Lokale Kultur

Meisterliches Zusammenspiel

Eröffnungskonzert der Dozenten der zweiten Kirchheimer Meisterkurse

Kirchheim. Die Kirchheimer Meisterkurse gehen in die zweite Runde. Zu Beginn der intensiven Arbeitswoche, in der auf Einladung der Kirchheimer Musikschule renommierte Künstler ihre Erfahrung an junge Talente weitergeben, stand wie schon im Vorjahr ein von den Dozenten bestrittenes Eröffnungskonzert.

Dem Prädikat „meisterlich“ wurden Anke Dill (Violine), Rudolf Gleißner (Violoncello) und Florian Wiek (Klavier) im Rahmen ihres kammermusikalischen Gastspiels im Kirchheimer Schloss mehr als gerecht. Makelloses, von großer Homogenität geprägtes Zusammenspiel, geschmacksicheres Stilempfinden im Verbund mit außerordentlicher klanglicher Qualität und einer stupenden, ganz in den Dienst am Kunstwerk gestellten Virtuosität machten den Konzertabend zum Erlebnis.

So war es ein Genuss, in der Darbietung von Mendelssohns Klaviertrio in d-Moll op. 49 Nr. 1 der sensiblen Deutung der Interpreten zu folgen und auf diese Weise kaleidoskop­artig die höchst individuelle Ausgestaltung dieses Werks aufgefächert zu bekommen. Dank des kantablen Vortrags von Violine und Cello kam das liedhaft schweifende Thema des ersten Satzes wunderbar zur Geltung, ehe im zweiten Satz das Klavier in bester „Lied ohne Worte“-Manier den Komponisten als einen Melodiker ersten Ranges ausweist. Im Scherzo ließen die Musiker jenen „Elfenspuk“ durchschimmern, den Mendelssohn bereits in der „Sommernachtstraum“-Ouvertüre zu seinem Markenzeichen gemacht hatte. Erfreut sich dieses Werk, das seinerzeit von Robert Schumann zum „Meistertrio der Gegenwart“ erhoben wurde, einer breiten Rezeption, führten Dill, Gleißner und Wiek ihre Hörer in der anderen Hälfte des Programms in vergleichsweise seltener gewürdigte Bereiche des kammermusikalischen Repertoires.

Wie alle Frühwerke von Richard Strauss lässt sich auch seine Sonate für Violoncello und Klavier F-Dur op.  6 der Hausmusikpflege seines Elternhauses zuordnen. In seinem beachtlichen Umfang weist das dreisätzige Werk den erst 18-jährigen Komponisten als profunden Kenner der Werke von Mendelssohn, Schumann und Brahms aus. Nur wenige Jahre später hatte Strauß einen grundlegenden Stilwandel vollzogen, sich großen sinfonischen Formen und der Oper zugewandt und ging mit seiner Cello-Sonate hart ins Gericht.

Rudolf Gleißner und Florian Wiek widmeten sich dem Werk freilich mit unverstelltem Blick, entsprachen dem ernsthaften, dunklen Kolorit des zweiten Satzes mit satter, sonorer Tongebung und ließen ihre formidable Interpretation in einem unter Spannung vibrierenden, immer wieder aufschäumenden Finale kulminieren.

Noch zu wenig im Bewusstsein des Musikpublikums ist das Werk der belgischen Komponistin Jane Vignery. 1913 in eine hochmusikalische Familie hineingeboren, studierte sie Violine und Komposition bei solch illustren Persönlichkeiten wie Nadja Boulanger, Jaques de la Presle und Paul Dukas. Eine Muskelerkrankung zwang sie, das Violinspiel aufzugeben und sich ganz auf das Komponieren zu verlegen. Ein tragisches Zugunglück riss die inzwischen preisgekrönte Dozentin des Genter Konservatoriums im Jahr 1974 aus dem Leben. Vignerys Gesamtwerk umfasst Kompositionen für Orchester, Kammermusik und Vokalwerke.

Anke Dill und Florian Wiek spannten ihren Hörern die ausdrucksstarke, hoch emotionale Welt der Violinsonate in a-Moll op. 8 auf. Sie beschränkten sich nicht allein darauf, differenziert der großen Dichte des Tonsatzes und seinen teils eruptiven Gesten nachzugehen, sie eröffneten auch den Blick für eine tiefere Schicht, die hinter dem reich ziselierten klanglichen Ereignis liegt und Vignerys geistig-kontemplativen Umgang mit dem komplex gewobenen Tonsatz erfahrbar werden ließ. So geriet der Konzertabend zum substanzbildenden Vorgang. Gleiches ist auch der pädagogischen Arbeit der Meisterkurse zu wünschen.