Kirchheim

Wer sein Kleingeld liebt, der schiebt

Kontrollen Mitarbeiter des Kirchheimer Ordnungsamts patrouillieren verstärkt, um gegen das Radfahren in der Fußgängerzone vorzugehen. Die einen sind davon be-, die anderen völlig entgeistert. Von Andreas Volz

Bei genauerem Hinsehen zeigt sich: Fahrradfahren ist in der Kirchheimer Fußgängerzone nur zwischen 19 Uhr abends und 8 Uhr morge
Bei genauerem Hinsehen zeigt sich: Fahrradfahren ist in der Kirchheimer Fußgängerzone nur zwischen 19 Uhr abends und 8 Uhr morgens erlaubt. Wer zu anderen Zeiten erwischt wird, muss zahlen. Foto: Jean-Luc Jacques

Es gibt Themen, bei denen man sich automatisch in die Nesseln setzt, weil es nur zwei gegensätzliche Meinungen dazu geben kann, die keinerlei Möglichkeit zum Kompromiss erkennen lassen. Das Radfahren in der Fußgängerzone ist ein besonders gutes Beispiel dafür.

Dabei hat es eigentlich ganz harmlos angefangen: In einer Ausschusssitzung bittet ein Kirchheimer Stadtrat die Verwaltung um schärfere Kontrollen, weil das Radfahren in der Fußgängerzone überhandnehme. Laut Protokoll bestätigt Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker zunächst, „dass auch in ihrer Wahrnehmung der Radverkehr in der Fußgängerzone, über alle Altersgruppen hinweg, zunehme“. Dann folgt der entscheidende Satz: „Sie sichert verstärkte Kontrollen zu.“

Dass das kein leeres Versprechen ist, zeigt sich bald darauf: Das Ordnungsamt wird aktiv, der Auftrag ist eindeutig. Geschäftsleute, die in der Marktstraße ansässig sind und die den Alltag in der Fußgängerzone besser kennen als jeder andere, reagieren teilweise mit unverhohlener Begeisterung - zumindest wenn sie das Wohl der Fußgänger im Blick haben.

Nicht so begeistert reagieren die kontrollierten Radfahrer: Sie fühlen sich abgezockt, beklagen Behördenwillkür oder auch Wegelagerei, und überhaupt: Die anderen sind es vielleicht, die da manchmal rasen. Aber die werden sowieso nicht belangt. Es erwischt wieder einmal nur die Falschen, denn wer so langsam ist, dass er vom Ordnungsdienst angehalten werden kann, der kann ja garantiert keinen gefährdet haben. Wenn die Stadt Kirchheim ihre Kasse aufbessern will, dann überall, aber doch bitteschön nicht bei den braven Bürgern, die harmlos durch die Fußgängerzone radeln und niemandem etwas zuleide tun.

Einer, der versucht, die gegensätzlichen Meinungen zusammenzubringen, ist Kirchheims Erster Bürgermeister Günter Riemer. Einerseits ist er als Verwaltungsbeamter für Recht und Ordnung zuständig, und andererseits ist er bekennender Radfahrer. So befindet er sich bei der telefonischen Nachfrage des Teckboten auch konsequenterweise im Radurlaub.

„Wir sind eine fahrradfreundliche Kommune“, sagt er und fügt hinzu: „Das heißt aber nicht, dass es keine Regeln gibt. Jeder Verkehrsteilnehmer muss sich an Regeln halten, und die gelten auch für Radfahrer.“ Nicht alle, aber viele Radfahrer seien gerne „anarchistisch unterwegs“. Das könne die Stadt keineswegs tolerieren, weil diese Sorte von Radfahrern sich und andere gefährde. „In der Kernfußgängerzone gibt es da ganz klare Konsequenzen. Und wenn der Ordnungsdienst dort unterwegs ist, kann er nicht erst lange ermahnen.“

Er selbst spricht jeden Radfahrer in der Fußgängerzone an und bittet ihn abzusteigen, solange es tagsüber zwischen 8 und 19 Uhr ist. Seine Erfahrung: „Da muss man aufpassen, weil es oft aggressiv zugeht.“ Die Aggressivität sei indessen kein spezifisches Problem der Radfahrer, sie spiegle eher einen allgemeinen Trend wider.

„Ausreden gehören zum Spiel“

Wenn sich jemand darüber ärgert, dass er berappen muss, hat Günter Riemer dafür durchaus Verständnis: „Das passt ja keinem, wenn er eine Strafe zahlen muss. Und dass man da nach Ausreden sucht, gehört zum Spiel.“ Trotzdem müsse es jedem Radfahrer klar sein, dass er tagsüber in der Fußgänger sein Fahrzeug zu schieben hat. Wenn jemand keine Zeit hat, die umfangreiche Beschilderung lange zu studieren, gilt trotzdem der Rechtsgrundsatz, dass Unwissenheit nicht vor Strafe schützt. Allerdings gibt es noch einen weiteren Grundsatz: Bestraft werden immer nur die, die auch erwischt werden. Das mag derjenige, den es gerade erwischt hat, als ungerecht empfinden, aber es ist zumindest nicht unrechtmäßig.

Fazit: Fahrrad hin oder her - wer sein Kleingeld liebt, der schiebt.