Lokale Kultur

Klanglich interessante Besetzungsalternative

Das slowakische „Hugo Kauder Trio“ stellte sich dem Kirchheimer Konzertpublikum vor

Kirchheim. Das seit 2008 in der ungewöhnlichen Besetzung mit Oboe (Ivan Danko), Bratsche (Róbert Lakatos) und Klavier (Ladislav Franzowitz) konzertierende Trio stieß auf seiner

Ernst Kemmner

Suche nach geeigneten Werken auf das spätromantische Œuvre von Hugo Kauder (1888 – 1972), der zur Generation verfolgter und vertriebener jüdischer Künstler des 20. Jahrhunderts gehört und als Namengeber der Formation figuriert. Eine der Zielsetzungen des Trios besteht seither darin, die Werke anderer verfolgter oder wenig bekannter Komponisten aufzuspüren und der Öffentlichkeit zu präsentieren, darunter auch Robert Kahn (1865 – 1951), dessen Serenade für Oboe, Viola und Klavier, f-Moll, op. 73 denn auch den Konzertabschluss bildete.

Zum Programmauftakt bot das Ensemble eine Auswahl von vier Stücken aus Robert Schumanns „Sechs Stücke in kanonischer Form“, op. 56 dar. Mit diesem Werk betrat Schumann kompositorisches Neuland. Die Erfindung des Pedalflügels („pédalier“), einer Instrumentenkonstruktion, die das Orgelüben zu Hause ermöglichen sollte, inspirierte ihn zu insgesamt drei Werken, wovon die „Sechs Stücke“ sowohl auf dem Pedalflügel als auch auf der Orgel gespielt werden konnten und später vom Zeitgenossen Theodor Kirchner für Klaviertrio bearbeitet wurden. Die an diesem Abend präsentierte Trio-Version stammte allerdings von Paul Baze­laire.

In allen vier Stücken bewiesen die drei gut aufeinander eingespielten Akteure feines musikalisches Gestaltungsvermögen. Oboe und Bratsche übernahmen in bruchlosen, bisweilen fein verzögerten Übergängen abwechselnd die Melodiestimme, die äußerst präzise Klavierbegleitung von Ladislav Franzowitz wurde in bei Bedarf zarter Anschlagskultur fein zurückgenommen. Róbert Lakatos konnte mit sattem, sonorem und kultiviertem Bratschenton gefallen, während Ivan Dankos Oboenspiel in den verspielten Kantilenen von langem Atem und dynamisch aufblühender und wieder abschwellender Klanggestaltung lebte. Insbesondere im munter temperamentvollen Abschlussstück ergänzte sich das Trio in rhythmischer wie auch klanglicher Hinsicht hervorragend.

Im Anschluss durfte das Publikum auf die Uraufführung der dem „Hugo Kauder Trio“ gewidmeten „Musik für Oboe, Viola und Klavier“, op. 167, von Xaver Paul Thoma (*1953) gespannt sein, wozu der persönlich anwesende Komponist, der sich auch als Musiker und engagierter Musikpädagoge über die Landesgrenzen hinaus einen Namen machte und unter anderem an der Musikschule Kirchheim im Fach Bratsche seinen Wirkungskreis hat, eine kurze Werkeinführung gab. Darin verwies er auf die dreiteilige Struktur der Komposition, mit einem ausladend komplexen ersten Teil, einem fast serenadenähnlichen zweiten und einem von Nachdenklichkeit geprägten „Abgesang“. Thoma betonte, dass Teile des Werks unter Verwendung einer (kleinen) Sekunde gesetzt seien und da und dort, auch unter Umkehrung und Transposition, die Tonfolge B.A.C.H. auftauche.

In ihrer konzentrierten und engagierten Darbietung gelang es den Musikern, die Anlage der Komposition in ihrer Kleinteiligkeit, aber auch in ihrem melodisch-harmonischen Gehalt in gut abgestimmtem Vortrag sinnfällig zu machen. Dabei reihten sich wilde, teils dissonantische Ausbrüche im Klavier, Pizzicati, Akkordschläge, schrille Triller, flirrende Tremoli, Glissandi und Flageoletts in sich teils reibenden Harmonien aneinander, abgelöst durch fast verträumte Melodielinien im Mittelteil. Am Ende blieb der Eindruck eines sich dem Ohr nicht unmittelbar ­erschließenden und dennoch interes­santen und originellen, in Teilen vielleicht doch etwas zu „akademischen“ und experimentellen Stücks, was sich auch im etwas zaghaften Beifall manifestierte.

Vor der Pause erklangen dann noch die 1920 für klassisches Klaviertrio komponierten „Vier Miniaturen“,op. 18, (Rêverie – Humoresque – Elégie – Danse) in der adaptierten Fassung für Oboe, Viola und Klavier des Wahlschweizers Paul Juon (1872 – 1940). Zu vernehmen war ein abwechslungsreiches und ins Ohr gehendes Werk, wobei in der gesanglich verträumten „Rêverie“ wiederum der klangpralle Bratschenton und die feine Oboen-Oberstimme über exaktem Bassfundament des Klaviers gefielen. Die „Humoresque“ rhythmisch packend und mit musikantischem Elan dargeboten, mit perlend huschenden Klavierläufen, effektiver dynamischer Steigerung und abruptem Schluss. Auf die sehnsuchtsvoll schwermütige, durch eine sich lang entwickelnde, von der Oboe gestalteten Melodielinie bestimmten „Elégie“ folgte dann die mit einem Schuss salonmusikhafter Walzerseligkeit garnierte und mit großer Verve musizierten „Danse“, gekrönt von einem effektvoll hingesetzten Schluss.

Nach der Pause fand das Programm seine Fortsetzung mit den „Schilfliedern“, op. 28, (Langsam träumerisch – Leidenschaftlich erregt – Zart, in ruhiger Bewegung – Feurig – Sehr ruhig) von August Klughardt (1847 – 1902), fünf Fantasiestücken nach Gedichten von Nikolaus Lenau, in denen das lyrische Ich in melancholischer Grundstimmung einer unerfüllbaren Liebe nachträumt. Klughardt, dessen Kompositionen erst in den letzten Jahren neu entdeckt wurden, ist der Generation von Franz Liszt und Richard Wagner zuzuordnen, deren Einfluss in seiner Musik deutlich wird, in der darüber hinaus aber auch erkennbar Anregungen von Schumann aufscheinen.

Das Ensemble interpretierte das in sich stark kontrastierende Werk gestaltungssicher und einfühlsam. Hervorgehoben seien hier noch einmal Lakatos’ samtweicher Bratschenton und die leichthändig perlenden Klavierkaskaden von Franzowitz in der dritten Episode sowie dessen höchst anspruchsvoller und doch sauber gemeisterter Klavierpart in der vierten („Feurig“) und Dankos lupenreiner Ansatz.

Den Abschluss bildete die bereits erwähnte einsätzige Serenade des von den Nationalsozialisten verfemten und noch in hohem Alter zur Emigration nach England gezwungenen Robert Kahn. Dabei handelt es sich um ein abwechslungsreiches, Tempi und Rhythmen vielfach variierendes Stück, in dem verschiedene Stimmungen transportiert werden: elegischer Auftakt mit schwermütigem Melos, danach unter anderem spritziges Laufwerk in allen drei Instrumenten, ein tänzerisch beschwingter Teil und ein begeisternder, fast „reißerisch“ hingesetzter Schluss. Dafür gab es reichlichen Beifall des Publikums, dem das Trio noch eine – leider nicht angesagte – Zugabe folgen ließ.