Lokale Kultur

Passion im Lichte der Zuversicht

„Musik zur Todesstunde Jesu“ in der Kirchheimer Martinskirche

Kirchheim. Bezirkskantor Ralf Sach hatte ein interessantes Programm zusammengestellt. Joseph Haydns „Die sieben letzten Worte unseres

Erlösers am Kreuze“ ist eine ungewöhnliche Komposition. Die große Herausforderung des Werks: die ununterbrochene Langsamkeit der Sätze, deren Puls kaum merklich variiert, ohne das Gestaltungsmittel des Tempokontrastes mit gestalterischer Tiefe auszufüllen und die innere Haltung der Sätze adäquat abzubilden, meisterten die Solisten, der Chor an der Martinskirche und das Schwäbische Kammerorchester hervorragend.

Eine dunkel getönte Introduktion eröffnete das Hauptwerk der Passionsmusik. Die folgenden Teile der Komposition nahmen stets ihren Anfang in einem a cappella vorgetragenen Satz, vom Chor an der Martinskirche in getragenem Duktus mit präziser Intonation und hoher Wortverständlichkeit gesungen. Die Intention des Tonschöpfers wurde vom gesamten Klangkörper sehr gut umgesetzt. Dabei war besonders die hohe Konzentration, das gute Aufeinander-Hören und die Präzision bei allen Beteiligten zu loben.

Ohne „Rezitative und Arien“, die sonst den Solisten Gelegenheit bieten, ihre vokalen Möglichkeiten zu präsentieren, wusste das harmonisch aufeinander abgestimmte Soloquartett mit Christina Schmid, Adina Kolb, Rüdiger Husemeyer und Matthias Baur mit lyrischen Ensembles zu gefallen. Ihre stimmliche Präsenz und klare Artikulation ließen das Werk eine große Tiefe erfahren.

Besonders schön kam das in der Nummer 2 („Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein) mit dem Kontrast des Leidens, ausgedrückt durch pochende Bassnoten und Vorhaltsnoten mit einer zuversichtlichen, fast heiteren Tonsprache für das Paradies zum Ausdruck. „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (4) entfaltete das Jesuswort in barocker Sequenzierungsmanier voller Dissonanzen. Die Nummer 6, „Es ist vollbracht“, kann als Höhepunkt des Zyklus angesehen werden.

Nach langen, markanten Unisono-Noten im Orchester findet Haydn immer mehr tröstende musikalische Beschreibungen für das Paradies in der abschließenden Sequenz mit fast meditativer Wirkung durch allmähliches Verebben des Klanges im Soloquartett und den Hörnern. Den Schlusspunkt setzte ein in Klang gefasstes Erdbeben. Fehlte der Satz in einer früheren Fassung, hielten doch Haydn und van Swieten daran fest, wohl als Reminiszenz für das in der Bibel erwähnte Beben nach Jesu Tod. Mit diesem Satz verließ Haydn das „Korsett“ der meditativen, langsamen Abschnitte und gestaltete eine „apokalyptisch entfesselte“ Musik. Er wurde nochmals mit großer vokaler und instrumentaler Kraft und Präzision von den Ensembles musiziert. Ein großes Lob geht an alle Mitwirkenden; besonders zu erwähnen waren die vielen jugendlichen Bläser, die mit großem Engagement und Stehvermögen ihre anspruchsvollen Partien gestalteten. Da braucht man sich über den Nachwuchs keine Sorgen zu machen und kann getrost über die einen oder anderen kleinen Intonations- und Ansatzprobleme hinwegsehen.

Eröffnet hatte das Konzert die Symphonie g-Moll KV 183 von Wolfgang Amadeus Mozart. Viele Synkopen, Dissonanzen, Tremoli, Unisono-Passagen sowie eine differenzierte dynamische Struktur sind Kennzeichen des Werks. Für die Zeit unüblich ist die Zahl vier der Hörner. Gut, dass der engagierte Künstler und Musikpädagoge Eduard Funk seine begabten Schüler mitgebracht hatte (Martin Reiter, Johannes Funk, Stefan Kronmüller), die mit frischem Zugriff unerschrocken ihre umfangreichen Aufgaben bewältigten. Das Schwäbische Kammerorchester, mit dem aufmerksamen und präzisen Dirigat von Bezirkskantor Ralf Sach, arbeitete den musikalischen Schwung in den Ecksätzen, aber auch die lyrischen Kantilenen und kammermusikalischen Elemente, wie zum Beispiel im Holzbläsertrio des dritten Satzes, sehr plastisch und klangschön heraus und stellte damit einmal mehr seine musikalische Bandbreite unter Beweis. Motor und Moderator aller musikalischer Ereignisse war Ralf Sach, dessen starke Präsenz in Gestik und Schlagtechnik stets allen Beteiligten große Sicherheit vermittelt.

Ein lang anhaltender Beifall des zahlreich erschienenen Publikums nach dem abschließenden Glockenläuten war ein Zeichen des Dankes und der Anerkennung für ein nachhaltiges Konzert.