsgrenze“, sagt er.

Info Für Menschen mit Krankheit oder Behinderung gibt es in Zusammenarbeit mit dem Roten Kreuz einen unentgeltlichen Fahrdienst zur Thomaskirche. Wer abgeholt werden möchte, meldet sich unter 01 51/53 97 28 75.