Lokale Kultur

Typisch deutsch-britischer Humor . . .

Bettina von Cossel bereitete den Landfrauen in Schopfloch mit Mord und Totschlag viel Vergnügen

Nach einer ersten literarischen Begegnung im Jahr 2006 konnte die in London lebende Autorin Bettina von Cossel (Zweite von recht
Nach einer ersten literarischen Begegnung im Jahr 2006 konnte die in London lebende Autorin Bettina von Cossel (Zweite von rechts) bei ihrem Wiedersehen mit vielen guten Bekannten in der Gemeindehalle in Schopfloch ihren neuestes Kriminalroman „Totkäppchen“ vorstellen. Foto: Jean-Luc Jacques

Lenningen. Sie lebt schon seit über 20 Jahren in „Swinging London“, feierte bei ihrer zweiten Lesung in Schopfloch eine „Weltpremiere“ und „mordet“ inzwischen schon zum dritten Mal auf der Nordseeinsel Juist. Ihr Mann, ihre vier Kinder und

selbst ihr Hund unterstützen Bettina von Cossel dabei nach Kräften. Sie liefern Anregungen und Kritik, halten ihr vor allem aber im Rahmen ihrer Möglichkeiten den Rücken frei für ihre kriminalistischen Passionen.

Professionellen fachlichen Rückhalt sucht und findet Bettina von Cossel vorwiegend im Klub der „Mörderischen Schwestern“, dem unter anderem auch Ingrid Noll angehört. Schließlich weiß sie, dass Krimis auch von Ärzten gelesen werden und dann sollten die Fakten einfach stimmen, denn die wissen schließlich ganz genau, in welchem Zustand sich eine Moorleiche nach einem bestimmten Zeitraum befindet, oder bei welchem Gift man tatsächlich Schaum vor dem Mund hat.

Nach „Tod in den Dünen“ und „Todesspiel auf Juist“ spielt auch Bettina von Cossels neuester Roman „Totkäppchen“ wieder auf der zwischen Borkum und Norderney gelegenen vertrauten Nordseeinsel.

Der Grund für dieses gleich bleibende mörderische Setting ist ein auf Juist im September stattfindendes Krimifestival, dem Bettina von Cossel 2009 ein zweiwöchiges Stipendium verdankt, das sie noch immer in sehr guter Erinnerung behalten hat. Zwei Wochen wurde die „Krimi-Stipendiatin“ im besten Hotel der Insel kulinarisch verwöhnt und präsentierte bei einer außergewöhnlichen Krimilesung mit einer „blutverschmierten“ Schaufensterpuppe im Friseurstuhl die Früchte ihrer Arbeit vor Ort.

Bettina von Cossels Faible für Mord und Totschlag und ihr unaufgeregter Umgang damit rührt von zwei einschneidenden persönlichen Erfahrungen her. Bei einem Urlaub in der Schweiz entdeckte sie in einem Beet vor ihrem Hotelfenster einen toten Mann und fand es ungemein spannend, im Alter von 16 Jahren plötzlich Teil der polizeilichen Ermittlungen zu sein und genauso verhört zu werden, wie sie es ja schon von Fernseh-Kommissar Eric Ode kannte. Als sie nach dem Abitur zwei etwas ramponierte Biedermeierstühle aufpolstern lassen wollte, entdeckte sie ein in Holzwolle verstecktes blutiges Messer im Sitzpolster.

Neben mit „romantisierendem“ Pseudonym geschriebenen Liebesromanen konzentrierte sich die solchermaßen vorgeprägte Autorin vor allem auf Kriminalgeschichten. Wichtiges Vorbild für sie war und ist noch immer die Britin Agatha Christie. Auch Bettina von Cossel ist sehr darum bemüht, ihr Lesepublikum in die Ermittlungen mit einzubinden und ihnen eine faire Chance zu geben, trotz absichtlich gelegter falscher Spuren mit entsprechender Kombinationsgabe den Fall zu lösen.

Dabei wird bei ihr eine Idee immer erst daraufhin überprüft, ob sie sich in ein Puzzle zerlegen und dann vor allem aus den vielen Teilchen ohne allzu große Verluste wieder zum stimmigen Gesamtbild zusammenfügen lässt. Erst wenn die Struktur steht und sie genau weiß, wie sich alle einzelnen Figuren und Erzählstränge wieder bündeln und notfalls mithilfe des „Kommissars Zufall“ von ihren beiden neuen Ermittlern nahtlos zusammengeführt werden können, beginnt sie mit dem eigentlichen Schreiben. Das geht dann allerdings relativ flott. Irgendwann geht alles stimmig auf und es würde nicht überraschen, wenn sie plötzlich – wie einst Jürgen Roland in seiner in den späten 60er-Jahren ausgestrahlten Fernsehserie „Dem Täter auf der Spur“ – feststellen würde „Für mich ist der Fall klar. Und für Sie?

Während die ebenfalls auf klassische Kriminalromane und die Intuitionen ihres Inspektors setzende Amerikanerin Martha Grimes einst sagte, sie wisse oft selbst bis kurz vor Schluss nicht, wie ihr Roman enden wird, kann Bettina von Cossel nichts dem Zufall überlassen, sondern muss erst selbst von der handwerklich soliden und verlässlichen Funktionalität ihrer Erzählstruktur überzeugt sein. Das wirkt dann tatsächlich zuweilen etwas konstruiert, wie etwa das in „Totkäppchen“ überstrapazierte Märchenmotiv oder auch die vielfältigen verwandtschaftlichen, freundschaftlichen und auch ganz zufälligen Verbindungen, mit denen die auf der Insel lebenden Menschen geradezu zusammengeschnürt zu sein scheinen.

Deutlich lockerer und entspannter präsentiert sich die Autorin daher in ihren weit über 100 skurrilen Kurzgeschichten, die sich ebenfalls fast immer um Mord und Totschlag drehen. Trotzdem geht es meist äußerst vergnüglich zu – wenn man die entsprechende Bereitschaft mitbringt, eine deutsche Autorin konsequent auf ihren Ausflügen in den berüchtigten britischen Humor zu begleiten.

Zum Auftakt ihrer Lesung bei den Schopflocher Landfrauen präsentierte Bettina von Cossel exklusiv vom E-Reader einen Text, der bislang nur digital vorliegt. Er handelt von einem Mann, der schon vor zehn Jahren seine Mutter ermordet und in der Tiefkühltruhe „entsorgt“ hatte. Bei der verzweifelten Suche nach einem „Festtags-Double“ für den offiziellen Geburtstagsbesuch des Bürgermeisters, hat er dann freilich keine allzu glückliche Hand.

Die angebliche Jubilarin ist eine aus einer Anstalt geflohene, äußerst gefährliche Patientin, die schon viele Menschen auf dem Gewissen hat. Dass der Besuch des Bürgermeisters ohne Komplikationen über die Bühne geht, ist daher fast überraschender als das Ende der kurzen und auf den Punkt geschriebenen skurrilen Geschichte.

Der aus einer Ohnmacht erwachende Sohn findet sich in den letzten Zeilen der Geschichte gefesselt und splitternackt auf dem Esszimmertisch seiner Wohnung wieder. Der Bürgermeister ist längst weg, aber er hat noch Damenbesuch . . .