Kirchheim

Schwan setzt ganz auf Partnerschaft

Gesellschaft Die zweimalige SPD-Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten blickt in Kirchheim auf „100 Jahre Frauenwahlrecht“ zurück und macht jungen Frauen Mut für die Zukunft. Von Irene Strifler

Das SPD-Frauenquartett hofft auf mehr Frauen in der Politik: Susanne Weber-Mosdorf, früher Bürgermeisterin in Kirchheim, Profess
Gesine Schwan (zweite von links) hat Kinder, Küche, Kirche und Karriere in ihrem Lebenslauf vereint. Foto: Tanja Spindler

Ins Gedächtnis der Allgemeinheit hat sie sich als Herausforderin bei den Präsidentschaftswahlen eingegraben: Professorin Gesine Schwan, Aushängeschild der SPD, aber doch zweimal, 2004 und 2009, chancenlos gegenüber Horst Köhler. Damals schon hatte sie eine beeindruckende Karriere hinter sich, ohne je Benachteiligung allein durch ihr Frausein gespürt zu haben. Dieses Gefühl stellte sich jedoch ausgerechnet bei ihren beiden Ausflügen in die hohe Politik ein: „Plötzlich bin ich gefragt worden, warum ich als Frau so viel Macht haben wollte.“ Über derlei Erlebnisse berichtete sie in Kirchheim im vollen Henninger-Saal der Kreissparkasse. Weitgehend frei und sehr persönlich sprach sie zum Thema „100 Jahre Frauenwahlrecht“. Eingeladen zu der Veranstaltung im Rahmen der Frauenkulturtage hatte die Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen.

Der Wunsch nach Macht wurde den Ausführungen der Referentin zufolge noch zu Beginn dieses Jahrhunderts als absolut unweiblich empfunden. Schwan führt dies unter Rückgriff auf verschiedene philosophische Denkansätze auf ein unterschiedliches Machtverständnis zurück: Während Männer mit Macht Widerstände überwinden wollten, sähen Frauen darin die Fähigkeit, Menschen zusammenzuführen, um gemeinsam Projekte zu verwirklichen. Dieser unterschiedliche Denkansatz ist einer der Gründe, weswegen Gesine Schwan Frauen empfiehlt, nicht als oberstes Ziel die Gleichheit mit Männern zu haben, sondern auf Partnerschaft zu setzen. Partnerschaftlichkeit ist ihrer Meinung nach nicht nur das Patentrezept für eine gute Zweierbeziehung, sondern auch für erfolgreiche Politik. Unter Verweis auf eigene Erfahrungen legt die Professorin Frauen nahe, sich auf jeden Fall treu zu bleiben.

Dass es trotz hundert Jahren Frauenwahlrecht immer noch Vorbehalte gegen Frauen in der Politik gibt, musste auch sie bestätigen. Dafür macht sie unter anderem die Sozialisation der Frauen verantwortlich, also uralte Verhaltensmuster. Frank und frei gibt sie zu, selbst davon ausgegangen zu sein, sich nach ihrer Doktorarbeit ganz der Familie zu widmen - so wie viele gut ausgebildete Frauen in den 70er-Jahren. Erst durch ihren mittlerweile verstorbenen Mann wurden ihr andere Möglichkeiten klar. Tief verwurzelt sei auch der Wunsch der Frauen, Männern gefallen zu wollen, was wiederum zu Konflikten mit anderen Frauen führen könne. Diese seien jedoch nicht unüberwindbar, machte die Rednerin speziell einer jungen Frau Mut, die in der Fragerunde das Wort ergriffen hatte. Sie erzählte von ihren Bedenken im Zusammenhang mit ihrer Kandidatur auf Listen für Kreistag und Gemeinderat.

Dies griff auch Stadt- und Kreisrätin Marianne Gmelin auf, als sie im Namen der Veranstalterinnen ein Schlusswort sprach: Sie verwies auf zahlreiche Frauenfreundschaften, auch überparteilich, die sie in ihrem langen politischen Leben begleitet hatten. So hatte sich auch eine ihrer langjährigen Begleiterinnen im Kreistag und Freundin aus den Reihen der CDU unters Publikum gemischt. Der Schlussappell an die vielen Frauen unter den Zuhörerinnen lautete klar: „Nur Mut!“

Gesine Schwan kam 1943 in Berlin zur Welt. Ihre Eltern gehörten im Nationalsozialismus zu sozialistischen Widerstandskreisen. Schwan studierte Romanistik, Geschichte und Philosophie und promovierte über den polnischen Philosophen Kolakowski. Unter dem Eindruck der Ostpolitik Brandts trat sie in die SPD ein. Neben der wissenschaftlichen Karriere hat sie in vielen politischen Gremien mitgearbeitet. Seit 2014 ist sie Vorsitzende der Grundwertekommission beim Parteivorstand der SPD.