Kirchheim

Kommentar: Aus Fehlern lernen

Symbolbild: Jean-Luc Jacques

Wer noch immer Zweifel hat, ob Deutschland als Einwanderungsland zu gelten habe oder nicht, dem seien Fakten ans Herz gelegt. Fast jeder dritte Bewohner im Kreis Esslingen hat einen Migrationshintergrund. Das sind mehr als 150 000 Menschen, von denen viele hier geboren sind, hier arbeiten, Steuern bezahlen, am sozialen Leben teilhaben. Dass von gelungener Integration in vielen Fällen trotzdem keine Rede sein kann, liegt am Nichtstun in Zeiten, da Zuwanderer in erster Linie als billige Arbeitskräfte galten. Integrationsversagen ist kein Phänomen des 21. Jahrhunderts, sondern fast so alt wie die Republik selbst. Immerhin: Die Flüchtlingsströme der vergangenen drei Jahre haben die Sinne geschärft, um aus früheren Fehlern zu lernen. Vielleicht die wertvollste Erkenntnis aus verzweifeltem Krisenmanagement, das nun, da sich die Lage beruhigt hat, übergehen soll in kontrolliertes Handeln.

Integration ist eine staatliche Aufgabe, und Integration verlangt nach einem Masterplan. Wer auch das bezweifelt, sollte einen Tag lang den Platz mit denen tauschen, die sich täglich in der Flüchtlingshilfe aufreiben und für die Motivation und Hilfsbereitschaft gleichbedeutend sind mit Frustrationstoleranz und Durchhaltevermögen. Dass die Landkreise und ihre Kommunen das Thema ernst nehmen, macht Hoffnung. Schließlich steht nichts weniger auf dem Spiel, als der soziale Friede in einer brüchiger werdenden Gesellschaft.

Für den Kreis Esslingen, der als einer der dicht besiedeltsten im Land gilt, können sich die Anstrengungen auch aus ganz profanen Gründen auszahlen. Das Netz an sozialen Hilfen ist hier engmaschiger als anderswo, der Sozialetat einer der höchsten im Vergleich. Gut abgestimmtes Handeln spart bares Geld und hilft dem wirtschaftsstarken Standort ganz nebenbei, eines seiner drängendsten Probleme zu entschärfen: den alarmierenden Fachkräftemangel, dem die Region aus eigener Kraft schon lange nicht mehr beikommt. Bernd Köble