Kirchheim

Liebe kann auch gelingen

Buchvorstellung Der Bestseller-Autor Alex Capus hat bei der Kirchheimer Buchhandlung Zimmermann aus seinem neuen Roman „Königskinder“gelesen. Von Ulrich Staehle

Den richtigen Ton getroffen: der Schweizer Schriftsteller Alex Capus.Foto: Carsten Riedl
Den richtigen Ton getroffen: der Schweizer Schriftsteller Alex Capus.Foto: Carsten Riedl

Bei einer Erzählung ist es entscheidend, den richtigen Ton zu finden. Ich habe lange nach ihm und damit nach dem ersten Satz gesucht.“ Alex Capus hat soeben den Beginn seines in diesem Jahr erschienenen Romans „Königskinder“ vorgelesen. Es geht um ein Ehepaar, das aus einer Laune heraus trotz eines Verbotes und trotz vorhergesagter Schneefälle über den Schweizer Jaunpass ins Greyerzerland fahren will. Das Ehepaar, das sich in kleinen Dingen intensiv streiten, in großen aber einig sein kann, bleibt mit seinem Corolla stecken und wird eingeschneit. Es ist Abend. Ehemann Max bietet seiner Frau an, ihr eine Geschichte zu erzählen, um die Zeit zu überbrücken, bis am Morgen der Schneepflug kommt.

Capus hat eine Rahmenhandlung erfunden, damit er, für die eigentliche Geschichte einen „mündlichen, unmittelbaren, intimeren Erzählton gewinnt“. Die Erzählung in einer Erzählung hat Capus nicht erfunden, sie kommt in der Literatur immer wieder vor wie bei den Märchen von „Tausend und einer Nacht“ oder dem „Wirtshaus im Spessart“ . Die Rahmenhandlung bietet auch immer wieder Gelegenheit, dass die Ehefrau Tina „widerspenstig“ die Erzählung unterbrechen kann mit Fragen und Einwänden.

Diese erzählte Geschichte nimmt genau in den Bergen ihren Anfang, in denen das Ehepaar stecken geblieben ist. Den Anstoß dafür, sich um die Geschichte eines Jakob Boschmann zu kümmern, bekam Capus von einem alten französischen Volkslied, das von einem „Pauvre Jacques“ erzählt, der sehnsüchtig an seine ferne Geliebte denkt.

Ein wahres „Märchen“

Capus entdeckte in den Schweizer Archiven, dass es diese Person Ende des achtzehnten Jahrhunderts wirklich gegeben hat. Die Tatsache, dass sich das Paar trotz hoffnungsloser Lage die ganzen Jahre die Treue gehalten hat, hat ihn „fasziniert“.

Nun erzählt Capus die Geschichte von Jakob und seiner Marie. Er ist ein 22-jähriger Hirtenjunge, der hoch droben die Herde eines reichen Bauern hütet. Jeden Herbst führt er die Tiere herunter und bekommt seinen Lohn. Dabei erblickt er die neunzehnjährige Tochter des Bauern und sie ihn. Es bleibt jahrelang bei vielsagenden Blicken und verstecktem Winken. Der Bauer hat etwas gegen den „Barfußbengel“. Zwar entwischt Marie der Kon­trolle ihres Vaters und verbringt einige Tage und Nächte bei Jakob in den Bergen. Doch sie müssen kapitulieren. Marie geht zurück, Jakob verpflichtet sich, acht Jahre für die Franzosen in Cherbourg Solddienst zu leisten. Marie wehrt sich in dieser Zeit gegen eine Verheiratung mit einem der Bewerber, die der Vater ausgesucht hat. Jakob kehrt zurück und setzt durch, dass er mit Marie auf der Alp lebt. Doch nach einem Winter wird er - man möchte es als Märchen abtun, es ist aber historisch verbürgt - auf Befehl des Französischen Königs Ludwig XVI. als Kuhhirt an den Versailler Hof geholt. Dort soll er die Kühe auf dem Musterbauernhof hüten, den Prinzessin Elisabeth, die unkonventionelle Schwester des Königs betreibt. Jakob verrichtet dort zehn Jahre seinen Dienst bis 1789.

Capus lässt bei der Lesung das Ende offen. Doch die Zuhörer erfahren schon zu Beginn, dass die Liebenden sich finden. Er liest Passagen der Rahmenhandlung, nur eine ganz kurze aus der Haupthandlung, die er, ähnlich wie Max, in freier lebendiger Rede zusammenfasst - ein Stilmittel, um die Geschichte persönlicher und unterhaltsamer zu präsentieren, gewürzt durch Humor und den behaglichen Schweizer Akzent.

Blick auf die Politik

Auch wirft Capus einen Blick von unten auf die Verhältnisse am Versailler Hof kurz vor der Revolution. Bemerkenswert sind interpretatorische Einwürfe: Capus sieht Parallelen zwischen der Zeit Ende des 18.Jahrhunderts und heute - beides Mal steht eine Zeitenwende bevor. Die Wohlstandsinsel Mitteleuropa, deren Reichtum auch auf Kosten anderer beruht, schaut „sorgenvoll“ in die Zukunft. Trotz aller positiver Schlüsse - wie auch der Titel seines Romans „Das Leben ist gut“ zum Ausdruck bringt - blendet Capus die Realität nicht aus.

Sehr persönlich ist sein Plädoyer für verlässliche Partnerschaften: „Heute wird zu leicht geschieden“. Sein saloppes Auftreten und solche persönlichen Bekenntnisse bringen den Autor, über den literarischen Nutzwert hinaus, dem Leser nahe.

Autor mit Bestsellergarantie

Alex Capus geboren 1961, lebt in Olten, einer Kleinstadt in der Schweiz. Er hat Geschichte, Philosophie und Ethnologie studiert, arbeitete als Journalist auch bei einer Depeschenagentur, wo er das Recherchieren gründlich lernte. Er ist verheiratet und Vater von fünf Söhnen. In Olten betreibt er eine Bar und lebt als freier Schriftsteller.

Ein Welterfolg gelang ihm 2011 mit dem Liebesroman „León und Louise“, den er ebenso bei der Buchhandlung Zimmermann vorstellte, wie vor zwei Jahren „Das Leben ist gut“.

Alle Romane von Alex Capus waren Bestseller und wurden deshalb auch als Taschenbücher verlegt. us