Als Leni Breymaier während einer Fraktionssitzung auf ihr Smartphone sah und zum ersten Mal las, dass Schulz Kanzlerkandidat werden sollte und Gabriel zurücktritt, hielt sie es, ganz im Geiste der Zeit, für Fake-News. Doch es stimmte - und die Aufbruchsstimmung war auch noch beim Neujahrsempfang des SPD-Kreisverbands im Kirchheimer Alten Gemeindehaus zu spüren. Seit Donald Trumps Wahl hat der Kreisverband 25 neue Mitglieder gewonnen. „Seitdem sind die Leute aufgewacht“, sagt der Kreisvorsitzende Michael Beck. „Wir leben in einer Zeit der Politisierung“, sagte Breymaier. Heute sei das ein Anlass zu Beitritten wie früher die Wahl von Willy Brandt oder der Abschied der FDP aus der sozialliberalen Koalition.
„Ich bin ein Fan von Inhalten“, betonte Breymaier und zeigte das den 160 Zuhörern in ihrer feurigen Rede. Sie will die SPD als Spitzenkandidatin im Land in die Bundestagswahl führen und auf keinen Fall weiterhin eine große Koalition. Unter anderem der Bürgerversicherung wegen, in die alle solidarisch einzahlen, auch die Beamten. „Mit der CDU kriegst du das nicht hin.“ Ein Systemwechsel sei nicht gerade dann möglich, wenn gerade die Babyboomer in Rente gingen. Doch er müsse langfristig geplant werden. Die Verbesserung der Mütterrente sei richtig gewesen, wenn auch falsch finanziert: „Das hätte aus Steuermitteln bezahlt werden müssen, nicht aus Beiträgen.“ Aber es gebe für vor 1992 geborene Kinder noch immer nur zwei Rentenpunkte, nicht drei, ein Unterschied von monatlich rund 30 Euro. „Ihr Frauen, gebt keine Ruhe!“, fordert sie auf.
Es gebe so viele Alte und wenige Junge, werde bei der Rente geklagt. Würden denn die Jungen durch die Privatvorsorge plötzlich mehr? „Auch bei der Privatvorsorge muss alles die aktive Bevölkerung erwirtschaften“, erinnerte Breymaier an das altbekannte Mackenroth-Theorem. „Wir haben keinen Konflikt Jung gegen Alt, sondern Reich gegen Arm, den müssen wir klären.“
Kein Thema für eine Legislaturperiode, sondern für bis zu 50 Jahre sei die menschliche Gestaltung der Digitalisierung. „Wenn die Autos selbst fahren, wir vielleicht gar kein Auto mehr besitzen, wer profitiert davon? Haben wir dann die 19-Stunden-Woche und pro Woche einen Tag Fortbildung?“
In Breymaiers Kindheit war durch die Erlebnisse der Eltern der Krieg noch stets präsent. „Das Friedensversprechen Europas hat uns getragen.“ Heute pfeife ein Jugendlicher, in dessen Land jeder zweite Jugendliche arbeitslos sei, auf Europa. „Europa ist zu einem Europa der Märkte verkommen.“ Breymaier will einen pointierten Wahlkampf, aber: „Wir dürfen keine Lügen und keinen Hass verbreiten. Wir müssen die Demokratie verteidigen, mehr als bisher.“ Die Dinge seien beim Namen zu nennen: „Ein Rassist oder Sexist ist kein Populist, sondern ein Rassist oder Sexist.“
Für die kommende Bundestagswahl hofft die SPD auf bessere Zeiten. Aktuelle Umfragen sprechen dafür. SPD-Landtagsabgeordneter Andreas Kenner sagte: „Das mit der Landtagswahl darf der SPD kein zweites Mal passieren. Der VfB steigt ja auch nur einmal in 30 Jahren ab.“