Kirchheim

Maria Stuart reist in die moderne Welt

Theater Am Schlossgymnasium in Kirchheim ist eine besondere Vorstellung von Friedrich Schillers „Maria Stuart“ über die Bühne gegangen. Von Anna Ioannidis

Theater statt Schule: Am Schlossgymnasium gab‘s eine unkonventionelle Maria-Stuart-Inszenierung, bei der sich die Hauptdarstelle
Theater statt Schule: Am Schlossgymnasium gab‘s eine unkonventionelle Maria-Stuart-Inszenierung, bei der sich die Hauptdarstellerin übers Megafon Gehör verschaffte. Fotos: Carsten Riedl

Schon beim Betreten des großen Raumes im Schlossgymnasium fallen die beiden großen Zelte auf der Bühne auf, vor denen es sich die Gymnasiasten bequem gemacht haben. Die Zelte sind Teil eines Theaterstücks, das zwei Schauspielerinnen aus einem Karlsruher Theater gleich speziell für die Schüler aufführen werden: Friedrich Schillers „Maria Stuart“.

Die Vorstellung beginnt mit einem sich hebenden und senkenden Berg Zeitungen im schwarzen Zelt. Darunter liegt die gefangene Maria Stuart. Als sie aufsteht und laut, fast schreiend, zu sprechen beginnt, lachen die Schüler.

Vor ihnen steht eine moderne Königin in ihrem Gefängniszelt mit Sonnenbrille, rotem Gürtel und einem schwarzen „Free Deniz“-Shirt. Auch ein Schüler bemerkt das politische Kleidungsstück. Später sagt eine der Schauspielerinnen: „Das T-Shirt ist bewusst ausgewählt. Maria Stuart ist genauso gefangen, wie Deniz Yücel es war.“ Sie ist ebenfalls von dem Willen der Regierung „abhängig“. Zu sehen ist das an dem Tropf, der mit einer quietschgrünen Flüssigkeit gefüllt und mit Maria Stuarts Unterarm verbunden ist.

Die Matratze Maria Stuarts verwandelt sich kurz darauf mithilfe ihrer Accessoires zu Sir Mortimer. Ein dritter Schauspieler ist nicht nötig. Baron von Burleigh als ein Helfer der gefallenen Königin ist durch eine übergezogene Maske dargestellt. Nachdem er Maria Stuarts Gefängnis geöffnet hat, hebt sich der Vorhang des zweiten Zeltes.

Im goldenen Zelt verbirgt sich der „Thronsaal“, in dem sich Elizabeth aufhält. Über ihr hängt eine schillernde Discokugel, an der sich die drei Masken der Figuren Shrewsbury, Leicester und Burleigh um Elizabeth drehen. Auch hinter diesem modernen Aufbau steckt ein Sinn: Die Kugel verkörpert Elizabeth als Zentrum, um das sich die Handlung und die anderen Figuren drehen.

Sowohl Maria Stuart als auch Elizabeth beanspruchen kurze Zeit später den Thron für sich und schreien jeweils: „Das Weibliche ist das starke Geschlecht.“ Anschließend treffen sich Leicester und Mortimer zu einem Gespräch. Leicester erhält dabei einen Brief von Maria Stuart, den er später an Elizabeth weitergibt. An der Stelle wird bekannt, dass beide männliche Figuren auf der Seite Maria Stuarts stehen. Manche Schüler reagieren mit leisem Flüstern und einigen Gähnern. Sie lachen erst wieder, als die Schwestern aufeinandertreffen und Maria Stuart mit einem Aufschrei in ihr schwarzes Zelt stürzt.

Bei ihrem Gespräch über die Distanz von Zelt zu Zelt laufen die beiden Figuren wie Tiger in ihren Käfigen auf und ab. Ein paar Schüler sind etwas unaufmerksam - ein bis zwei der Jugendlichen nehmen das Smartphone zur Hand, Papier raschelt.

Dann kommt der Beschluss, der Maria Stuarts Leben eine Ende setzt: Burleigh spritzt eine Flüssigkeit in den Tropf der Figur. Ehe sie stirbt, erfolgt ein letztes Gespräch zwischen den Schwestern. „Ich vergebe dir“, sagt Maria Stuart zu Elizabeth. Dann herrscht Stille auf der Bühne, im Publikum hingegen nicht. Erneut flüstern die Schüler miteinander. Dann schlägt Maria Stuarts letzte Minute, sie stirbt. Auch ihre Schwester stürzt scheinbar tot zu Boden. Die Vorhänge fallen, und das Stück endet.

„In Friedrich Schillers Drama zieht sich Elizabeth in ein einsames Leben zurück. Im Buch stirbt sie nicht“, sagt eine Schauspielerin später in der abschließenden Fragerunde. Sie ergänzt: „ Maria Stuart ist in ihrem Tod freier als Elizabeth es in ihrem Leben ist. Sie muss sich dem Willen des Volkes und den Beratern unterordnen und kann nicht frei entscheiden.“

Insgesamt zeigt das Stück eine außergewöhnliche und moderne Inszenierung von Friedrich Schillers Werk, in die auch politische und gesellschaftliche Themen mit einfließen.