Lokale Kultur

Traumschiffpianist und Lebenskünstler

Waldemar Grab gastierte in Weilheim beim Württembergischen Christusbund – Ein wahres Trommelfeuer von Erlebnissen

Weilheim. Mit etwas Verspätung – bis noch der letzte Stuhl aus dem Lager geholt wurde – begann ein Konzert mit Waldemar Grab, das nicht nur das Evangelische Gemeindehaus in Weilheim aus allen Nähten platzen ließ, sondern auch alle Erwartungen des Pub­likums sprengte.

Ein wahres Trommelfeuer von Erlebnissen des Entertainers prasselte auf die gedrängt sitzenden Besucher nieder. Prediger Matthias Köhler vom Christusbund Weilheim, Veranstalter des Abends, ein Duzfreund des 55-jährigen Traum(schiff)-Pianisten, veranlasste das zu der Bemerkung: „Eigentlich müsstest Du schon 130 Jahre alt sein“, denn so viel könne man doch in einem Leben gar nicht erleben. Mit Humor und Bildern aus aller Welt gewährte Waldemar Grab einen Einblick in sein ungewöhnliches Leben. Dabei traktierte er mit einer künstlerischen Leichtigkeit virtuos die Tasten des Flügels auf der Bühne.

Einer der Schwerpunkte in Grabs bewegtem Leben war sein Einsatz als Showpianist auf dem ZDF-Traumschiff. Sieben Jahre lang bereiste er auf der MS-Deutschland die Welt als Unterhalter der Passagiere. „Mein schwarzer Flügel stand am Heck des Schiffes auf Deck sieben. Dort spielte ich 300 Nächte im Jahr.“ So eröffnete er auch den Abend mit der Erkennungsmelodie „Fahre mit dem Traumschiff um die Welt. . .“, um im Anschluss mit Bildern von norwegischen Fjorden und der Melodie „Morgenstimmung“ von Edward Grieg auszudrücken, wie sehr die Natur ihn fasziniert.

Immer wieder werde er, für den der Beruf sehr wichtig war, nach seinen Erlebnissen in diesen sieben Jahren gefragt. Seine Antwort gab er mit einem selbst getexteten Lied.: „. . .am Amazonas hab ich nach Piranhas getaucht . . . in Afrika die Löwen gezähmt . . . auf dem Ätna brannte mein Herz“. Das Lied mündete in Verse, die einen veränderten Waldemar Grab erkennen ließen. „. . . ich hab mit Gott mein Leben bestellt und mit ihm fahr ich hinaus in die Welt . . .“. Er sei der Grund, weshalb sein Herz jetzt wirklich brenne.

Eine seiner Aufgaben sei es gewesen, zu jeder Traumschiff-Reise ein bis zwei neue Lieder zu schreiben, passend zu den angesteuerten Zielen. Ein Lied allerdings, in dem er die Not der Menschen in den armen Ländern thematisiert habe, sei nicht mit Beifall quittiert worden. Menschen ohne äußere Not, unterwegs mit einem Traumschiff, wollten eben nicht mit dieser Wirklichkeit konfrontiert werden. Während Grab auf der Leinwand mit Persönlichkeiten und schillernden Größen aus aller Welt zu sehen war, erzählte er die Geschichte, die ihn auf das Traumschiff brachte. Bei einer Vertretung in einer Piano-Bar trat der spätere Freund André Rieu in sein Leben. Auch sei er mit vielen anderen Stars wie Peter Alexander, Paul Kuhn und Helmut Zacharias auf der Bühne gestanden. Aus jener Bar holte ihn Wolfgang Rademann, der Erfinder des Traumschiffs, zuerst nach Berlin und dann auf das Schiff. „Wat wills‘de die Stunde?“, habe der ihn gefragt. „1 000 Mark“, habe er geantwortet. „Ick geb dir 2 000“, sei die Antwort Rademanns gewesen. „Hätte ich nur 2 000 gesagt, der hätte bestimmt auch dann verdoppelt.“ Grab stieg aus seinem Leben aus und in eine neue Welt ein.

Mit sechs Jahren, so erzählte der begabte Pianist, habe er sein erstes Klavier bekommen. Sein Musikprofessor habe irgendwann aufgegeben, weil sein Schüler schon bald die Noten ignorierte und seine Seele auf die Tasten brachte. Wer bei „What a wonderful life“ die Augen schloss, erlebte Luis Armstrong in Concert. Auch dieses bekannte Lied mündete in einen Vers mit der Aussage, die für einen solchen Mann im Rampenlicht ungewöhnlich ist: „Was gestern war, das zählt bei Jesus nicht.“ Mit 18 Jahren kam Grab zur Bundeswehr. Auch dort, wie immer in seinem Leben, sei ihm alles zugeflogen. Man bat ihn, die Abteilung „Flugbegleitung für Politiker“ aufzubauen. Der Senkrechtstarter verpflichtete sich zwölf Jahre und begleitete jahrelang hohe Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft, so Altbundeskanzler Helmut Schmidt und Außenminister Hans-Dietrich Genscher, weit über 10 000 Flugstunden um die Welt.

Das Christentum interessierte Grab nicht, bis zum 25. Juli 2000, dem Tag, an dem die Concorde in Paris beim Start Feuer fing und alle Insassen, darunter auch Freunde und Verwandte, in den Tod riss. Wegen einer Terminverschiebung saß er nicht in dieser Maschine, sondern flog einen Tag früher nach New York. Gleichwohl sei die Trauer schnell vergessen gewesen. Doch ein zweites Ereignis habe ihn aufgerüttelt. Ein Taxi auf Samoa, in dem er ursprünglich mitfahren wollte, überschlug sich und tötete den Fahrer. Er habe fürchterliche Angstzustände bekommen. „Zweimal war ich dem Tod von der Schippe gesprungen“, nun würde es ihn, den in vielen Weltreligionen Bewanderten, beim dritten Mal bestimmt treffen, war seine abergläubische Rechnung. Er habe versucht, seine Angst mit Alkohol zu betäuben – vergeblich. „Mitten im Fünf-Sterne-Status griff ich nach der Gideon-Bibel, die in meinem Nachttisch lag und las.“ Jesus habe zu ihm gesprochen.

So wurde aus dem Entertainer ein Evangelist. Seit 2006 lebe er nun von einem Spendenwerk. „Deshalb bin ich hier in Weilheim und rund um die Welt bei 200 Einsätzen im Jahr unterwegs und sage den Leuten: „Schieb dein Verhältnis mit Gott nicht auf die lange Bank.“ Diese Aussage unterstrich er mit Liedern, die in origineller Sprache zum Ausdruck bringen, was ihm inzwischen am wichtigsten ist. So verabschiedete sich Grab mit seinem Lied an Gott: „Bin so gern auf Erden . . ., doch ich komm dir entgegen, denn ich gehöre dir.“jr