Kirchheim

Wo geht es hin mit Europa?

Neujahrsempfang Europapolitikerin Evelyne Gebhardt spricht bei der Kirchheimer SPD über die Zukunft der Europäischen Union und die Gefahren. Von Andrea Barner

Ohne großes Tam-Tam fährt Evelyne Gebhardt im eigenen Wagen am Alten Gemeindehaus in Kirchheim vor. Keine Security-Leute. Dabei ist die 55-Jährige eine Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments. Unkapriziös, eine zierliche Person, aber stimmgewaltig und mit Feuer im Herzen.

Quo vadis, Europa? Die Frage stellt die gebürtige Französin sinngemäß in den Mittelpunkt ihrer flammenden Rede. Wie jedes Jahr ist das Alte Gemeindehaus voll besetzt, Sozialdemokraten jeden Alters sind gekommen. Traditionell hat sich auch Politprominenz eingefunden: der Bundestagsabgeordnete Nils Schmid, der Landtagsabgeordnete und Stadtrat Andreas Kenner, Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker sowie ihre beiden Bürgermeister Günter Riemer und Stefan Wörner.

Evelyne Gebhardt überbringt Grüße aus Brüssel. In ihrem Geburtsland Frankreich sei es Tradition, „bis 30. Januar seine Neujahrswünsche zu versenden“. Dabei sei es durchaus üblich, sich zu überlegen, was im vergangenen Jahr passiert sei und welche Perspektive man für das kommende habe. Die zierliche Politikerin findet gleich zu Beginn ihrer Rede deutliche Worte. „In die Irre geleitete Menschen in Großbritannien wollen aufgrund von Lügen und falschen Informationen die EU verlassen.“ Nationalistische Bestrebungen, wie sie etwa von Ungarn oder Polen ausgehen, lehnt Gebhardt ab. Als „Grund zur Sorge“ bezeichnet sie die Menschen, die andere auseinander dividieren und „damit auch noch erfolgreich sind“. Ein Blick nach Nordamerika zeigt ebenfalls keinen guten Weg auf: „Der US-Präsident verhält sich alles andere als demokratisch.“ Leider fände sein „America first“-Stil viele Nachahmer.

Die SPD jedenfalls, so die Europapolitikerin, hält am Artikel 1 des Grundgesetzes und der Charta der Menschenrechte fest: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Mensch ist Mensch, egal woher er kommt und was er bisher gemacht hat. „Dafür kämpfen wir Sozialdemokraten“, sagt sie. Die Europawahl am 26. Mai werde eine richtungsentscheidende Wahl sein, bei der es um die Frage geht, ob die EU ausgebaut oder zerstört wird. Deshalb: Augen auf bei der Europawahl und informieren, welche Partei oder Liste für welche Ideale steht. So hat, wie Gebhardt sagt, die AfD Kandidaten für das Europaparlament aufgestellt, obwohl die Partei es „abschaffen“ wolle.

Ihr Wunsch: eines Tages die „Vereinigten Staaten von Europa“ zu erleben, ganz wie es im Grundsatzprogramm der SPD von 1925 bereits verzeichnet ist und schon 1848 von ihrem französischen Landsmann Victor Hugo beschrieben wurde. „Sozial, bürgernah, solidarisch. Ein Europa, das sich nicht ausgrenzen lässt“.

Evelyne Gebhardt unterstützt auch die SPD-Initiative, in Baden-Württemberg gebührenfreie Kindertagesstätten zu schaffen. Im Foyer des Alten Gemeindehauses liegen beim Neujahrsempfang Unterschriftslisten aus. 10 000 Unterschriften benötigt die SPD bis 31. Januar, um ein entsprechendes Volksbegehren anzustoßen. Wenn das Innenministerium das zulässt, muss die SPD innerhalb eines halben Jahres die Unterschriften eines Zehntels aller Wahlberechtigten in Baden-Württemberg sammeln. Nur dann wird dem Landtag ein entsprechender Gesetzentwurf vorgelegt.

Evelyne Gebhardt appelliert beim Neujahrsempfang an die Gäste, zu unterschreiben. Denn wenn die EU innovativ sein wolle, brauche sie top-ausgebildete Menschen und „das beginnt bereits im Kindergarten“.

Drei Fragen an Evelyne Gebhardt

1. Warum ist es wichtig, dass im Mai so viele Menschen wie möglich zur Europawahl gehen?

Demokratie lebt vom Wahlgang. Das ist das schönste Gut, dass die Bürger haben. Damit entscheiden sie über die Zukunft. Jüngere Menschen in Großbritannien wollten den Brexit nicht, aber sie sind nicht zur Wahl gegangen. Lassen Sie nicht die anderen entscheiden, welche Politik gestaltet wird!

2. Bei der gleichzeitig stattfindenden Kommunalwahl ist es aber schwierig, genügend Kandidaten zu finden. Wie kommt das?

Wir müssen für die Arbeitnehmer mehr tun, damit sie wieder die Zeit finden, sich neben Familie und Arbeit im sozialen Leben ihrer Gesellschaft mehr zu engagieren.

3.Was wünschen Sie Europa für die Zukunft?

Ich möchte ein soziales Europa, das zusammenführt. Ich bekämpfe das Europa, das die Menschen voneinander trennt.ab