Kirchheim

Vier „Gutenberg-Jünger“ gehen baden

Überraschung am frühen Nachmittag: Beim Teckboten gab es gestern eine Gautsch-Prozedur als geheime Kommandosache

Lang lebe die Tradition: Auch im digitalen Zeitalter wurden gestern beim Teckboten vier neue „Gutenberg-Jünger“ nach gutem altem Brauch „gegautscht“.

„Du, die Wanne ist voll“, heißt es auf dem großen Bild oben, wobei noch ein kräftiger Wasserschwall als Extra-Gautsch-Portion hi
„Du, die Wanne ist voll“, heißt es auf dem großen Bild oben, wobei noch ein kräftiger Wasserschwall als Extra-Gautsch-Portion hinzukommt. Das Foto links zeigt, dass alle Beteiligten beim Gautschen ihren Spaß haben können. Ganz links ist das gestern praktizierte „Zwei-Wannen-System“ gut zu erkennen.Fotos: Carsten Riedl

ANDREAS VOLZ

Kirchheim. Das Gautschen ist ein Reinigungsritual im Druckerhandwerk. Auch wenn sich in der Branche seit den Zeiten Gutenbergs sehr viel geändert haben mag – dieses Ritual läuft seit fünf Jahrhunderten nahezu unverändert ab. Wichtig ist im Vorfeld die richtige Balance zwischen Geheimniskrämerei und rechtzeitiger Information eines möglichst großen Kollegenkreises. Schließlich sollen alle Bescheid wissen, ausgenommen natürlich die „Glücklichen“, für die das ganze Gaudium organisiert wird.

Eigentlich geht es beim Gautschen darum, junge Kollegen nach erfolgreich überstandener Lehrzeit von der Druckerschwärze reinzuwaschen, mit der sie während der Ausbildung in Berührung gekommen sind. Zwar haben die heutigen Mediengestalter nicht mehr viel mit Druckerschwärze zu tun, aber der symbolische „Taufakt“ kann einem zünftigen Jünger Gutenbergs nicht schaden. Das finden zumindest die älteren Kollegen, die vor langer Zeit selbst einmal diese Prozedur über sich ergehen lassen mussten.

Nun kann einen das Gautschen aber auch noch viele Jahre nach dem Ausbildungsabschluss ereilen – sofern man keinen „Gautschbrief“ vorzuweisen hat. Diese Urkunde ist mindestens so wichtig wie das formale Zeugnis, zumindest beim Teckboten. Im Wikipedia-Eintrag zum Gautschen heißt es nämlich: „Es soll Betriebe geben, die einen neuen Mitarbeiter bei Stellenantritt nach seinem Gautschbrief fragen, und sofern er keinen vorweisen kann, muss das Gautschen nachgeholt werden.“ Dass es sich hier nicht nur um ein Gerücht oder um etwas nach dem Hörensagen handelt, hat die Belegschaft der Kirchheimer Zeitung gestern wieder eindrücklich bewiesen: Beim Teckboten hat es bis jetzt noch alle erwischt, die als Drucker, Setzer, Mediengestalter oder Vorstufentechniker ihr Geld verdienen.

Trotzdem ist es jetzt nicht so, dass Sina Berti, Bernhard Hütter, Melina Pohl und Laura Wetzel nach überstandener Gautsch-Tortur sofort den wertvollen Brief erhalten haben. Es gibt da ja noch eine weitere Bedingung: die Gautschfeier. Zeitnah möge die Einladung dazu ausgesprochen werden, meinte der zuständige Abteilungsleiter Steffen Maier, als das frisch gegautschte Quartett in jeder Hinsicht „bedröppelt“ auf dem Hof stand. Die unausgesprochene Warnung, die dabei herauszuhören war, lässt sich als Folge logischer Konsequenzen fortspinnen: ohne Gautschfeier kein Gautschbrief, und ohne Gautschbrief erneutes Gautschen.

Auch wenn alle vier „Novizen“ gute Miene zum schönen Spiel machten, dürften sie nicht unbedingt darauf erpicht sein, ein weiteres Mal in voller Montur in eine wassergefüllte Zinkwanne verfrachtet zu werden. Selbst bei wohltemperiertem Wasser, wie das gestern der Fall war, ist ja mit dem „Bad in der Menge“ noch nicht alles erledigt: Sorgfältig werden die Gäutschlinge in der Wanne mit einem Schwamm und mit Bürsten geschrubbt, insbesondere hinter den Ohren. Und zu allem Überfluss folgt auch noch der eine oder andere volle Kneippguss extra.

Für Steffen Maier gehört das Gautschen nicht nur zur nahezu mittelalterlichen Tradition, sondern ganz einfach auch „zum guten Ton“. Was beim Gautschen ebenfalls zum guten Ton gehört, ist die anschließende Umarmung durch die „armen Tröpfe“, bei der auch die „Folterknechte“ so einiges vom Wasser abkriegen. Und gleichfalls zur „Fairness“ – soweit diese Prozedur überhaupt fair sein kann – gehört es, die „Täuflinge“ einige Zeit im Voraus grundsätzlich darüber zu informieren, was ihnen in naher Zukunft blühen wird. Denn nur dann können sie rechtzeitig Ersatzkleidung bereitlegen.

Dazu gehört auch ein Paar Ersatzschuhe. Zumindest hat es den drei jungen Kolleginnen nichts genutzt, in Socken zum Gautschen anzutreten. Ihre Schuhe flogen hinterher trotzdem in die Wanne. Bei Bernhard Hütter war das anders: Er badete mitsamt seinen Schuhen, hatte es dafür aber versäumt, eine frische Montur bereitzuhalten.

Sein Beispiel zeigt also vor allem eins: Man lernt halt nie wirklich aus.

Gautschen 2016 Teckbote Wasser
Gautschen 2016 Teckbote Wasser
Gautschen 2016 Teckbote Wasser
Gautschen 2016 Teckbote Wasser