Kirchheim

Schlau stehen im Stau

Verkehr Ob im Berufsverkehr oder auf dem Weg in den Urlaub – keiner steht gern im Stau. Trotzdem raten Experten, ruhig zu bleiben, um im Stress Unfälle zu vermeiden. Von Daniela Haußmann

Wichtig ist es im Stau, eine Rettungsgasse frei zu halten. Bei dreispurigen Fahrbahnen müssen die Fahrzeuge der beiden rechten S
Wichtig ist es im Stau, eine Rettungsgasse frei zu halten. Bei dreispurigen Fahrbahnen müssen die Fahrzeuge der beiden rechten Spuren weiter nach rechts rücken, ohne dabei allerdings den Standstreifen zu blockieren. Die Fahrer der linken Spur müssen in Richtung Mittelleitplanke ausweichen.Foto: Markus Brändli

Stoßstangenkuscheln auf der Autobahn ist kein Spaß, sondern anstrengend, nervig und kostet jede Menge Zeit. Quengeln dann noch die Kinder auf der Rückbank, würde so mancher Fahrer am liebsten ins Lenkrad beißen. Für den Moment mag das vielleicht Erleichterung schaffen, eine Lösung ist es aber ganz gewiss nicht.

Laut Manfred Prets liegt die Kapazität einer Straße bei 1 500 bis 2 500 Fahrzeugen pro Stunde und Spur, wenn sich die Fahrzeuge mit einer gleichmäßigen Geschwindigkeit von 80 bis 100 Stundenkilometern bewegen. „Schnelleres und langsameres Fahren verringert die Kapazität“, berichtet der stellvertretende Vorsitzende der Verkehrswacht Neuffen-Teck. „Beschleunigen, Bremsen, dichtes Auffahren oder die Spur zu wechseln, um vermeintlich schneller vorwärtszukommen, führt regelmäßig zu Bremsmanövern Hinterherfahrender und provoziert meistens einen Stau aus dem Nichts.“ Daher rät der Experte, gelassen zu bleiben und im Verkehrsfluss mit Sicherheitsabstand mitzuschwimmen.

Hinweisschilder, Navigationsgeräte, Radio - Blechkolonnen werden in der Regel angekündigt. Friedrich Heinigen, der die Teck-Fahrschule betreibt, rät, bei einer entsprechenden Warnung vom Gas zu gehen, denn das Stauende kann in einer Kurve liegen. Wer den notwendigen Sicherheitsabstand zum Vordermann einhält und gleichzeitig auf der linken Spur möglichst weit an der Leitplanke fährt oder auf der rechten Spur den Wagen Richtung Standstreifen lenkt, hat es im Notfall leichter, eine Rettungsgasse zu bilden. Erst zu reagieren, wenn die Einsatzkräfte mit Blaulicht und Sirene nahen, kann wertvolle Minuten kosten, die bei Unfallopfern über Leben und Tod entscheiden können.

Auffahren bringt nichts. „Bei Stillstand sollten Fahrer mindestens eine Wagenlänge Abstand zum Vordermann halten, um im Notfall durch seitliches Ausweichen eine breitere Rettungsgasse bilden zu können“, rät Manfred Prets. Dies gilt insbesondere in engen Baustellenbereichen. Wer in der Kolonne steht, darf sein Fahrzeug nicht verlassen. „Weder das Verrichten eines menschlichen Bedürfnisses noch das Wickeln eines Kindes gelten als Notfälle, die einen solchen Regelverstoß rechtfertigen würden“, betont der ADAC-Verkehrsexperte Carsten Bamberg. „Die Fahrbahn darf nur betreten werden, um einen Unfall abzusichern, stellt er klar. Manfred Prets weist darauf hin, dass es gefährlich und verkehrsbehindernd ist, sein Fahrzeug zu verlassen, sobald der Stau sich beginnt aufzulösen. „Alle möchten zügig weiter. Kaum einer wird auf Sie Rücksicht nehmen“, betont der Fachmann. „Das Überqueren von Fahrstreifen ist dann unter Umständen nicht mehr möglich.“

Standstreifen ist tabu

Ebenso wenig ist es erlaubt, im Stau den Standstreifen zu nutzen, um schneller die nächste Ausfahrt zu erreichen. „Bei Missachtung drohen ein Punkt und 75 Euro Strafe“, klärt Carsten Bamberg auf. Friedrich Heinigen weist darauf hin, dass diejenigen, die den Standstreifen unerlaubt als Fahrbahn nutzen, etwa Gefahr laufen, mit Pannenfahrzeugen zu kollidieren oder mit Verkehrsteilnehmern, die über die Ausfahrt den Stau verlassen wollen. „Außerdem wird der Standstreifen teilweise auch von Rettungskräften genutzt“, so der Fahrlehrer.

Wer im Stau steht, sollte aus Sicht von Manfred Prets unbedingt rechtzeitig bremsen, wenn es darauf ankommt. Gefährliche Situationen lassen sich so vermeiden und Notbremsungen vorbeugend verhindern. „Ist eine Notbremsung nicht zu vermeiden, sollten Fahrer keinesfalls zögern, sondern entschlossen aufs Bremspedal treten“, empfiehlt der Vertreter der Verkehrswacht.

Schlecht beraten sind Fahrer, die glauben, schneller voranzukommen, wenn sie die Autobahn verlassen. „Bei Stop-and-go kommt man immer noch etwa zehn Kilometer pro Stunde voran“, erklärt Manfred Prets. „Fahrer brauchen in aller Regel länger, um ihr Ziel zu erreichen, wenn sie versuchen, den Stau zu umfahren.“ Es reicht schon, wenn nur zehn Prozent der Fahrzeuglenker die Autobahn verlassen, damit sich andernorts ein Stau bildet. Daher sollte die Fernstraße eigentlich nur verlassen werden, wenn der Verkehr bei einer Vollsperrung ohnehin ausgeleitet wird.

Tipps gegen den Staukoller

Wer im Stau steht, sollte der Verkehrswacht Neuffen-Teck (VWNT) zufolge Musik hören, die entspannt und nicht zusätzlich die Nerven reizt. So wird die Stausituation nach Auskunft der Experten erträglicher. Studien belegen, dass Autofahrer, die während der Fahrt klassische Stücke hören, ruhiger und ausgeglichener unterwegs sind.


Hunger und Durst sind besonders hartnäckige Stressoren. Die VNTW rät deshalb, ausreichend Essen und Trinken für die Reise mitzunehmen und so zu platzieren, dass alles in greifbarer Nähe ist. So lässt sich die Wartezeit leichter überbrücken. Wer Kinder im Fahrzeug hat, sollte sie mit Gesprächen, Spielen, Singen und dergleichen beschäftigen.
Bewegungspausen an Rastanlagen oder Parkplätzen helfen Erwachsenen und Kindern beim Stressabbau und Energieauftanken. dh