Lokale Kultur

Pianistischer Glanz und orchestrale Finessen

Das Tübinger Kammerorchester und das Klavierduo Walachowski begeistern ihre Zuhörerschaft

Kirchheim. Im vierten Mietekonzert des vhs-Kulturrings stellten das polnische Klavierduo Ines und Anna

Walachowski und das in schlanker, vierzehnköpfiger Formation antretende Tübinger Kammerorchester unter der Leitung des Isländers Gudni A. Emilsson ein interessantes musikalisches Programm vor, das durchweg mit im Konzertsaal eher selten zu hörenden Werken bestückt war.

Am Konzertbeginn stand die „Kleine Suite für Streichorchester, Op. 1“ des Dänen Carl Nielsen (1865 – 1931) aus dem Jahre 1888 mit den Sätzen „Präludium“, „Intermezzo“ und „Finale“, die bei ihrer Uraufführung enthusiastisch aufgenommen worden war. So hatte bei den ersten beiden Aufführungen vor begeistertem Publikum der zweite Satz vom Orchester wiederholt werden müssen.

Im prägnant kurzen Präludium tragen die Celli die eingängige Melodie vor, die von den ersten Violinen aufgenommen wird, bevor eine pulsierende Figur von zweiten Geigen, Bratschen und Bässen quasi die akustische Hintergrundfolie für den gesamten Satz bildet. Das Orchester stellte gleich zu Beginn sein feines Gespür für dynamische Effekte und organisches Zusammenspiel mit feinen Übergangen zwischen den einzelnen Stimmen unter Beweis.

Das folgende Intermezzo in Walzerform gilt zu Recht als Herzstück des Werks und ist ganz in der Tonsprache des Wiener Genres gehalten. Dabei waren zum Beispiel ein eleganter Fluss der Melodiebögen in ausgefeilter Dynamik, ein energisch entschlossener Zugriff der tiefen Streicher und ätherische Flageoletts der ersten Geigen am Satzschluss zu vernehmen. Insbesondere durch den für den ganzen Satz vorgeschriebenen Einsatz der Dämpfer gelang dem Ensemble ein von der Lautstärke her verhaltener, aber dadurch umso durchsichtigerer Vortrag.

Reine Musizierlust und ein auch in den rhythmisch teils schwierigen Passagen gekonnt aufeinander abgestimmtes Zusammenspiel im ausgelassenen und vor allem im „con brio“-Teil höchst schwungvoll daherkommenden Finale, das in manchem an die frühen Streichersinfonien Felix Mendelssohns erinnert. Da waren in Klängen schwelgende, geradezu jubelnde Passagen im Wechsel mit rasend schnellen Figurationen zu hören, die in einer packenden Abschluss-Stretta gipfelten.

Die Programmfolge setzte sich danach mit dem „Konzert für zwei Klaviere, c-Moll“ (BWV 1060) von Johann Sebastian Bach fort, wobei die renommierten Pianistinnen Ines und Anna Walachowski an zwei Steinway-Flügeln die Soloparts übernahmen. Es lässt sich sicher trefflich darüber streiten, ob die Wahl dieser wuchtigen Instrumente mit teils hartem Klang glücklich war und ob zwei Cembali, für die das Werk eigentlich geschrieben ist, der Balance und dem Gesamtklang nicht besser getan hätten, zumal das Orchester etwas im Klangschatten auf der Hinterbühne agierte. Gleichwohl gelang den Akteuren eine insgesamt stimmige Interpretation des Werks.

So wurden im eröffnenden Allegro durch eine nicht zu schnelle Tempowahl die Läufe in dynamisch feiner Abstimmung flüssig und sauber ausgespielt. Der Mittelsatz, ein Adagio im 12/8-Takt, mit einander eng umschlingenden Melodiegirlanden in den Solostimmen über dezenter Basslinie und mit gezupften Streicherakkorden, wurde in seiner melodiösen Eingängigkeit schlicht und ergreifend musiziert, mit einem packenden Crescendo in der Satzmitte. Zu einem „Tastenwirbel zu vier Händen“ mit eingestreuten, delikaten Echo-Effekten geriet das abschließende Allegro, das deutlich schneller genommen wurde als der Auftaktsatz und dadurch in seiner Hörerwirkung noch gesteigert wurde. Die enge Verzahnung im Fugato von Solostimmen und Streichersatz verlangte hier höchste Wachsamkeit im Zusammenspiel, was allen Akteuren aber gut gelang. Großer Beifall des begeisterten Publikums und eine anrührende, dem Ohr schmeichelnde Zugabe vom gleichen Komponisten.

Nach der Pause ging das Konzert mit den „Sechs Rumänischen Tänzen“ von Béla Bartók (1881 – 1945) weiter. Dieses interessante Werk, in dem Zigeunerhaftes und folkloristisches Lokalkolorit aufscheint, beinhaltet eine Vielfalt von Melodien, Rhythmen und Klangfarben, und die kontrastreiche Ausdruckspalette reicht von sehnsuchtsvoll-verträumt bis derb-aufbrausend. Die Tübinger legten es hier vor allem gekonnt da­rauf an, dieses kontrastive Element herauszuarbeiten. Besonders einprägsam fielen in ihrer Darbietung der dritte Tanz („Der Stampfer“) und der sechste („Schnell-Tanz“) durch ihre rhythmische Eigenwilligkeit und den energiegeladenen Schwung aus.

Mit dem in den Jahren 1964 und 1965 entstandenen viersätzigen „Konzert für Streicher“ des Italieners Nino Rota (1911 – 1979) fand das Konzert schließlich seinen Abschluss. Rota, der vor allem für seine Filmmusiken für namhafte Regisseure wie Coppola, Fellini, Visconti oder Zeffirelli bekannt ist, gilt für seine Kritiker als zweitrangiger Eklektiker, für seine Verehrer dagegen als vielseitiger und kreativer Kopf. Auch in diesem durchaus originellen Werk („Allegro“, „Scherzo“, „Aria“, „Finale“) zeigte das Tübinger Kammerorchester, dass es einen hohen Gestaltungsanspruch hat, der auch schwierigsten Anforderungen gewachsen ist.

Besondere Originalität kommt dabei dem quicklebendigen „Scherzo“ zu, das ständig zwischen 3/8- und 3/4-Takt wechselt. Teils schwingt der Satz anmutig aus, teils wird der Hörer überrascht von sich reibenden harmonischen Wendungen, dann erklingt ein kurzes Geigensolo, brillant durch die Konzertmeisterin Julia Galic dargeboten, und schließlich endet der Satz mit einem fast dissonant wirkenden Akkord.

Auch die zunächst getragene „Aria“ überrascht durch eine Vielzahl von unerwarteten Wendungen: sanfte Geigenmelodien, harsche Triolen in den Bässen, eingestreute Geigen- und Cellosoli, eine nahezu schrille Klimax im Tutti mit ondulierenden Begleitfiguren, eine mäandernde Solokantilene der Violine, für Abwechslung war hier wahrlich gesorgt.

Höchst unterhaltsam auch der furiose Kehraus des „Finale-Allegrissimo“, das mit seinen chromatisch auf- und absteigenden Melodielinien und seinem Feuerwerk an Figurationen in beeindruckender Rasanz „hingelegt“ wurde. Riesenbeifall und zur Belohnung noch den ersten Satz aus Edvard Griegs „Holberg-Suite“, Op. 40, als Zugabe.