Kirchheim

In der Balance zwischen figürlich und frei

Ausstellung Die städtische Galerie im Kirchheimer Kornhaus zeigt Bilder und Zeichnungen aus dem Spätwerk des renommierten Stuttgarter Künstlers Rudolf Schoofs. Von Kai Bauer

53 Exponate aus dem Spätwerk des Künstlers Rudolf Schoofs sind derzeit im Kirchheimer Kornhaus zu sehen.Foto: Markus Brändli
53 Exponate aus dem Spätwerk des Künstlers Rudolf Schoofs sind derzeit im Kirchheimer Kornhaus zu sehen.Foto: Markus Brändli

Auf zwei Stockwerken widmet die Galerie der Stadt Kirchheim dem international bekannt gewordenen Künstler Rudolf Schoofs eine umfassende Ausstellung mit Bildern und Zeichnungen aus dem Spätwerk ab den 1990er-Jahren. Rudolf Schoofs lehrte über zwanzig Jahre als Professor Freie Grafik an der Stuttgarter Kunstakademie und prägte damit eine ganze Generation junger Künstlerinnen und Künstler im deutschen Südwesten.

In der sehr dicht gehängten Ausstellung finden die 53 Zeichnungen und elf Gemälde zu einem eigenen Rhythmus zusammen. Formen und Strukturen entwickeln sich über Blätter und Leinwände hinweg zu Serien von immer wieder neu angesetzten Bildfindungen. Die Kuratoren Monika Schaber und Wolfgang Dick, die beide bei Schoofs studiert haben, stellten diese Auswahl aus dem Bestand im Atelier von Rudolf Schoofs in der Reitzensteinstraße in Stuttgart zusammen, wo er bis zu seinem Tod 2009 lebte und arbeitete. „Als Akademiestudentin wollte ich damals eher nicht zu viel von seinen Arbeiten wissen“, erzählt Monika Schaber „aber jetzt bin ich erstaunt über die Nähe zu dem, was mich selbst künstlerisch beschäftigt.“ Für die Präsentation der Zeichnungen wurden sogar Rudolf Schoofs eigene Rahmen benutzt, deren leicht vergilbtes Holz einen lebendigen Zusammenhang zu den handgeschöpften, teilweise nicht ganz regelmäßig geschnittenen Blättern herstellt. „Der Raum war ihm egal“, so Schaber, „da Inszenierungen für ihn kein Thema waren. Er forderte immer wieder, ein Bild müsse von allen Seiten funktionieren.“

Als Akademieprofessor hatte Rudolf Schoofs zeitweise über fünfzig Schüler, auch Migranten afrikanischer oder asiatischer Herkunft, ebenso Studenten, die kein Abitur hatten. „Er war wohl mehr am Menschen interessiert“, vermutet Monika Schaber vom Kunstbeirat. Dies verbindet Schoofs auch mit seinem berühmten Kollegen Joseph Beuys, mit dem er lange Zeit eng befreundet war. Wie Beuys stammte Schoofs vom Niederrhein, er ist 1932 in Gogh geboren.

Beinahe erinnern die figürlichen Elemente in den ausgestellten Zeichnungen des Spätwerks, die mit Kreide und Rötel ausgeführt sind, an die Hirsche und Bienen, die in Beuys‘ zeichnerischem Werk auftauchen. Denn die auf den ersten Blick rein informellen Farb- und Formentwicklungen von Rudolf Schoofs sind immer in der Balance zwischen figürlich, gegenständlich auf der einen Seite und frei, abstrakt oder gestisch auf der anderen Seite angesiedelt. Das Figürliche dient jedoch hier nicht als Träger von symbolischen oder mythologischen Botschaften. Es geht vielmehr um Analogien der Wahrnehmungsprozesse, die sich sowohl aus dem visuellen Eindruck von Landschaften, Figur und Raum, ebenso aber auch aus den Erinnerungen und Rekonstruktionen der Wirklichkeit durch das menschliche Gehirn zusammensetzen.

Die Kirchheimer Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker begrüßte die zahlreichen Gäste der Vernissage. „Dies ist eine Ausstellung, die es wert ist, an einem dritten Adventssonntag eröffnet zu werden“, so Matt-Heidecker. „Sie rückt das Werk eines bedeutenden deutschen Nachkriegskünstlers wieder stärker ins Bewusstsein.“ Tatsächlich hat es nach dem Tod von Rudolf Schoofs, der 2009 nach langer, schwerer Krankheit gestorben ist, keine große Präsentation seiner Arbeiten gegeben. Auf dieses Phänomen ging auch Dr. Eva-Marina Froitzheim, Kuratorin am Kunstmuseum in Stuttgart, in ihrer Einführung ein. „Er gehörte zu einer Generation von Künstlern, die intensiv gearbeitet haben, um die es aber nach ihrem Tod etwas ruhig geworden ist“, so Dr. Froitzheim. Bis zum 5. Februar gibt es nun in der Städtischen Galerie im Kornhaus die Gelegenheit, dieses konsequente Spätwerk des Künstlers wieder zu entdecken.