Kirchheim

Gitarren-Gigant legt fulminanten Auftritt hin

Konzert Albert Lee begeistert im Kirchheimer Club Bastion mit seiner neuen Band.

Gitarrenlegende aus England, Albert Lee, im Club Bastion,
Gitarrenlegende aus England, Albert Lee, im Club Bastion,

Kirchheim. Sapperlot, kann man da nur konstatieren, Montagabend hin oder her, wenn die Woche mit solch einem musikalischen Höhepunkt beginnt, ist es ein Leichtes, die kommenden Tage beschwingt in Angriff zu nehmen. Der zweifache Grammy-Preisträger Albert Lee kehrt nach Europa zurück, diesmal in Begleitung seiner großartigen amerikanischen Band mit J.T. Thomas an den Keyboards, Will MacGregor am Bass sowie Jason Smith am Schlagzeug.

Einer der weltbesten Gitarristen

Der Gitarrenvirtuose Albert Lee gehört zu den weltbesten Gitarristen. Eric Clapton, Ritchie Blackmore oder Jimmy Page sind allesamt Fans des Saiten-Akrobaten. Was ihn allerdings von den gefeierten Gitarren-Helden unterscheidet, ist seine Bescheidenheit. „Er ist ein zurückhaltender Gitarrist, der sich in den Dienst der Musik stellt und nicht in den Vordergrund drängt. Die Bedeutung des Wortes Ego ist ihm völlig fremd“, sagt Jimmy Page über ihn.

Fürwahr, beinahe unbemerkt geht ein älterer Herr mit weißem Haupthaar und leicht gebeugter Haltung durch die Bastionsreihen Richtung Bühne. Man hätte ihn auch für einen Besucher halten können, der einen Platz sucht. Aber sein Platz ist auf der Bühne - der zuverlässige Sideman, nun endlich als Bandleader mit handverlesener Combo, gibt seinen Fans das, was sie schon immer wollten, Albert Lee als Albert Lee.

Mit dem Willi-Dixon-Klassiker „I‘m ready“, der allerdings durch Muddy Waters größere Bekanntheit erlangte, legte er feurig-furios los. Eine Vielzahl von Coversongs von Künstlern wie Little Feat, Jimmy Webb oder Ray Charles präsentierte der extrem agil wirkende Albert Lee. Der 1943 in England geborene Musiker und seit mehr als 40 Jahren in Kalifornien lebende Lee ist mit unbändiger Spielfreude zugange. Es ist ihm anzumerken, wie ihm seine jungen Musikerkollegen gut tun, endlich kann Lee sein Ding machen. Lee und J.T. Thomas puschen sich gegenseitig zu instrumentaler Höchstleistung. Zwei erfrischend abwechslungsreiche Sets, bei denen Titel von Jerry Lee Lewis, Buddy Holly und freilich den Everly Brothers dem gut gelaunten Publikum präsentiert wurden. Rock ‘n‘ Roll, Country Music, Skiffle und Rhythm and Blues - Albert Lee beherrscht alle Spielweisen.

Mit Jerry Lee Lewis machte Albert Lee in London 1973 legendäre Studioaufnahmen, danach schloss sich Lee den Crickets an, der Band des 1959 tödlich verunglückten Buddy Holly, mit Joe Cocker war er unterwegs und ab 1979 für fünf Jahre mit Eric Clapton.

Albert Lee ist nicht nur ein exzellenter Gitarrist, sondern auch ein ausgezeichneter Klavierspieler und Sänger mit gefühlvoller Stimme, mit der er aber auch rockig abgehen kann. Beinahe schon als intimer Höhepunkt kann das am Piano vorgetragene „The High­wayman“ von Jimmy Webb bezeichnet werden. Das Stück erlangte 1985 nochmals große Bekanntheit durch die Version der gleichnamigen Countryband mit Willie Nelson, Kris Kristofferson, Johnny Cash und Waylon Jennings. Albert Lee mit diesem Song in der speziellen Bastionsatmosphäre zu hören, war zweifelsfrei ein ganz besonderer Moment.

Was Albert Lee so einzigartig macht, ist seine spezielle Gitarrentechnik, eine Spielweise, bei der er gleichzeitig ein Plektrum und die restlichen drei Finger benutzt, um die Saiten anzuschlagen. Daraus entstehen flüssig und präzis gespielte Tonfolgen. Dass er seine Gitarre wie eine Pedal-Steel-Gitarre erklingen lassen kann, ist eine weitere virtuose Technik, die er völlig entspannt und effi­zient einzusetzen vermag. Rock ‘n‘ Roll, Rhythm and Blues und Country, diesen Schmelztiegel geerdeter Gitarren- und Rockmusik kann keiner besser vereinen, als Albert Lee mit seiner neuen Band.Brigitte Gerstenberger