Kirchheim

Uhland fördert Möchtegernpoeten

Literaturbeirat Helmuth Mojem referiert über Ludwig Uhland als Poesielehrer in Tübingen. Dort hat der Dichter ein Schreibseminar angeboten für Studenten aller Fachrichtungen. Von Ulrich Staehle

13.01.Kirchheim: Ludwig Uhlands Schreibseminar
Helmut Mojem refeierte über Ludwig Uhland. Foto: Mirko Lehnen

Helmuth Mojem ist ein Referent mit Qualitätsgarantie. 2012 würdigte er auf Einladung des Literaturbeirats Ludwig Uhland anlässlich dessen 150-jährigen Todestags, 2015 sprach der Leiter des Cotta-Archivs und Lehrbeauftragter der Uni Tübingen über Verleger Friedrich Cotta. Wohl aufgrund der guten Erfahrungen kamen bei der sonntäglichen Matinee trotz des miserablen Wetters erstaunlich viele Zuhörer in die „gute Stube“ des Max-Eyth-Hauses, um diesen Referenten über „Uhlands Schüler: Eduard Eyth, Hermann Kurz und andere“ zu hören.

Mojem erinnerte anfangs an die erstaunliche Dichte von Dichtern und Denkern im 19. Jahrhundert in Württemberg. Der Grund: Es gab gute Schulen: die Karlsschule, die Seminare, das Tübinger Stift. Auf dem Gebiet der Poesie bildete sich eine Gruppe „Schwäbischer Romantiker“ mit bekannten Namen wie Kerner, Mörike, Hauff oder Lenau. Und einer stach besonders hervor und wurde damals Schiller, Goethe und Hölderlin gleichgesetzt: Ludwig Uhland. Uhland war nicht nur Poet, sondern bot 1830 an der Uni ein Schreibseminar an, das „Stylistikum“. Mojem beschrieb anschaulich Uhlands Lehrtätigkeit in Sachen Poesie. Das „Stylistikum“ lief außerhalb des übrigen Studienbetriebs. Es gab keine Kontrollen oder Prüfungen. Die Studenten konnten Texte jeglicher Art produzieren und vorlegen. Uhland ging mit ihnen pfleglich um und gab Ratschläge, auch auf privater Ebene. Hielt er einen Text für gelungen, versuchte er sie in einem der ihm bekannten Verlage unterzubringen. Seinem pädagogisch feinfühligen, humorvollen Umgang mit den Möchtegernpoeten ist es zu verdanken, dass an der Veranstaltung 50 bis 60 Studenten teilnahmen, eine Menge angesichts der Gesamtzahl von wenigen Hundert.

Vom Schreibseminar sind Texte verschiedener Gattungen überliefert. Da gibt es Prosatexte mit Abhandlungen „Über den Ursprung und die Zulassung des Bösen“, des Weiteren längere poetische Texte, auch Übersetzungen, und natürlich Gedichte. Ein Überblick über die Teilnehmer zeigt, dass es eine Art Klassentreffen von Zeitgenossen war. Geboren sind sie im Zeitraum 1807 bis 1815, hineingewachsen in die Freiheitsbewegungen der Zeit. Das ergab oft keine glatten Karrieren als Arzt, Lehrer oder Pfarrer, sondern widerspenstige Geister. Einige wanderten sogar mit unterschiedlichem Erfolg nach Amerika aus.

Mojem griff den Werdegang von zwei Seminarteilnehmern heraus, die eine Beziehung zu Kirchheim haben. Eduard Eyth, der Vater von Max Eyth, ist 1809 geboren und hat die übliche Theologenausbildung in Maulbronn und Tübingen hinter sich gebracht. Er schlug die Pädagogenlaufbahn ein und war 1835 bis 1841 „Oberpräzeptor“ an der Lateinschule Kirchheim. Er sorgte für die ersten Publikationen seines Sohnes Max. Unter dem Einfluss des dichtenden Diakons Albert Knapp erfuhr er eine Wendung ins Religiöse. Mojem kontrastierte diese Tatsache mit dem Gedicht „Sonnenschnee“, das der junge Eduard Eyth im Schreibseminar Uhlands abgeliefert hatte und das von Uhland gelobt wurde. Es ist eine von erstaunlicher Sinnlichkeit geprägte Liebeserklärung an seine spätere Frau.

Sehr ausführlich beschäftigte sich Mojem mit Hermann Kurz. Der Referent betrachtet Kurz als „Komplementärfigur“ zu Mörike. Beide genossen zwar die gleiche Ausbildung. Doch für Kurz war es nach einem kurzen Anlauf als Vikar klar, dass die Pfarrerslaufbahn keine Option war. Er hält sich mühsam als politischer Publizist, Redakteur, Übersetzer und Bibliothekar über Wasser. Seiner liberalen Gesinnung blieb er mithilfe seiner Frau treu, handelte sich aber eine dreiwöchige Haftstrafe auf dem Asperg ein. In den Jahren 1862 und 1863 wohnte er in Kirchheim. Mit seinen Hauptwerken, „Schillers Heimatjahre“ und „Der Sonnenwirt“ war er Wegbereiter des sozialen Romans, blieb aber erfolglos. Seine Tochter Isolde war erfolgreicher.

Hervorzuheben ist sein intensiver Kontakt zu Uhland. Sie trafen sich immer wieder und Kurz hat ihn in einem Sonett gewürdigt. Zynischerweise hat sich Kurz bei der Einweihung des Uhland-Denkmals in Tübingen 1873 einen tödlichen Sonnenstich geholt.

Mojems Vortrag bildete eine Ergänzung zur Würdigung Uhlands im Jubiläumsjahr 2012. Uhland war kein konservativer Idylliker. Er war mit seinem pädagogischen Tun ein Türöffner für Zukünftiges. Und so ist er mit Recht Namenspatron für Schulen, etwa in Kirchheim.