Kirchheim

Kirchheim bewahrt die alte Fassade

Linde Am Alleenring soll das historische Ensemble zwischen Amtsgericht und Weißem Ochsen in seinem Erscheinungsbild erhalten bleiben. Von Andreas Volz

Die Fachwerkfassade der Linde in Kirchheim soll erhalten bleiben, auch wenn das Mehrgenerationenhaus hinter der Fassade komplett
Die Fachwerkfassade der Linde in Kirchheim soll erhalten bleiben, auch wenn das Mehrgenerationenhaus hinter der Fassade komplett neu gebaut wird.Foto: Jean-Luc Jacques

Die Kirchheimer Linde weckt Emotionen. Selbst Passanten, die noch nie das Innere des Mehrgenerationenhauses betreten haben, schätzen die Fachwerkfassade als ein markantes Wahrzeichen der Stadt. Nun ist zwar das historische Gebäude als solches nicht mehr zu retten. Aber im Gemeinderat hat sich eine große Mehrheit dafür ausgesprochen, trotz allem die vertraute Fassade zu erhalten.

„Das Fachwerk wurde erst in den späten 70er-Jahren freigelegt. Vorher war die Fassade verputzt“, plauderte Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker aus dem historischen Nähkästchen. Aktuell leitete sie daraus folgende Handlungsanweisung ab: „Das heutige Erscheinungsbild der Linde trägt zu einem wichtigen Heimatbezug bei. Es lohnt sich deshalb, hier intensiv zu diskutieren.“

Oliver Kümmerle vom Sachgebiet Stadtplanung stellte vor der eigentlichen Diskussion den baulichen Zustand der einstigen Gastwirtschaft vor: „Das Haus weist erhebliche Mängel und Schäden auf. Dazu gehören verschiedene Pilze, Käfer, die Feuchtigkeit und mechanische Belastungen.“ Insgesamt sei das Gebäude „in einem bedenklichen Zustand.“

Wirtschaftlich nicht zu sanieren

Sanierungskosten von 3,6 Millionen Euro stehen im Raum. „Da ist aber das Nebengebäude mit dem Saal so wenig enthalten wie irgendwelche Aussagen zum Brandschutz oder zum künftigen Raumzuschnitt.“ Die Aussage des Baugutachtens und der Kostenschätzung ist aber umso klarer: „Eine wirtschaftliche Sanierung ist nicht mehr möglich.“

Zum Fachwerk sagte Oliver Kümmerle: „Das ist keine Sichtfassade, sondern ein Konstruktionsfachwerk. Die Fachwerkfassade wurde nach der Freilegung idealisiert. An manchen Stellen hat man einfach ein Brett aufgenagelt.“ Ob die Fassade erhalten bleiben kann oder rekonstruiert werden muss, lässt sich noch nicht genau sagen. Die Mehrkosten für das Fachwerk dürften aber bei rund 150 000 Euro liegen. Der Gestaltungsbeirat sieht hier eine „politische Entscheidung“, die die Stadtgesellschaft oder eben der Gemeinderat als Vertretung der Stadtgesellschaft zu treffen habe.

Die Verwaltung hat eine Richtung vorgegeben und dem Gemeinderat Abriss und Neubau der Linde vorgeschlagen - und zwar „unter Erhalt beziehungsweise Rekonstruktion der Süd- und Westfassade als Aussage für die Auslobung des Wettbewerbs Linde-Areal“. Der Gemeinderat ist dieser Auffassung überwiegend gefolgt.

Dr. Natalie Pfau-Weller (CDU) nannte die Entscheidung „längst überfällig“. Ihre Fraktion wolle dem Beispiel von 1979 folgen: „Die Mehrkosten nehmen wir gerne in Kauf, für unser historisches Erbe als Fachwerkstadt.“

Sabine Bur am Orde-Käß, die Vorsitzende der Grünen-Fraktion sprach von „einem der letzten historischen Ensembles außerhalb des Alleenrings“. Fachwerk und moderne Architektur ließen sich durchaus vereinen: „Wir müssen die notwendigen Mittel bereitstellen, dürfen aber bei der Nutzung keine Abstriche machen zugunsten der Fachwerkfassade.“

Die Frauenliste sieht den Nutzen der Linde mehr in der Begegnungsstätte als in der Fachwerkfassade. Trotzdem schlug sich Eva Frohnmeyer-Carey auf die Seite der Fachwerkerhalter - „denn ohne den Erhalt der Fassade gehen wir das Risiko ein, dass die historische Häuserzeile hinterher so nicht mehr gegeben ist“.

Der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler, Dr. Christoph Miller, hieb in dieselbe Kerbe, indem er einen gedanklichen Rundgang um den Alleenring anführte und außer dem Alten Haus nicht mehr viel Historisches fand: „Das Linde-Areal gehört hier in den Kontext der historischen Altstadt, und deswegen besteht ein öffentliches Interesse an der Erhaltung.“ Die Frage nach Erhalt oder Rekonstruktion sei noch zu präzisieren: „Das wird sich im Lauf des Verfahrens zeigen müssen.“

Ganz anderer Meinung war Peter Bodo Schöllkopf (SPD): „Sonst sparen wir an allen Gebäuden. Und hier geht es um ein Fachwerk, das richtig Geld kosten wird.“ Beim Wachthaus würde er das ja noch verstehen, aber nicht bei einem Blendfachwerk. „Das ist für mich Disney“, erteilte er dem Vorhaben aus seiner Sicht eine klare Absage. Die Mehrheit konnte er davon aber nicht überzeugen: Bei einer Gegenstimme und zehn Enthaltungen folgte der Gemeinderat dem Vorschlag der Verwaltung.

Der Eingang von der Straßenseite setzt den Kreisverkehr am Amtsgericht voraus

Der Neubau des Mehrgenerationenhauses Linde könnte sich auch ganz deutlich auf den Straßenverkehr am Alleenring auswirken: Zum Vorhaben gehören nicht nur der Erhalt oder die Rekonstruktion der historischen Fassade, sondern auch die Wiederherstellung des alten Eingangs. Der war einmal auf der Straßenseite zu finden, unterhalb des Auslegers - an der Stelle also, wo sich jetzt der angedeutete Holzerker befindet.

Den Platz für eine Treppe, noch dazu für eine Rampe, die den barrierefreien Zugang ermöglichen würde, bietet die aktuelle Verkehrsführung aber nicht. Dieser Platz würde sich erst dann ergeben, wenn die Ampel-Kreuzung am Amtsgericht durch einen Kreisverkehr ersetzt wäre. Dann könnte die Linksabbiegespur vor der Linde entfallen. Der Verkehr könnte zweispurig geführt werden. Der Gehweg vor der Linde ließe sich dann verbreitern.

Ein Kreisverkehr am Amtsgericht ist eigentlich schon lange vorgesehen. Der Verkehr könnte dadurch wesentlich besser fließen als durch die Ampelregelung. Bisher ist die Umsetzung dieser Idee aber immer an der Kostenfrage gescheitert. Der Kreisverkehr wurde immer als wünschenswert, aber nicht als dringend notwendig angesehen. Angesichts vieler weiterer „Baustellen“ hat die Stadt diesen Kreisel immer wieder zurückgestellt.

Zwangsweise sei der Kreisverkehr am Amtsgericht die Voraussetzung, um den historischen Eingang der Linde wiederherstellen zu können, hat der Gestaltungsbeirat in einer Sitzung im Oktober festgestellt. Die Freien Wähler sehen diese Verbindung nicht, wie Christoph Miller im Gemeinderat ausführte: „Der Eingang kann auch im hinteren Teil barrierefrei erfolgen.“ Vielleicht braucht es den Eingang von der Straßenseite also gar nicht.vol