Kirchheim

„In den Fruchtgärten Mozarts“

Auryn-Quartett begeistert mit dreiteiligem Mozart-Schumann-Konzertzyklus

Kirchheim. Der Primarius des Auryn-Quartettes, Matthias Lingenfelder, hätte seiner Heimatstadt keine schönere Reverenz erweisen können als mit diesem dreiteiligen Konzertzyklus mit Spitzenwerken der

Kammermusik: den sechs Haydn gewidmeten Quartetten von Mozart, gekoppelt mit allen drei Streichquartetten von Robert Schumann.

Wie kaum anders zu erwarten: es waren drei grandiose Abende. Dem Auryn-Quartett (Matthias Lingenfelder und Jens Oppermann, Violinen; Stewart Eaton, Viola; Andreas Arndt, Cello) gelangen Interpretationen, die die ungeheure und zeitlose Lebendigkeit dieser Werke zeigten und ins Herz trafen.

Mozart hatte in der Programmfolge immer das erste und das letzte Wort. Eine sehr sinnige Anordnung: Schumann beschäftigte sich, bevor er seine Quartette in Angriff nahm, sehr intensiv mit diesen Werken Mozarts und änderte daraufhin seine bisherige Einstellung. Er schrieb: „Beethoven, der bis zu seinem letzten Atemzuge rang, steht uns als ein hohes Muster menschlicher Größe da; aber in den Fruchtgärten Mozarts und Haydns stehen auch schwerbeladene Bäume, über die sich nicht so leicht hinwegsehen lässt“.

Das Auryn-Quartett nahm den Achtel-Auftakt des G-Dur-Quartetts so betont und breit, dass er fast mit dem nachfolgenden Akkord verschmolz, ein Detail zwar, aber symptomatisch fürs Ganze: das Auryn-Quartett bedient sich auch bei Mozart einer opulenten Tongebung, die einen breiten Klangstrom favorisiert. Müsste Mozart nicht „schlanker“ klingen? Beim Auryn-Quartett waren Schumann und Mozart im Klangbild sehr ähnlich. Das Entscheidende ist aber, dass die Tongebung das Zentrum Mozart‘scher Musik nicht verdecken darf: den Dialog, das „Gespräch“ zwischen „vier vernünftigen Personen“, wie es Goethe treffend formuliert hat. Und genau auf diesem Gebiet entfaltet das Auryn-Quartett höchste Meisterschaft: größtmögliche Individualisierung der Stimmen bei gleichzeitiger Homogenität.

Wenn nach vier Takten Violinen und Bratsche sich gegenseitig ein kleines Motiv wie einen Ball oder ein Wort zuwerfen, so klang es bei jedem Spieler um eine hauchdünne Nuance anders. Besser lässt sich das „sprechende Prinzip“ in Mozarts Musik kaum darstellen.

Dem Auryn-Quartett steht dafür eine unerschöpfliche Palette von Ausdrucksmöglichkeiten zur Verfügung: allen voran dynamische und klangliche Schattierungen und agogische Feinheiten. Wie es den Musikern gelingt, Phrasenschlüsse zurückzunehmen, ein „subito piano“ zu gestalten und noch mit dem letzten Bogenrest ein pianissimo wie eine Frage hinzuhauchen – da hält man als Hörer den Atem an. Die Kleingliedrigkeit mancher Fakturen wird durch große Spannungsbögen zusammengefasst und lässt die Musik frei atmen. Die Einheit von Ruhe und innerer Bewegung verlieh den langsamen Sätzen eine ergreifende Tiefe, die Beethoven vorwegnahm. Aber genauso kamen Mozarts Witz und Ironie zum Tragen: das Publikum verstand sofort, dass mit dem kleinen, kecken Triller am Ende des Fugen-Finales im G-Dur-Werk die Aussage im Raum stand: „War da was?“ – und quittierte mit Lachen.

Die Schumann-Werke wuchsen sich zu grandiosen Interpretationen aus. Die suggestive, fast manisch wirkende Ausdrucksintensität der drei Werke wurde kongenial erfasst und umgesetzt. Schon in der Einleitung zum a-Moll-Werk wird das Geflecht der Stimmen scharf herausgearbeitet und nichts eingeebnet. Das setzt sich fort im Langsamen Satz, wo die Stimmen aufgrund ihrer extremen rhythmischen Individualität eigentlich auseinanderstreben – dem Auryn-Quartett gelingt es, zugleich das Auseinanderstrebende wie das Verbindende herauszuarbeiten. Die vertrackten rhythmischen Verschiebungen auf längere Strecken in allen drei Quartetten, lassen das Suggestive dieser Musik hervortreten, ebenso wie das gespenstische Tempo in den Scherzi. Zu grandiosen Höhepunkten werden die Variationssätze im zweiten und vor allem im dritten Werk, wo die Ausdrucksintensität bis an die Grenzen geht. Zu einem Abgesang von überirdischer Schönheit geriet das Adagio im dritten Werk. Alle drei Finalsätze stellten die geradezu aberwitzigen virtuosen Fähigkeiten aller vier Musiker unter Beweis. Aber dass im dritten Quartett nach dem absoluten Höhepunkt der zwei Mittelsätze Schumann kein wirklich überzeugendes Finale mehr gelingen wollte, konnte selbst das Auryn-Quartett mit seinen Fähigkeiten nicht überdecken.

Für den begeisterten Beifall bedankten sich die Musiker mit Zugaben aus dem Bereich der Modernen Musik: Bartok, Strawinski und Britten. Diese Stücke machten neugierig – könnte man das Auryn-Quartett auch einmal dafür gewinnen?