Kirchheim

„Ideales Thema für Bürgerbeteiligung“

Stadtplanung Rund 20 engagierte Bürger waren der Einladung der Grünen zum Bahnhofs-Workshop für Kirchheim in die Stadtbücherei gefolgt. Viele der Ideen zeugten von interessanten Visionen. Von Peter Dietrich

Ein Fahrradparkhaus mit mehr Stellplätzen für Fahrräder ist eine der Ideen für die Neugestaltung des Bahnhofsgeländes. Foto: Pet
Ein Fahrradparkhaus mit mehr Stellplätzen für Fahrräder ist eine der Ideen für die Neugestaltung des Bahnhofsgeländes. Foto: Peter Dietrich

Kirchheims Bahnhofsgelände soll ein neues Gesicht bekommen. Dazu haben sich jetzt rund 20 Bürger zu einem Workshop im Büchereisaal getroffen. Seit vor etwa einem Jahr die Anfrage eines Investors für die Errichtung eines vierstöckigen Gebäudes auf dem Areal eingegangen war, will die Stadt den gesamten Bereich neu planen. „Das ist ein ideales Thema für eine Bürgerbeteiligung“, sagt Sabine Bur am Orde-Käß, Fraktionsvorsitzende der Grünen im Gemeinderat. Die Stadtverwaltung stellte dazu gerne die nötigen Pläne zur Verfügung.

Sabine Bur am Orde-Käß, selbst Architektin und Stadtplanerin, hatte die Bürger ordentlich gefordert: In Arbeitsgruppen sollten sie ihre Vision von einer Neugestaltung auf Transparentpapier zeichnen. Das Ergebnis konnte sich sehen lassen und zeigte den Weitblick, mit dem die Ideengeber an die Arbeit gegangen waren. Mehrere Gruppen verlegten den Busbahnhof an die Stelle der ehemaligen Güterhalle. Der jetzige Busbahnhof hat keine Überdachung, die Wege für die Fahrgäste sind extrem schmal und von der S-Bahn kommend ist nicht zu sehen, wo die Busse hinfahren. Bei so viel Beton- und Asphaltfläche wie bisher bliebe Raum für eine Bebauung, ob nun zum Wohnen, für Büros, für ein Hotel oder eine Jugendherberge. Durch den Grundstücksverkauf, so der grüne Fraktionsvorsitzende im Landtag, Andreas Schwarz, ließe sich womöglich die Neugestaltung finanzieren. Er hatte außerdem aktuelle Informationen zum Bahnverkehr mitgebracht.

Zu den weiteren Ideen gehörten ein Fahrradparkhaus und ein Kreisverkehr an der großen Kreuzung. Bisher ist es ein häufiges Ärgernis, dass Fußgänger und Radfahrer an der Ampel oft sehr lange auf Grün warten müssen und dadurch möglicherweise den Anschluss an die S-Bahn verpassen. Das Bahnhofsgebäude gehört der Deutschen Bahn, wird aber von ihr eigentlich kaum noch gebraucht. An dieser Stelle könnte ein Neubau entstehen. Dieser sollte nach Ideen der Workshop-Teilnehmer schon von Weitem sichtbar machen, dass man sich dem Bahnhof nähere, wozu auch eine große Uhr gehöre.

Ein anderer Entwurf beließ den Busbahnhof an seiner Stelle, drehte ihn aber herum. Dafür wurde die alte Güterhalle zur Kulturhalle umfunktioniert. Einig waren sich alle Teilnehmer in einem: „Die Unterführung muss weg!“ Deshalb waren in allen Entwürfen Alternativen vorgesehen, entweder als Steg oder als schienengleicher Übergang. Einen barrierefreien Zugang soll es von beiden Seiten des Bahnhofs geben, nicht nur zur Innenstadt hin. Die Teilnehmer blickten auch hinüber zum Südbahnhof, die dortige Unterführung ist ihnen ebenfalls ein großes Ärgernis. Sie wünschen sich auch dort eine ebenerdige, barrierefreie Alternative. Am Hauptbahnhof steht ein Platz mit Brunnen auf der Wunschliste. Zwar gibt es bereits den Schöllkopf-Brunnen, er versteckt sich aber so im Gebüsch, dass ihn kaum einer erkennt.

Bei allen großen Ausblicken wurden auch kleine, kurzfristig mögliche Verbesserungen nicht vergessen. Ein Fremder kann sich am Bahnhof derzeit fragen: „Wo bitte geht es hier in die Stadt?“ Denn es fehlt eine gute Beschilderung. Auf dem Bahnsteig fehlen Sitzgelegenheiten, der Fußweg an der Schöllkopfstraße ist zugewachsen, die beiden Kassen für die Toiletten funktionieren oft nicht. Auf Kritik stießen auch die frühen Schließzeiten des Bahnhofsgebäudes, montags bis samstags um 19 Uhr und sonntags um 13 Uhr.

52 Fernbusse pro Woche

Sabine Bur am Orde-Käß war gut vorbereitet und hatte manche überraschende Information: Nicht jeder wusste zum Beispiel, dass am Bahnhof derzeit pro Woche 52 Fernbusse halten, sie fahren unter anderem nach Lyon, Bottrop und Bosnien-Herzegowina. Die Haltestelle an der Straße ist allerdings schwer zu finden. Ein weiterer Kritikpunkt: Die Reihenparkplätze auf dem Weg zum AOK-Gebäude sind aus heutiger Sicht eine Platzverschwendung. Dort stehen übrigens auch drei Carsharing-Autos von Stadtmobil.

„Das sind ganz tolle Anregungen“, sagte Sabine Bur am Orde-Käß am Schluss. „Es lohnt sich, am Bahnhof Geld in die Hand zu nehmen.“ Alle Anregungen würden dem Gemeinderat zur Verfügung gestellt. „Wir werden beantragen, 2019 einen Wettbewerb durchzuführen.“

Ein 15-Minuten-Takt bis Kirchheim scheint möglich

Neue Wohngebiete und aktuelle Entwicklungen beim Bahnverkehr dürften dazu führen, dass der Kirchheimer Bahnhof in Zukunft noch stärker genutzt wird.

Die schlechte Nachricht zuerst: Bislang ist der 15-Minuten-Takt bei der S-Bahn nur bis Plochingen geplant. Aber: „Ein 15-Minuten-Takt bis Kirchheim ist technisch möglich“, sagt Andreas Schwarz. Dann gebe es eine Zugkreuzung in Ötlingen, die Gleise sind vorhanden. Es müssten aber in Ötlingen und Kirchheim die zweiten Bahnsteige modernisiert werden.

Die zweigleisige „Große Wendlinger Kurve“, so Andreas Schwarz weiter, biete die Voraussetzung, die S-Bahn auf die Neubaustrecke einzufädeln und im Halbstundentakt direkt zum Flughafen und weiter nach Böblingen fahren zu lassen. Damit werde die Stuttgarter Stammstrecke entlastet. „Bisher fahren viele Leute über Stuttgart, die dort gar nicht hinwollen.“ Eine weitere Voraussetzung für diese Tangentialverbindung sei das dritte Gleis am Flughafenbahnhof mit einer Einschleifung auf die Neubaustrecke.

Für die Verbindung auf die Filder gebe es viele Varianten: „Über die Neubaustrecke ist es günstiger, außerhalb könnten zusätzliche Orte wie Köngen und Denkendorf angeschlossen werden. Das bringt neue Fahrgäste und mehr Einnahmen. Das muss man untersuchen und abwägen.“

Die Modernisierung der Teckbahn ist auf dem Weg, für die Reaktivierung der Weilheimer Bahn und der Boller Bahn haben die Landkreise Göppingen und Esslingen gemeinsam eine Machbarkeitsstudie in Auftrag gegeben. Sie soll noch in diesem Jahr vorliegen. „In meinen Augen hat das Charme“, sagte Schwarz. „Beide Äste alleine sind aber nicht wirtschaftlich, man muss sie verbinden. Ob besser als Eisenbahn oder als Stadtbahn, ist noch nicht geklärt.pd