Kirchheim

Verschollenen Sorten auf der Spur

Vielfalt Mit dem Projekt Genbänkle soll eine Datenbank für Sortenretter in Baden-Württemberg entstehen. Ziel: alte Gemüsearten am Leben halten. Von Thomas Krytzner

In Mitteleuropa sind rund 90 Prozent der Gemüsesorten verloren gegangen, weil sie nicht mehr in die Europäische Norm passen. Roman Lenz, Professor an der Hochschule für Wirtschaft und Umwelt Nürtingen-Geislingen, und neun Mitstreiter kämpfen nun für die Rettung und den Erhalt der Gemüsesorten im Ländle.

Klassische Genbanken gibt es im russischen Wawilow und im deutschen Gatersleben. Dort werden archivierte Sorten in bestimmten Zeitabständen ausgesät, um ihre Keimfähigkeit zu erhalten. Dadurch sind sie weder der natürlichen Umwelt ausgesetzt, noch werden Herkunft und Nutzungsmöglichkeiten näher beschrieben. Das Projekt Genbänkle will neue Wege gehen: Durch Anbau und Nutzung an vielerlei Orten in Baden-Württemberg sollen die Sorten am Leben erhalten und vermehrt werden. Ziel ist es, die Bewahrer und Retter solcher Kulturpflanzensorten in einer Internetdatenbank zusammenzubringen. Das so entstehende Netzwerk ermöglicht den Zugang zu regionalem Saatgut und fördert den Austausch. Alte oder verschollene Sorten können aufgespürt und nutzbar gemacht werden. Ist dieser Versuch erfolgreich, können viele kleine Genbanken in den Gärten und auf den Feldern im Ländle entstehen.

Die Gründer der neuen Sortendatenbank müssen jedoch nicht bei null anfangen. Immer mehr Verfechter der alten Sorten werden aktiv und bauen diese im heimischen Garten oder auf den bewirtschafteten Feldern wieder an. Jüngstes Beispiel sind die „Albleisa“ - Alblinsen. An diese Leistung knüpft das Genbänkle nun an. Bei einer öffentlichen Veranstaltung stellen Roman Lenz und einige Mitstreiter das Projekt vor. Sie berichten unter anderem, dass es in Baden-Württemberg kaum Samenmärkte gibt. „Daran arbeiten wir“, verspricht Roman Lenz. Ein erster solcher Markt soll in Kürze im Hörsaal oder Foyer des Botanischen Gartens in Tübingen stattfinden.

„Wichtig ist es, Mitglieder fürs Genbänkle zu finden“, fordert der Gründer der Datenbank. Bei Veranstaltungen wollen die Initiatoren für ihr Projekt werben. Ingo Hubl, der sich ebenfalls für das Genbänkle engagiert, hat im letzten Jahr einige überregionale Märkte besucht und ist begeistert: „Da war ein richtiger Boom auf Samen.“ Ein weiterer Grund also, auch im Ländle solche Veranstaltungen durchzuführen. Wunschorte sind Tübingen, Reutlingen und Ludwigsburg. Dabei sollen Börsen für den Samentausch und Jungpflanzen im Vordergrund stehen.

Da noch unklar ist, welche Sorten es in der Region noch gibt, soll die Vernetzung via Datenbank Licht ins Dunkel bringen. „Vielleicht sollten wir Sortendetektive losschicken“, überlegt Roman Lenz und erörtert seine Idee: „In vielen alten Gärten existieren noch uralte Gemüsesorten. Diese wollen wir im Genbänkle erfassen und damit die Verbindung zwischen Retter und Erhalter schaffen.“ Erste alte Sorten hat Lenz schon bekommen, so zum Beispiel eine Monstranz-Bohne aus dem Hohenlohischen. Der Sortenerhalt spiele auch mit Blick auf die Zukunft der Ernährung eine Rolle: „Das pflanzliche Eiweiß wird in den kommenden Jahren zum Topthema.“ Es ist zwar nicht geplant, dass das Genbänkle Sorten als Saatgut verwaltet, jedoch sind bisher bereits über 200 Sorten darin gelistet.

„Der Bürgergarten in Nürtingen mit 60 Quadratmetern macht auch mit“, freut sich Lenz. Jetzt wolle man auch auf die Schulen der Region zugehen. Weitere Aktionen sind mit dem Freilichtmuseum in Beuren geplant. „Dort wird der Boden auf Anbaufähigkeit geprüft.“ Zudem will das Genbänkle die Klostergärten der Region einbinden. Die Konzentration bleibt jedoch auf Nürtingen, Tübingen, Stuttgart und das Gebiet um die Filder. Hauptthema soll die Vernetzung bleiben, um die alten Gemüsesorten zu finden und zu erhalten. Für den Nutzer der Datenbank gibt es dann nicht nur hilfreiche Adressen, sondern auf Wunsch auch fachliche Beratung für den Anbau der Sorten. Mit einer geplanten Ausstellung über die Biodiversität sollen Verbraucher motiviert werden, „mit dem Vielfaltsvirus durch die Märkte zu gehen“.

Weitere Informationen gibt es online auf www.genbaenkle.de.