Kirchheim

Kunst gegen Gewalt

Ausstellung Das Landratsamt hat in diesem Jahr einen Plakat-Wettbewerb zum Thema „Häusliche Gewalt“ ausgeschrieben. Die Werke der Künstler sind jetzt im Foyer des Kirchheimer Rathauses zu sehen. Von Helga Single

Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker mit Hans-Jürgen Fauth von der Werbeagentur Schmittgall Health, die das Sieger-Plakat
Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker mit Hans-Jürgen Fauth von der Werbeagentur Schmittgall Health, die das Sieger-Plakat entworfen hat. Foto: Helga Single

Die Art, wie dich jemand behandelt, sagt aus, was für ein Mensch das ist und nicht, was für ein Mensch du bist.“ Dieses Motto, das auf einem Flyer von „Frauen helfen Frauen“ in Kirchheim gedruckt ist, verweist auf das Thema des Abends im Foyer des Rathauses in Kirchheim.

Anfang des Jahres hatte das Landratsamt Esslingen einen Plakat-Wettbewerb zum Thema „Häusliche Gewalt“ ausgeschrieben. Im Foyer des Rathauses Kirchheim sind nun Plakate von 16 Künstlern zu sehen, die von einer Jury des Landratsamtes ausgewählt worden sind. „Warum hier, warum an diesem Ort?“, diese einleitende Frage stellte Oberbürgermeisterin Matt- Heidecker zu Beginn der Veranstaltung. Hier sei der Ort, an dem viele Menschen unterwegs sind und sie wünsche sich, dass man sich diesem Thema stelle und sich damit auseinandersetze. Obwohl seit 15 Jahren das „Gewaltschutzgesetz“ in Kraft ist, stecke häusliche Gewalt noch immer in einer Tabuzone.

Für Matt-Heidecker leistet diese Ausstellung einen kleinen Beitrag, wachzurütteln und ins Gespräch zu kommen. Nur eine geringe Zahl der Täter findet den Weg freiwillig zu Dominique Jend, Leiter der Präventionsstelle auf dem Landratsamt in Esslingen. „Die meisten werden von der Justiz geschickt und kommen wegen einer Beratungsauflage. Im Schnitt sind es sechs bis zehn Sitzungen.“ Doch bereits nach zwei Sitzungen weiß er, ob man die Täter erreicht. „Wenn es Einsicht gibt, Verantwortung zu übernehmen, arbeiten wir an dem Thema Gewalt und versuchen, alternative Handlungsmöglichkeiten zu entwickeln, denn Täterarbeit ist Opferschutz.

Nicht nur körperliche Übergriffe, sondern auch herabsetzendes Verhalten und verbale Verletzungen bis Stalking gehören dazu.“ Oft sei es schwierig, den Gewaltkreislauf zu durchbrechen. Viele Ursachen sind Auslöser des aggressiven Verhaltens. So spielt das Verständnis des Frauen- und Männerbildes in der Gesellschaft eine Rolle, sowie Machtausübung und emotionaler Kontrollverlust, die dann zur Bagatellisierung einer Tat führen. Nicht selten sind Kinder von Gewalt betroffen, an deren Auswirkungen sie ein Leben lang zu tragen haben.

Ein breites Netzwerk von Anlaufstellen ermöglicht den Betroffenen, sich Hilfe zu holen. „Doch nicht selten sind sie schwer traumatisiert“, weiß Renate Dopatka von „Frauen helfen Frauen“ zu berichten. „Bei uns kommen sie zur Ruhe. Wir hören ihnen zu und schenken ihnen Glauben - ein wichtiger Schritt zur Zusammenarbeit. Danach können wir an einem selbstbestimmten Leben in der Zukunft arbeiten.“ Das Zurückholen in die soziale Gemeinschaft sei entscheidend. Damit dies gelingen kann, arbeitet ein Konglomerat von Polizei, Jugendamt, Frauenhäusern, sozialen Diensten, Beratungsstellen und Ordnungsamt im Kreis Esslingen zusammen, die sich als Gremium „Runder Tisch“ zusammengeschlossen haben und zwei Mal im Jahr tagen. Öffentlichkeitsarbeit, wie diese Ausstellung, macht auf die Problematik aufmerksam und leistet einen wichtigen Beitrag, dass Gewalt in den eigenen vier Wänden kein Kavaliersdelikt bleibt, sondern als Straftat erkannt wird.

Der Siegerentwurf von Hans-Jörg Fauth von der Werbeagentur Schmittgall Health aus Stuttgart unterstreicht mit der „Doppelbödigkeit“ seines Entwurfs „Ich liebe unser Zuhause ist die Hölle“, die Vielschichtigkeit des Themas. Musikalisch wurde der Abend von zwei Musikerinnen der Band „Wüstenblumen“ gestaltet. Die Wanderausstellung ist noch bis einschließlich Freitag, 17. Januar, im Foyer des Rathauses in Kirchheim zu sehen.

Gewalt in Zahlen

Eine Studie aus dem Jahr 2004 belegt, dass jede vierte Frau im Alter von 16 bis 85 Jahren mindestens ein Mal Gewalt in der Partnerschaft erfährt. Im Jahr 2018 starben 118 Frauen in Deutschland durch Gewaltausübung von Verwandten oder Partnern. Im Kreis Esslingen gibt es rund 400 Einsätze der Polizei pro Jahr zu diesem Thema, die mit ungefähr 120 bis 150 Wohnungsverweisen endeten.hsi