Lokale Kultur

Uli Keuler begeisterte bei seinem Gastspiel auf Einladung der VfL-Fußballabteilung in der Stadthalle

Uli Keuler begeisterte bei seinem Gastspiel auf Einladung der VfL-Fußballabteilung in der Stadthalle

Kirchheim. Es gibt Kabarettisten, die ihr begeistert mitgehendes Publikum unbedingt als zusätzliches Pointenfutter brauchen und vor allem auch auf Improvisation und Interaktion setzen – und es gibt Uli Keuler. Der baden-württembergi-

sche Kleinkunstpreisträger ruht förmlich in sich, überlässt nichts dem Zufall und baut uneingeschränkt auf seinen hochklassigen schwäbisch-ironischen Witz und die Qualität seiner Texte.

Präsentierte er früher auf der Bühne gerne die hohe Kunst des Müllsortierens und durchlebte wortreich lebensbedrohende Begegnungen in der Natur bei abenteuerlichen Pflanzensafaris, suchte das kabarettistische Urgestein bei seinem Auftritt in der Stadthalle seine Herausforderungen zunehmend in der schönen neuen Welt der Technik. „Uli Keuler spielt . . .“ lautete der Titel der mitreißenden Veranstaltung, zu der die VfL-Fußballabteilung zum Abschluss ihrer Feierlichkeiten zum 100-jährigen Bestehen eingeladen hatte .

Uli Keuler ist offensichtlich absolut begeistert von auf alle Wechselfälle des Lebens vorbereitete computergesteuerte Küchen der Zukunft mit Herden, die selbstständig im Internet nach angesagten Rezepten fürs Wasserkochen suchen und Online-Banking genauso souverän beherrschen wie Halma spielen. Trifft den Koch am futuristischen Kochfeld-Computer überraschend der Schlag, wird sogar gleich automatisch das Abonnement des Gourmet-Magazins storniert.

Dass es so weit kommt, ist allerdings nicht sehr wahrscheinlich, denn der moderne Schneebesenmisst immer auch gleich den Blutdruck seines Betreibers und die im heimischen Kochambiente versammelten Alarmsysteme sind so ausgereift, dass selbst dann sofort der Entkalkungs-Warner aktiviert wird, wenn man nur mit dem Kopf zu weit in den Geschirrspüler gerät.

Wurde früher bei tropfenden Autos die Ölablassschraube etwas kräftiger zugeschraubt, kommt das Heilix-Blechle heute zur Kfz-Wellness. Energieblockaden zwischen Batterie und Scheinwerfer werden dort mit Klangtherapie behandelt. Als Teilerfolg gilt dabei schon, wenn anschließend wenigstens die Stoßstange unter Strom steht. Um sicherzustellen, dass gestresste Alltagsautos, die viel zu lange alleine in der kalten Garage stehen, wieder ihr inneres Gleichgewicht finden, wird eine Lackpflege mit angewärmten Kieselsteinen oder eine Naturschwammbehandlung nach Hildegard von Bingen empfohlen.

Verschwindet der fahrzeuggroße Ölfleck schon beim Losfahren, war es nur ein Schatten, bleibt er aber, gilt es vor allem einfühlsam der Frage nachzugehen: Wo will das Öl hin? Dass auch die Fahrzeuglenker etwas für sich tun müssen, ist klar, und hydrotherapeutische Angebote wie Aquaplaning in der Gruppe sind längst eine Selbstverständlichkeit.

Dass es vor allem bei Gesundheitsfragen sehr ungerecht zugeht, ist dem aufmerksamen Beobachter seiner Mitmenschen und ihres Alltags dabei nicht entgangen. Auch wenn ihm immer schwarz vor Augen wird, wenn er abends das Licht ausmacht und er unter Ultra-Tinnitus leidet, der so hochtönig ist, dass man ihn nicht hört, werden seine Hilferufe nicht erhört. Obwohl er stark unter Eisenmangel leide, sei kein Arzt bereit, ihm auch nur 500 Gramm Rostbraten zu verschreiben. Als ein Mitglied seiner Atemtherapiegruppe die Treppe hinunterstürzte, bauchten die herbeigeeilten Helfer aber nur das Hemd des Simulanten aufzuknöpfen, um sofort auf einen dringend zu behandelnden Schlüsselbeinbruch zu stoßen.

Absolut vital, unternehmungslustig und vor allem kostenbewusst hatte der bekennende Schwabe Uli Keuler zuvor der langen Museumsnacht in Stuttgart alles abgetrotzt, was in der zur Verfügung stehenden Zeit möglich war. In sechs Stunden erfreute er sich an insgesamt 792 kostenlos zu bewundernden Ausstellungsstücken, nahm an immerhin 14 Führungen teil und besuchte fünf Konzerte, wobei er sich in einem Fall zugegebenermaßen wohl in eine Privatwohnung verirrt hatte.

Nachdem Uli Keuler zu Beginn über seinen fast aussichtslosen Kampf mit den Bahntarifen „Come together 8  Plus“ berichtet und dafür gesorgt hatte, dass andere Auskunftsuchende ihren Zug verpassten, wagte sich der promovierte Germanist, Rhetor und empirische Kulturwissenschaftler mit einem furiosen Finale einem literarischen Klassiker zu. Er hatte ihn „unwesentlich von 140 auf eineinhalb Seiten verkürzt“ und in den schwäbischen Alltag versetzt.

In seiner streng modernisierten Fassung von Ernest Hemingways „Der alte Mann und das Meer“ steht nicht der dramatische Überlebenskampf eines Fischers mit einem riesigen Meeresbewohner im Mittelpunkt, sondern der für das soziale Überleben in der heutigen Gesellschaft genauso wichtige Kampf mit dem Bügeleisen und dem letzten Hemd. Nachdem die Weißwäsche nicht von selbst wieder sauber wurde – auch nachdem ihr verzweifelter Träger sie drei verschiedenen Nachbarinnen vor die Tür gestell hatte – muss er sich schließlich mannhaft selbst dem alles entscheidenden, lang anhaltenden Kampf stellen.

Der bei einem Auftritt von Uli Keuler seit über 30 Jahren schon unverzichtbare Räuber versucht noch immer vergebens, endlich einmal einen erfolgreichen Überfall zu Wege zu bringen. In einem an Absurditäten kaum mehr zu überbietenden und daher immer zugleich auch finalen Zugabenteil, trifft der unverzichtbare „Mann im Wald“ auf einen wahrlich nicht zu beneidenden und politisch korrekt wohl als „mutmaßlicher Täter“ zu bezeichnenden Menschen, der mit der Pistole in der Hand ebenfalls einen unsäglichen Überlebenskampf führt.

Erst bekommt er kein Geld, dann nicht einmal eine Uhr und zuletzt wird er nicht einmal getragen, während in weiter Ferne ein rauschender Bergbach nach Steinen sucht.