Kirchheim

„Loslassen fällt mir unheimlich schwer“

Ursula Theuner schließt den Bürostuhl-Laden nach 20 Jahren – Die Kunden bleiben aus

Lange Jahre war das Geschäft von Ursula Theuner die angesagte Adresse für Bürostühle in Kirchheim. Jetzt macht sie den Laden wegen fehlender Kunden Ende September dicht.

Ursula Theuner kennt die Spezialitäten „ihrer“ Bürostühle alle. Foto: Thomas Krytzner
Ursula Theuner kennt die Spezialitäten „ihrer“ Bürostühle alle. Foto: Thomas Krytzner

Kirchheim. Die Zukunft hatte sie ganz anders geplant, doch die gesellschaftliche Entwicklung machte auch vor Ursula Theuners Bürostuhlverkauf nicht halt. Nachdem die Sitz-Expertin lange Jahre Ansprechpartnerin für viele Geschäfts- und Privatkunden war, entschieden sich die Einzelkunden für Online-Käufe oder günstige Produkte im Großhandel. Ursula Theuner sagt dazu: „Immer mehr Menschen kaufen immer mehr übers Netz und verzichten aufs Probesitzen.“ Sie setzt bis heute auf Qualität.

Früher, als Ursula Theuner noch im Umzugsunternehmen tätig war, betrieb sie den Handel mit Bürostühlen als Nebenerwerb. Nach 20 Jahren entschied sich die Geschäftsführerin, sich voll und ganz auf Stühle zu konzentrieren. „Bürostühle sind interessante Handelswaren und man kommt mit so vielen Menschen, seien es Hersteller oder Kunden, in Kontakt.“

Für Ursula Theuner war jedoch auch das Umfeld, in dem die Sitzgelegenheiten eingesetzt werden, wichtig: Ob im Labor, im Büro oder an der Maschine, die Ergonomie ist wichtig. „Früher hörte sich dieses Wort sterbenslangweilig an, mittlerweile beherrscht es die Arbeitsplatzgestaltung vermehrt“, ist ihre Erfahrung. Sie erklärt, dass sich bei der Einrichtung der Schreibtische oder Maschinenplätze in den vergangenen Jahren viel verändert hat. Sie nimmt den Bürostuhl als Beispiel. Früher war es Luxus, wenn die Rückenlehne und die Sitzfläche gepolstert waren. Oberste Klasse war dann die Ausführung mit starren Armlehnen. Heutzutage sind dies Standardwerte und die Armlehnen sind mittlerweile multifunktional. Das heißt, sie sind in alle Richtungen verstellbar. „Genau wie die Sitzfläche. Diese geht mit der Körperbewegung mit, so wird der Druck auf die Wirbelsäule verringert. Im Grunde ist Sitzen eh die ungesündeste Stellung für den Körper“, sagt die Stuhlspezialistin.

Ursula Theuner blickt in die Geschichtsbücher des Stuhls und verrät, dass Sitzen früher ein Privileg und nur Herrschern vorbehalten war. Im Lauf der Zeit hat sich die Sitzkultur entwickelt. Nicht immer passten Design und Ergonomie zusammen. Sogar die EU hat sich mit der Gestaltung von Arbeitsplätzen befasst und ein entsprechendes Gesetz verabschiedet. „Das Gesetz ist schon mal wichtig, die Gestaltung hat aber noch viel Spielraum nach oben“, schmunzelt Ursula Theuner und denkt dabei vor allem an die Kunden. „Ich wünschte mir, die Menschen wären anspruchsvoller, wenn es um den eigenen Rücken geht.“ Sie mahnt, dass der beliebte Chefsessel ja nicht nur gut aussehen soll, sondern eben auch für den Körper gut sein soll. Dabei beruft sie sich auf die eigenen Erfahrungen im Umgang mit ihrem Publikum. „Wenn ich einen Stuhl nach eingehender Beratung verkauft habe, hatte ich immer schnelle Rückmeldungen“, sagt sie. Ursula Theuner ist sich sicher, dass die Summe der Sitzstunden maßgebend für die Wahl des Möbels ist.

Sie hofft, dass es auch weiterhin Chefs gibt, die besorgt sind, einen gesunden Arbeitsplatz anzubieten. „Es ist doch besser, vorzusorgen, als später Rückenleiden zu bekämpfen und auszukurieren.“ Ursula Theuner schwelgt in Erinnerungen und schwärmt, dass ihr die Beratung immer sehr am Herzen liegt. Dann wird sie nachdenklich und sagt: „Ich hätte das gerne noch eine Weile gemacht, aber wenn man in der Nacht nur noch grübelt, wie es weitergehen soll, macht es keinen Sinn mehr.“ Sie bekräftigt aber gleich, dass sie auf keinen Fall nach Geschäftsschluss zu Hause bleiben will: „Ich will noch arbeiten, am liebsten mit Menschen. Ich bin ja noch fit.“ Bis Ende September läuft nun der Ausverkauf im Laden an der Gerberstraße. Ursula Theuner öffnet in dieser Zeit zusätzlich auch am Samstag, jeweils von 10 bis 14 Uhr.