Kirchheim

Motorsäge kommt weniger zum Einsatz

Gehölzpflege Kirchheim besitzt 55 Kilometer Fließgewässer. Entlang der Bäche wird jeder Baum einzeln eingestuft. Dank Baumschützern konnte die Zahl der Fällungen aus Verkehrssicherheitsgründen gesenkt werden. Von Iris Häfner

Um die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer - insbesondere die der Fußgänger und Radler - bei starken Stürmen zu gewährleisten, wer
Um die Sicherheit der Verkehrsteilnehmer - insbesondere die der Fußgänger und Radler - bei starken Stürmen zu gewährleisten, werden am Wangerhaldenbach in Kirchheim, der entlang der Bundesstraße in Richtung Schlierbach verläuft, Bäume gefällt. Foto: Markus Brändli

Vor drei Jahren ärgerten sich nicht nur eingefleischte Naturschützer, als in der Stadt Kirchheim großzügig und großflächig Bäume entlang von Bachläufen abgeholzt wurden. Mancherorten waren Kahlschläge zu beobachten - alles mit dem Stichwort Verkehrssicherheit von Seiten der Verwaltung begründet. Dass dies nicht völlig aus der Luft gegriffen war, zeigte ein Vorfall im Talwald: Ein Hund wurde von einem herabfallenden Ast getötet. Doch für viele Bürger war die Verhältnismäßigkeit nicht mehr gegeben. Es gab Proteste, die schließlich in die Gründung der Bürgerinitiative (BI) Stadtbäume Kirchheim mündeten.

Jetzt können erste Entspannungserfolge vermeldet werden. „Das ist ein gewisses Novum. Gemeinsam mit den Naturschutzverbänden haben wir die Bäume bewertet“, erklärt Kirchheims Bürgermeister Günter Riemer. Vertreter von BUND, NABU und der Bürgerinitiative waren mit vor Ort an den Bachläufen, denn es gilt immer noch, die Versäumnisse aufzuholen. Jahrzehntelang wurde die Gehölzpflege in Kirchheim vernachlässigt. Die Pflege- und Fällarbeiten sind unter anderem für den Erhalt und die Verbesserung von ökologisch hochwertigen Bereichen und eben der Herstellung der Verkehrssicherheit notwendig. „Wir kämpfen mit dem Klimawandel, der einige Faktoren mit sich bringt“, so Günter Riemer. Alle zehn Jahre würden sich die Starkstürme verdoppeln, dazu kommen lokal begrenzte Starkregenfälle und dank der Globalisierung werden neue Krankheiten eingeschleppt. Dazu zählt beispielsweise das Eschentriebsterben, das durch das Falsche Weiße Stengelbecherchen, ein Pilz aus Ostasien, ausgelöst wird.

Eine weitere Veränderung im Verfahren: Der Gemeinderat hat eine Stelle in der Verwaltung geschaffen. Sei Juli kümmert sich Eberhard Müller gezielt um die Arbeiten an Gewässern. Neben der Baumpflege geht es auch um die Ufersicherung. „Da wird es bei manchem Anlieger zu Zähneklappern kommen. Etwa, wenn eine Pumpe entdeckt wird, oder Eisenstangen zur Ufersicherung“, sagt Günter Riemer. Insgesamt 55 Kilometer lang sind die Fließgewässer in Kirchheim.

Bewerteten in der Vergangenheit externe Experten die Bäume, so ist das nun die Aufgabe von Eberhard Müller. Es wurden Maßstäbe festgelegt und jeder Baum einzeln angeschaut - und teilweise nach der gemeinsamen Begutachtung mit den Naturschutzverbänden anders beurteilt. So sollten am Wangerhaldenbach, der entlang der B 297 in Richtung Schlierbach verläuft, ursprünglich 69 Bäume der Motorsäge zum Opfer fallen, jetzt sind es nur noch 39. „Das Augenmerk liegt auch auf der Ökologie und dem Hochwasserabfluss“, sagt Eberhard Müller. Totholz bleibt teilweise drin. Es ist Lebensraum nicht nur für Käfer. Spechte bauen Höhlen, die auch von Fledermäusen genutzt werden.

Der Bauhof baut einen eigenen Trupp auf, der sich um die Gewässer kümmert. Als erstes kommt der Kegelesbach im Abschnitt zwischen Schöllkopfstraße und den Badwiesen. Dort werden zum Beispiel alte Birnbäume erhalten, da sie ökologisch wertvoll sind, dafür aber die umliegenden Schlehen zurückgedrängt. Nochmals zurückgeschnitten werden die großen Silberweiden, da die Baumhöhlen bewohnt sind. „Die werden noch mehrere Jahre halten“, ist Eberhard Müller sicher. Damit es möglichst nicht noch mal zu einem dramatischen Zwischenfall wie im Sommer kommt, als ein Mann in letzter Sekunde aus seinem Auto gerettet wurde, als er von Wassermassen in der Unterführung in der Hegelstraße nach einem starken Gewitterregen überrascht wurde, wird der Kegelesbach dort von Unrat und Gebüsch befreit. Damit kann das Wasser besser abfließen.

Baum- und Naturschützer ziehen eine positive Bilanz

Mitglieder des privaten Naturschutzes begrüßen das neue Vorgehen der Stadt Kirchheim im Blick auf die Gehölzpflege an Bächen. Vor allem sind sie froh, dass dank der neu geschaffenen Stelle von Eberhard Müller ein Konzept erstellt wurde und wird.

„Der Gemeinderat ist ein großer Faktor. Es hat sich eine fraktionsübergreifende Kerngruppe herausgebildet, die sich um dieses Thema kümmert“, freut sich Klaus Lang vom NABU, und sein „Kollege“ Dieter Ilg ergänzt: „In den vergangenen Jahren haben sich entlang der Fließgewässer Auwälder entwickelt. Die Baumriesen sind wertvoll und wir sehen sie schon ein bisschen als Schatz an.“

Ins gleiche Horn bläst Jürgen Lewak vom BUND: „Vor einem Jahr sah es noch deutlich anders aus. Die atmosphärische Veränderung ist spürbar. Es wird jetzt ein Umgang gepflegt. Der Kampf von vier Jahren hat sich gelohnt“, zieht er eine positive Bilanz und freut sich, dass die Verwaltung „aus manchen Dingen gelernt hat“.

„Wir konnten Bäume retten. Die ökologische Sichtweise ist jetzt auch im Fokus, nicht nur die Verkehrssicherheit“, freut sich Helge Wallhäuser-Schwenk von der Bürgerinitiative (BI) Stadtbäume Kirchheim - und ist glücklich und zufrieden, wenn es so weitergeht.

Den Naturschützern ist die gemeinsame Gewässerplanung ein großes Anliegen. Die Rolle des Stadtrats sei wichtig, ebenso die der Bürger und die Gründung der BI Stadtbäume Kirchheim. ih