Kirchheim

Märchenhaftes Jubiläum

Kirchheimer Liederkranz feiert 190-jähriges Bestehen in der Stadthalle mit einem vergessenen Klassiker

Jubiläumskonzert am 23. Juli zum 190jährigen Bestehen des Liederkranzes Der Rose Pilgerfahrt Ein musikalisches MärchenMusik: Rob
Jubiläumskonzert am 23. Juli zum 190jährigen Bestehen des Liederkranzes Der Rose Pilgerfahrt Ein musikalisches MärchenMusik: Robert Schumann Liederkranz Kirchheim Vokalsolisten der Musikhochschule Stuttgart, in der Kirchheimer Stadthalle

Kirchheim. Man kann es getrost vorwegnehmen: das Jubiläumskonzert, mit dem der Liederkranz Kirchheim sein 190-jähriges Bestehen

Florian Stegmaier

feierte, geriet zum durchschlagenden Erfolg. Der tosende Applaus, der den musikalischen Akteuren zum Konzertende aus dem gut gefüllten Saal der Stadthalle entgegenbrandete, war fraglos getragen von Begeisterung angesichts einer herausragenden künstlerischen Darbietung, wohl auch von Dankbarkeit dafür, ein nahezu vergessenes Werk eines unserer größten Komponisten auf der Bühne erleben zu dürfen.

Zwar gehörte Robert Schumanns musikalisches Märchen „Der Rose Pilgerfahrt“ noch bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts hinein zum festen Repertoire vieler Chorvereine, letztlich dürfte aber das unverkennbar biedermeierliche Gepräge des Stücks, ebenso seine zunehmend als sentimental empfundene Idylle, sich mit dem modernen Zeitgeschmack immer weniger vertragen haben.

Dessen ungeachtet zeugt Schumanns Umgang mit der musikalischen Form von großer Innovationskraft und Freude am Experiment. Unzufrieden mit der seines Erachtens nicht mehr zeitgemäßen Ästhetik des deutschen Oratoriums, wagte er sich mit „Der Rose Pilgerfahrt“ an die Komposition eines weltlichen Oratoriums, das nicht auf biblischen Stoffen fußt, sondern dem Gehalt freier Poesie und einer stärker musikalisch inspirierten Form vertraut. Unter einer nur scheinbar schlichten Oberfläche, welche die Geschichte einer menschgewordenen Elfe erzählt, die als Ehefrau und Mutter irdisches Glück erfährt und nach ihrem Tod im Kindbett von einem Engelschor in den Himmel getragen wird, spielt Schumann höchst virtuos mit den tradierten Formen von Rezitativ, Arioso und Volkslied, die auf knappem Raum alternieren.

Eine reizvolle Idee war es, dem Kirchheimer Publikum sowohl die bewusste Entscheidung für dieses Stück als auch dessen Inhalt im Rahmen eines „Vorspiels auf dem Theater“ näherzubringen, bei dem sich ein Direktor (Christl Wolfram), Robert Schumann (Hildegard Bunke) sowie ein Zuschauer (Dieter Bleyhl) durchweg in gekonnter Versform austauschten.

Das sich anschließende gut einstündige Bühnengeschehen unter der Leitung von Anna-Maria Wilke lebte gleich von mehreren glücklichen Faktoren: ein geschmackvolles Bühnenbild bot den angemessenen Rahmen für die durchweg hervorragenden gesanglichen Leistungen der jungen Vokalsolisten aus den Reihen der Musikhochschule Stuttgart: die großartige Johanna Prielmann als Rose, Anna Rehfeldt als Elfenfürstin und Müllerin, Daniel Fix in der Rolle des Förstersohns, Marius Sauter als profunder Totengräber sowie Valentin Bauer als Müller. Mit schlankem, beweglichem Tenor hielt José Carmona in der Schlüsselrolle des Erzählers die Handlungsfäden zusammen.

Aber auch den rund 30 Sängerinnen und Sängern des Kirchheimer Liederkranzes mangelte es nicht an glanzvollen Szenen. Deckten die Chorpartien doch eine breite Palette an Stimmungen und Genres ab: vom konduktartig inszenierten Begräbnischor bis zur ausgelassenen Hochzeitsgesellschaft, vom ätherisch wogenden Elfenreigen bis zum rustikalen Jägerchor wurden die Choristen den hohen Ansprüchen des Schumannschen Tonsatzes stets vollauf gerecht.

Für zusätzliche Glanzlichter sorgten Melanie Kiltz, Katharina Wilke, Friedel Balthasar und Dorothea Bender mit ihren solistischen Beiträgen. Große Anerkennung verdient die künstlerische Leistung von Verena Denninger am Klavier. Mit ihrem differenzierten, klangfarbigen Spiel machte sie die originale Klavierfassung des Werks zum echten Hörgenuss und ließ den Sängern den nötigen Freiraum für eine liedhaft sensible Gestaltung.

Jubiläumskonzert am 23. Juli zum 190jährigen Bestehen des Liederkranzes Der Rose Pilgerfahrt Ein musikalisches MärchenMusik: Rob
Jubiläumskonzert am 23. Juli zum 190jährigen Bestehen des Liederkranzes Der Rose Pilgerfahrt Ein musikalisches MärchenMusik: Robert Schumann Liederkranz Kirchheim Vokalsolisten der Musikhochschule Stuttgart, in der Kirchheimer Stadthalle
Tosenden Applaus gab es für die Aktiven des Kirchheimer Liederkranzes bei ihrem Konzert „Der Rose Pilgerfahrt“.Fotos: Markus Brä
Tosenden Applaus gab es für die Aktiven des Kirchheimer Liederkranzes bei ihrem Konzert „Der Rose Pilgerfahrt“.Fotos: Markus Brändli