Lokale Kultur

„Wie eine große Familie“

Das Kult-Ur Open-Air bei Weilheim bietet Musik – und eine ganz besondere Atmosphäre

Kranzniederlegung Alter Friedhof Bulkesertreffen - Band probt in der Linde - When Your Lungs Collapse
Kranzniederlegung Alter Friedhof Bulkesertreffen - Band probt in der Linde - When Your Lungs Collapse

Weilheim. Auf dem Weg zum Kult-Ur Open-Air zwischen Weilheim und Neidlingen fällt Folgendes auf: Es gibt keine großen Plakate die den Weg weisen, keine gigantischen Werbebanner oder Reklametafeln, wie

Michael Veit

man sie eigentlich von einem Musikfestival erwarten würde. Und genau das macht die Philosophie des Festivals aus. Lediglich mehrere kleine Gruppen dunkel gekleideter Jugendlicher, die mit Flaschen in der Hand in die Landschaft hinauslaufen, deuten auf das Rockfestival hin, das an diesem Wochenende seinen 18. Geburtstag feiert und sich seinen „Kult“-Status redlich verdient hat.

„Ich hab mir ein Ticket gekauft, bin alleine hergekommen und jetzt kenne ich alle hier“, sagt Robin aus Oberlenningen. Der 20-Jährige angehende Veranstaltungstechniker ist zum ersten Mal dabei. Doch schon jetzt weiß er, dass er im nächsten Jahr wieder kommen will. Er gehört zu den Campern, die an diesem Wochenende ihre Zelte in den Streuobstwiesen nahe des Festivals aufgeschlagen haben. Der Unterschied zu einem größeren Festival sei der Zusammenhalt zwischen Besuchern und Veranstaltern. „Das hier ist wie eine große Familie. Nach den Konzerten setzt man sich abends noch ums Lagerfeuer und unterhält sich. Da treffen ganz verschiedene Menschen, Meinungen und Nationalitäten zusammen und trotzdem ist alles friedlich.“ Auch das Wetter habe an diesem Wochenende mitgespielt. „Besser kann man‘s nicht haben. Aber nachts musste man sich ab und zu mal zusammenkuscheln, um sich warm zu halten“, sagt Robin und lacht.

Was auf einigen Euro-Paletten und mit einer geliehenen Anlage begann, ist zu einem Musikfestival herangewachsen, das mittlerweile jedes Jahr am Pfingstwochenende über 400 Besucher pro Tag nach Weilheim lockt. Dazu kommt eine Vielzahl freiwilliger Helfer, die bei dem Festival an diesem Wochenende mitarbeiten.

Darunter sind auch Chris und Philipp. Die beiden 24 und 25 Jahre alten Tontechniker sind zum zweiten Mal ehrenamtlich dabei und haben die 20 Bands von der technischen Seite her betreut. Auf die Frage, ob sie nun langsam genug hätten, meint Chris: „Klar, wenn man abends nach Hause fährt, hat man doch lieber seine Ruhe und hört keine Musik mehr. Aber alles in allem gibt es nichts Schöneres als mit Live-Musik zu arbeiten.“

Philipps persönlicher Höhepunkt war das Konzert von „Dui Pfeifvel“, einer siebenköpfigen Ska-Band aus Wendlingen: „Die werfen Bälle ins Publikum, und springen wie verrückt auf der Bühne herum. Das kam bei den Leuten ziemlich gut an.“

Auch Jan Hanicz zählt zu den Veteranen des Kult-Ur Open Air. Seit fünf Jahren arbeitet er im Leitungsteam des Festivals mit und ist auch an der Auswahl der Bands beteiligt. Diese gestalte sich jedes Jahr schwieriger. „Wir haben über 600 Demos bekommen. Die Bandauswahl teilen wir uns immer zu viert auf.“ Besonderen Wert habe man darauf gelegt, dass möglichst viele regionale Bands an dem Festival teilnehmen, sagt der 30-Jährige. „Auch aus dem Proberaum der Linde sind in diesem Jahr zwei Bands dabei.“ Besonders froh sei er darüber, dass sich das Festival so gut etabliert habe. „Wir werden von der Stadt Weilheim unterstützt, die uns diese Fläche zur Verfügung stellt und auch schottert. Auch die Bauzäune wurden uns von der Stadt geliehen“, sagt der 30-Jährige. Expansionspläne gebe es allerdings noch nicht. „Unser Ziel ist es jedes Jahr, das Zelt voll zu kriegen. Erst wenn wir das regelmäßig schaffen können wir uns Gedanken machen, ob und inwiefern wir das Festival ausbauen können“, so Hanicz.

Auch für die Band „Benzin“, die dieses Jahr den guten Schluss des Festivals bildet, ist das Kult-Ur Open-Air eine besondere Adresse. Über einen Facebook-Aufruf sei die Band aus Ulm auf das Festival aufmerksam geworden, sagt Sebastian, Gitarrist und Sänger. „Das ist eine willkommene Abwechslung, weil man hier auch einfach mal frei herumlaufen und Leute treffen kann.“ Zudem sei der Termindruck erheblich geringer. „Wir haben an diesem Wochenende in Schweinfurt und in Ulm gespielt. Wenn man dann mal sieben Stunden im Auto gesessen ist, ist es entspannender sich vor dem Konzert mal kurz auf die Wiese zu setzen, statt sich in den engen Backstageraum zu quetschen“, sagt Gitarrist Andi. „Für uns sind solche Festivals wie Weihnachten.

Mit dem deutschsprachigen Gitarrenrock von „Benzin“ geht das Festival nach drei Tagen Musik und Sonnenschein zu Ende – um die Besucher im kommenden Jahr aufs Neue in Scharen anzulocken.