Kirchheim

Kirchheim behandelt halb Deutschland

Politik Gesundheitsminister Hermann Gröhe informiert sich im Vaskulitiszentrum der medius-Klinik über Diagnose und Therapie bei seltenen Krankheiten. Von Andreas Volz

Von Professor Dr. Bernhard Hellmich und von Dr. Elena Csernok lässt sich Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe einen Einblick
Von Professor Dr. Bernhard Hellmich und von Dr. Elena Csernok lässt sich Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe einen Einblick in die Arbeit des Kirchheimer Vaskulitis- und ANCA-Referenzlabors geben.Foto: Carsten Riedl

Das wichtigste Gesundheitsthema überhaupt? Die Krankenhauslandschaft vor der eigenen Haustür. Das sagt einer, der es wissen muss: Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe. Dabei kommt der CDU-Politiker auch auf ein Paradoxon zu sprechen: „Wir wollen ins Krankenhaus nur zu Besuch kommen und nicht selbst dort liegen. Falls wir aber doch in die Klinik müssen, wollen wir ein gutes Krankenhaus in der Nähe haben.“

In Kirchheim konnte er sich gestern davon überzeugen, dass es vor Ort eine hervorragende Klinik gibt: Er informierte sich auf Einladung seines Fraktionskollegen im Bundestag, Michael Hennrich, über aktuelle Projekte der Rheumatologie. Als eine der größten Schwierigkeiten auf diesem Sektor hat Hermann Gröhe die Diagnostik ausgemacht: „Oft dauert es viel zu lange, bis ein Patient die richtige Diagnose erhält.“

Deswegen habe sich die Politik bewusst für die Zentrumsfunktion einzelner Krankenhäuser entschieden. Es gehe um „kluge Vernetzung“ und die richtige Patientensteuerung, sodass jeder möglichst schnell die passende Versorgung bekommt: „Wir wollen Irrfahrten von Patienten vermeiden.“ Ein solches Zentrum ende nicht an Landesgrenzen. Beeindruckt war der Minister deshalb von der Tatsache, dass das „Vaskulitiszentrum Süd“ nicht nur eine Kooperation zwischen dem Kirchheimer Krankenhaus und dem Universitätsklinikum Tübingen darstellt, sondern auch zum Europäischen Referenznetzwerk für seltene Erkrankungen gehört.

Über diese seltenen Erkrankungen sagte Chefarzt Professor Dr. Bernhard Hellmich gestern bei der Führung im Kirchheimer Krankenhaus: „Die rheumatoide Arthritis ist mit eine unserer häufigsten Erkrankungen. Darunter leidet rund ein Prozent der Bevölkerung.“ Anders sehe es schon beim Churg-Strauss-Syndrom aus. Da komme ein Patient auf eine Million Einwohner. Hochgerechnet heißt das aber, dass in Deutschland 83 Patienten mit Churg-Strauss-Syndrom zu erwarten sind, die trotz der Seltenheit eine angemessene Behandlung brauchen.

In Kirchheim ist diese Behandlung möglich, und die Patienten kommen nicht nur aus dem Kreis Esslingen. Bayern, Hessen und auch Nordrhein-Westfalen zählen durchaus zum Einzugsgebiet. Eine besondere Auszeichnung für die Arbeit in der medius-Klinik in Kirchheim sieht Bernhard Hellmich darin, dass die Deutsche Gesellschaft für Rheumatologie nächste Woche ihren Jahreskongress in Kirchheim abhält.

Vaskulitis bezeichnet Gefäßentzündungen, hervorgerufen durch Autoimmunerkrankungen, von denen viele Organe betroffen sein können. Zum Zentrum gehören deshalb Experten aus allen möglichen Fachrichtungen. Ein Problem der seltenen Erkrankungen besteht auch darin, dass sie zu selten sind, um für die Pharmaindustrie interessant zu werden. Bernhard Hellmich: „Es gibt nur sehr wenige zugelassene Therapien.“

Das Kirchheimer Vaskulitiszentrum nimmt deswegen an Therapiestudien teil. „Wir sind auch in der Labordiagnostik mit federführend und arbeiten an der Entwicklung von Leitlinien mit.“ Oberstes Ziel sei es immer, die Patientenversorgung zu verbessern. Beim Churg-Strauss-Syndrom sei es immerhin bereits gelungen, die Lebenserwartung zu steigern und zu stabilisieren. Eine vollständige Genesung lasse sich noch nicht erreichen. Die Therapie könne nicht komplett eingestellt werden: „Wenn man die Bremse löst, geht es gleich wieder los.“

Von der Forschung und Behandlung ging es in der Diskussion wieder zurück zur Politik. Landrat Heinz Eininger und Kliniken-Geschäftsführer Thomas Kräh wiesen darauf hin, dass ein Krankenhaus auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten funktionieren muss. Minister Gröhe hielt dagegen: „Es ist völlig klar, dass Qualität ihren Preis hat. Aber fragen Sie mal die Krankenkassen. Die beklagen sich immer über die teuren Krankenhäuser.“

Der Kirchheimer CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich stellte zum Abschluss salomonisch fest: „Seit 15 Jahren mache ich Gesundheitspolitik. Davon waren die letzten vier die entspanntesten - weil wir erfolgreich waren und viele gute Dinge aufs Gleis gesetzt haben. Trotzdem wird uns die Arbeit nicht ausgehen.“