Kirchheim

Hier scheiden sich die Geister

Wein Dass erlesener Rebsaft im Eichenfass zur Vollendung reift, ist für viele Verbraucher ein Qualitätsmerkmal. Doch das war nicht immer so. Von Daniela Haußmann

Eichenfässer, in denen der Wein zur Blüte reift, werden drei bis vier Mal befüllt. Für den Ausbau hochwertiger Weine sind sie da
Eichenfässer, in denen der Wein zur Blüte reift, werden drei bis vier Mal befüllt. Für den Ausbau hochwertiger Weine sind sie dann nicht mehr geeignet. Daher werden sie in der weiteren Folge beispielsweise von Whiskyherstellern genutzt.Fotos: Daniela Haußmann/Carsten Riedl

Dass Wein in Fässern zur geschmacklichen Blüte reift, ist heute in zahlreichen Köpfen Ausdruck eines Qualitätsmerkmals. Der von Aromen wie Vanille, Kaffee oder Karamell geprägte Holzton erfreut sich großer Beliebtheit und wird durch die Reifung im Barriquefass erzeugt.

Was viele nicht wissen: Lange Zeit war die Geschmacksnote in Deutschland als Weinfehler verpönt. „Bis in die 80er-Jahre hinein galt die Lagerung im Holzfass als Aromatisierung, die rechtlich untersagt war“, weiß Weinhändlerin und Somelière Christiane Leibssle und erklärt: „Erst als mehr und mehr Verbraucher schwere Rotweine nachfragten, kam es in den 90ern zu einer Änderung in der Weinverordnung. Seither ist die Kennzeichnung ‚in Barrique gereift‘ zulässig.“

Als die Gallier entdeckten, dass Holzfässer zu mehr taugen als dem Transport von Rebsäften, schlug die Stunde des gezielten Weinausbaus. „Kirsche, Kastanie, Pappel – es wurde mit etlichen Holzsorten experimentiert. Dabei stellte sich“, laut Leibssle, „schnell heraus, dass nur Eiche optimale Aromastoffe für das geschmackliche Gesamtbild liefert.“

Leichte Verarbeitung, unattraktiv für Holzwürmer – weitere Eigenschaften, die die Holzart zum klassischen Fassbaustoff machten, wie die Betreiberin der Kirchheimer Weinhandlung Terra Vinum berichtet. Im Übrigen ziehen rund acht Jahrzehnte ins Land, bis sich aus einem Exemplar der Baumart ein Fass machen lässt. „Erst dann ist der Stammdurchmesser groß genug“, erzählt Helmut Dolde.

Jedes der aus Eiche gefertigten Behältnisse kostet einen Winzer in der Anschaffung zwischen 700 und 800 Euro, und lässt sich, dem Linsenhöfer Weinbauer zufolge, nur drei- bis viermal mit vergorenem Traubenmost füllen. „Denn mit jeder Belegung verliert ein Fass Stück für Stück an Aromakraft“, so der Fachmann. Im Verlauf der Fassproduktion wird das Holz einem Toasting unterzogen. „Anders formuliert: Die Dauben erhalten eine Röstung. Bei dieser Hitzebehandlung entsteht ein Vanillearoma“, so Dolde. „Es werden drei Toasting-Grade unterschieden: leicht, mittel und stark.“ Jedes Fass gibt dem Wein ein individuelles Aroma, das nicht allein von der Röstung beeinflusst ist, sondern beispielsweise auch von der Holzsorte.

Von den über 250 weltweit vorhandenen Eichenarten sind, laut Christiane Leibssle, lediglich drei für den Fassbau relevant. „Das ist einmal die Traubeneiche, die eine Vielzahl von Aromaverbindungen enthält, dann die tanninreiche Stileiche und die amerikanische Weißeiche, die“, nach Auskunft der Expertin, „anders als die europäischen Sorten schneller wächst, weniger Tannin mitbringt und sich unabhängig vom Faserverlauf verarbeiten lässt.“

Eine Rolle spielt bei der Reifung aber auch die Fassgröße. Viele Konsumenten wollen möglichst früh in den Genuss der Weinernte kommen. Kleine Fässer leisten laut Helmut Dolde dazu einen Beitrag. „Im Verhältnis zur Menge des Rebsaftes, der in ihnen aufbewahrt wird, weisen sie eine größere Holzoberfläche auf“, erklärt der Winzer. „Anders als bei großen Fässern gelangt so über die Poren mehr Luft ins Innere. Die Reifung erfolgt daher schneller und intensiver.“

Darüber hinaus eignen sich Christiane Leibssle zufolge am besten kräftige Spitzenweine zum Ausbau im Eichenfass. „Dazu zählen zum Beispiel Spätburgunder oder Chardonnay“, so die Sommelière. „Rotweine besitzen einen höheren Gerbstoffgehalt. Anders als feine Weißweine lassen sie sich im Fass besser ausbauen und gewinnen deutlich an Komplexität.“

Doch das prozenthaltige Traubenextrakt muss nicht zwingend im Eichenfass zur vollen Blüte reifen. Es ist teuer und seine Nutzung begrenzt – das schlägt sich auch im Verkaufspreis nieder. „Deutlich billiger fällt die Produktion mit Eichenchips im Edelstahltank aus“, berichtet Leibssle und stellt fest: „Viele Verbraucher reagieren auf solche Weine noch skeptisch. Dabei sind zwischen den nach dieser Methode erzeugten Rebsäften und den im Fass gereiften Vertretern keine sensorischen Unterschiede feststellbar.“

Ob Barrique oder Eichenchips – für welchen Wein sich der Konsument letztlich entscheidet, ist keine Frage des Geschmacks, sondern vielmehr eine Glaubensfrage, an der sich die Geister scheiden.

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