Kirchheim

Timo Barth gehört zu den Bundesbesten

Ausbildung Ein 21-jähriger Leichtflugzeugbauer macht eine steile Karriere: In Berlin wurde er als einer der besten Azubis in Deutschland geehrt, und bei Schempp-Hirth ist er stellvertretender Abteilungsleiter. Von Andreas Volz

Timo Barth postiert sich am Cockpit eines neuen Segelflugzeugs aus dem Hause Schempp-Hirth. Nach seiner Ausbildung in Kirchheim
Timo Barth postiert sich am Cockpit eines neuen Segelflugzeugs aus dem Hause Schempp-Hirth. Nach seiner Ausbildung in Kirchheim wurde er als einer von 190 bundesbesten Azubis auch gleich stellvertretender Abteilungsleiter in der Endmontage.Foto: Carsten Riedl

Die Ausbildung als Bundesbester abzuschließen, ist schon was, das schafft nicht jeder. 190 Bundesbeste gab es im vergangenen Jahr. Einer davon war Timo Barth, der Anfang 2016 bei Schempp-Hirth in Kirchheim seine Ausbildung als Leichtflugzeugbauer mehr als erfolgreich beendet hat. Angesichts der Tatsache, dass es jedes Jahr nur ein paar Handvoll junger Leute gibt, die diesen Beruf überhaupt lernen, könnte man unbedarft auf die Idee kommen, es wäre keine große Kunst, dann auch Bundesbester zu werden.

Doch weit gefehlt: „Die Wahrscheinlichkeit, bundesweit unter die Top Ten zu kommen, ist bei diesem Beruf zwar groß“, gibt Schempp-Hirth-Geschäftsführer Tilo Holighaus unumwunden zu. „Aber bei den Bundesbesten wird die absolute Leistung bewertet, nicht die relative.“ Thomas Kraja, Betriebsleiter und Ausbildungsleiter bei Schempp-Hirth, fügt hinzu: „Das richtet sich nach dem Notenschlüssel der IHK.“ Je nach Prüfungsergebnis wird ein Jung-Geselle dann von einer Ehrung zur nächsten „weitergereicht“.

So ging es letztlich auch Timo Barth, der nach Ehrungen auf regionaler wie auf Landesebene gegen Jahresende hin eben bis nach Berlin kam. 15 der Bundesbesten stammten aus Baden-Württemberg, vier von ihnen aus der Region Stuttgart. „Es fühlt sich gut an, Bundesbester zu sein“, sagt er. „Das ist das Lob dafür, dass man sich angestrengt hat.“

Die Leistung hilft ihm auch bei seinem ähnlich rasanten „Aufstieg“ innerhalb des Betriebs: „Timo ist jetzt schon stellvertretender Abteilungsleiter in der Endmontage“, sagt Tilo Holighaus anerkennend. Der eigentliche Abteilungsleiter sei während der Segelflug-Weltmeisterschaft vier Wochen lang in Australien gewesen. Diese Zeit war also für den 21-jährigen Timo Barth die „Feuertaufe“ in der verantwortungsvollen Position. Tilo Holighaus meint dazu: „Wir brauchen grundsätzlich gut ausgebildete Fachkräfte. Drei Viertel sind unsere Eigengewächse. Einige von ihnen sollen nach ein paar Jahren auch Führungspositionen und damit mehr Verantwortung übernehmen. Bei Timo ist es jetzt halt schneller gegangen.“

Dass es ausgerechnet die Endmontage werden sollte, in der Timo Barth nach der Ausbildung landen würde, war nicht von Anfang an klar: Wie alle Auszubildenden bei Schempp-Hirth - derzeit sind es insgesamt neun, in unterschiedlichen Ausbildungsjahren natürlich - hat er alle möglichen Abteilungen durchlaufen. „Aber nach zwei bis zweieinhalb Jahren kriegt man schon mit, wo jemand seine Schwerpunkte hat und was ihm am besten liegt“, gibt Thomas Kraja Einblicke in seine große Erfahrung als Ausbildungsleiter.

Auszubildende und Praktikanten kommen bei Schempp-Hirth aus ganz Deutschland, teilweise sogar aus der ganzen Welt. Timo Barth hatte es nicht ganz so weit nach Kirchheim: Sein Abitur hat er 2013 in Bietigheim-Bissingen abgelegt. Dort hat er auch mit dem Fliegen begonnen, sodass ihn sein Weg einigermaßen konsequent in die Kirchheimer Krebenstraße geführt hat. Tilo Holighaus spricht von den zwei wichtigen Komponenten Fliegerei und Technik: „An einem von beidem sollte man auf jeden Fall interessiert sein.“ Dann spiele auch der Schulabschluss keine so große Rolle mehr.

Was Tilo Holighaus, Thomas Kraja und Timo Barth gleichermaßen als besonderen Aspekt im Leichtflugzeugbau hervorheben, ist das direkte Arbeiten am Produkt, das bereits die Ausbildung bestimmt. Jeder Arbeitsschritt in der Lehrzeit wirkt sich schon ganz konkret aus: Am Ende muss das Flugzeug nicht nur irgendwie fliegen, es muss auch absolut verkehrssicher sein. „Nachher sitzt ein Mensch im Flugzeug“, gibt Thomas Kraja zu bedenken. Und wenn ein Segelflugzeug über einer Stadt unterwegs ist, geht es auch um die Sicherheit der Bewohner.

Tilo Holighaus ist sich der besonderen Verantwortung seiner Mitarbeiter bewusst: „Jedem einzelnen muss klar sein, dass von seiner Arbeit ein Menschenleben abhängen kann.“ Angesichts dieser Verantwortung beim kleinsten Arbeitsschritt ist es kein so großes Wunder mehr, wenn auch ein 21-Jähriger schon Verantwortung für eine ganze Abteilung übernimmt.

„Fachkräfte machen uns stark“

Leichtflugzeugbauer ist ein exotischer Beruf. In Kirchheim hat er aber eine lange Tradition. Andreas Volz hat den Schempp-Hirth-Geschäftsführer Tilo Holighaus befragt.

Was ist das Besondere an einer Ausbildung zum Leichtflugzeugbauer?

Tilo Holighaus: Die extrem hohe Fertigungstiefe. Das macht die Ausbildung so interessant. Bei uns gibt es keine Komponenten aus Fernost. Zum überwiegenden Teil stammen unsere Flugzeuge auch wirklich aus Kirchheim. Nur die Reifen und die Plexiglashauben stellen wir nicht selbst her.

Wie hat sich der Beruf seit den Zeiten Wolf Hirths verändert?

Holighaus: Allein in den letzten zehn bis 15 Jahren hat sich da sehr viel getan. Die meisten Segelflugzeuge haben heute ein Hilfstriebwerk, das viel zu komplex ist für eine Vereinswerkstatt. Aber die Eigenstartfähigkeit ist natürlich nur Mittel zum Zweck, um in die Luft zu kommen. Außerdem kann das Triebwerk helfen, noch einen Flugplatz anzusteuern, zum Beispiel im australischen Outback. Da gibt es absolut nichts - höchstens riesige unerforschte Gegenden. Unser neuester Doppelsitzer ist eigentlich prädestiniert zur weiteren Erforschung des Kontinents.

Was lernt man noch - außer der Flugzeugherstellung in den unterschiedlichsten Stadien?

Holighaus: Spannend finde ich immer die Persönlichkeitsentwicklung, den Reifeprozess während einer Ausbildung. Wenn jemand plötzlich merkt, dass er mit seiner Arbeit etwas bewirkt. Wir hatten mal einen, der hat in der Klasse in der Max-Eyth-Schule festgestellt, dass er gar nicht für die Schule lernt, sondern für sich, für seine tägliche Arbeit.

Das führt natürlich zum Stichwort „duale Ausbildung“.

Holighaus: Die ist für uns unerlässlich. Nur wird sie heutzutage oft stiefmütterlich behandelt. Die Fachausbildung hat Deutschland wirtschaftlich stark gemacht. Leider wird das häufig falsch dargestellt. Da heißt es dann bei einer Lossprechungsfeier: „Mit dieser Ausbildung steht euch alles offen. Da könnt ihr jetzt ein Studium draufsatteln.“ Dabei brauchen wir gerade die qualifizierten Fachkräfte - ob mit oder ohne Studium.

Ganz andere Frage: Was macht die Konkurrenz bei Schempp-Hirth?

Holighaus: Die gibt es - seit langem in der Rhön, seit kurzem auch durch eine Firma in Südafrika, die bei der WM sogar Glück hatte mit dem Wetter. Aber wir sind nur Konkurrenten, wenn es um die Konstruktionen geht, um den sportlichen Ehrgeiz. Abends, nach dem Wettkampf, trinken wir wieder ein Bier zusammen.