Kirchheim

Zwei Impfzentren stehen fest

Corona Auf den Fildern und im Esslinger Gewerbegebiet Neckarwiesen sollen die beiden ersten Versorgungspunkte im Kreis entstehen. Ärzte und Malteser planen 14-Stunden-Betrieb an sieben Tagen die Woche. Von Bernd Köble

Impfzentrum statt Handelsplatz: Die Fildermesse war im Frühsommer als Notklinik geplant. Jetzt wird sie ein halbes Jahr lang zum
Impfzentrum statt Handelsplatz: Die Fildermesse war im Frühsommer als Notklinik geplant. Jetzt wird sie ein halbes Jahr lang zum bedeutendsten Ort bei der Pandemie-Bekämpfung. Foto: Markus Brändli

Eine Messehalle am Flughafen und ein leerstehendes Industriegebäude in der Zeppelinstraße im Esslinger Gewerbegebiet „Neckarwiesen“ sollen bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie zu Impfzentren im Landkreis ausgebaut werden. Die Messe war im Frühsommer bereits als Notklinik für Covid-Patienten geplant. Beide Standorte bieten ausreichend Platz und sind sowohl über Autobahn und B 10 wie auch mit der S-Bahn zu erreichen. Man habe die Vorschläge an das Sozialministerium in Stuttgart übermittelt, teilte Landratsamts-Sprecherin Andrea Wangner gestern mit. Dort werden sie nun noch einmal geprüft und gegebenenfalls abgesegnet.

Trotz intensiver Suche und tagelanger Geheimniskrämerei dürfte die Wahl geeigneter Standorte zu den einfacheren Aufgaben zählen. Was Kreisbehörde, Ärzteschaft und Hilfsdienste bis zu einem möglichen Start am 15. Januar in die Wege leiten müssen, stellt eine gewaltige Herausforderung dar. 60 Impfungen pro Zentrum und Stunde, 1200 Patienten am Tag sind in der ersten Jahreshälfte 2021 geplant. Dafür sind die Helfer sieben Tage pro Woche im Einsatz, täglich von 7 bis 21 Uhr. Das setzt vor allem eines voraus: jede Menge Personal.

Wie schon in den Corona-Abstrichzentren wird der Malteser Hilfsdienst die Kräfte bündeln und Aufgaben koordinieren. Bezirks-Geschäftsführer Marc ­Lippe rechnet mit einem Bedarf von 120 medizinischen Fachkräften an beiden Standorten. Ärzte, aber auch Rettungssanitäter, ­Pflegekräfte und Sprechstundenhilfen. Jeder, der eine dreijährige medizinische Ausbildung absolviert hat, kommt infrage. Auch Mediziner im Ruhestand oder Medizinstudenten mit abgeschlossenem Physikum. Auf ehrenamtlicher Basis lässt sich so etwas nicht bewältigen. Dafür braucht es hauptamtliche ­Kräfte. Bei denen stellt sich nicht nur die Frage nach der Verfügbarkeit, sondern auch nach der Bezahlung. Marc Lippe weiß: Offene Türen rennt man da nicht ein.

Gesetzliche Grundlage fehlt

Genügend Personal zu finden, ist das eine. „Was wir vor allem brauchen, ist eine gesetzliche Grundlage seitens des Ministeriums“, sagt der Malteser-Sprecher. Das gilt für die Frage, wer für welche Tätigkeit herangezogen werden darf, aber auch für Registrierung und Dokumentation des Impfprozesses, über den nicht nur jeder Impfwillige aufgeklärt werden muss. Es braucht auch seine schriftliche Einwilligung. Bei mangelnden Sprachkenntnissen sind zudem Dolmetscher erforderlich. Ungeklärt auch die Frage, was geschieht, wenn die Patientenerfassung nicht wie üblich über die Versichertenkarte erfolgen kann.

Mit einem schnellen Piks ist es also nicht getan. Eine ­Viertelstunde pro Patient ist bisher veranschlagt, eine Beobachtungsphase nach der Injektion inklusive. Auch die Einhaltung von Abstands- und Hygieneregeln dürfte zusätzliche Zeit in Anspruch nehmen, auch wenn ­Patienten mit Krankheitssymp­tomen gar nicht erst zugelassen werden.

„Bisher haben wir sehr wenig Konkretes“, muss Dr. ­Hans-Peter Miehe, der Sprecher der Kreisärzteschaft im Raum Kirchheim und Nürtingen, zugeben. Immerhin: Die Bereitschaft zur Mitarbeit unter den niedergelassenen Medizinern sei erfreulich hoch. Miehe spricht von einer „gut dreistelligen Zahl“ an Kollegen, die bereit stünden. „Es hilft ja alles nichts“, sagt er. „Dass wir das irgendwie hinkriegen müssen, ist klar.“

Viele Fragen vor dem ersten Piks

Ab wann wird geimpft? Ob die großen Landes-Impfzentren am 15. Dezember und die Kreis-Impfzentren am 15. Januar tatsächlich in Betrieb gehen können, hängt davon ab, ob bis dahin ausreichend Impfstoff zur Verfügung steht. Zu Beginn werden nur Risikogruppen und systemrelevante Personen geimpft. Dazu zählen Alte und Kranke, Klinik- und Pflegepersonal, Polizei, Feuerwehr und Rettungsdienste, später auch Lehr- und Erziehungskräfte.

Wie schnell kommt die breite Bevölkerung zum Zug? Auch das hängt davon ab, wie schnell ein Impfstoff verfügbar sein wird, der bei normalen Kühltemperaturen gelagert werden kann. Nur dann ist es Kliniken, Pflegeeinrichtungen und Hausarztpraxen möglich, ihr eigenes Personal oder Patienten in den Praxen selbst zu impfen. Bis dahin bleiben die Kapazitäten in den Impfzentren in der Anfangsphase systemrelevanten und besonders gefährdeten Personengruppen vorbehalten.

Wer zählt zur Risikogruppe? Wer wegen seines Alters oder aufgrund von Vorerkrankungen als besonders gefährdet gilt und deshalb beim Impfen bevorzugt wird, ist eine von vielen ungeklärten Fragen. Die Kassenärztliche Vereinigung als Kostenträger und verantwortliche Stelle bei der Vergabe von Impfterminen erwartet hier klare Vorgaben von der Politik. „Auch die Frage, wie sich das überprüfen und dokumentieren lässt, muss seitens der zuständigen Ministerien noch geklärt werden“, sagt Kai Sonntag, Sprecher der KV in Baden-Württemberg. „Hier braucht es klare Leitplanken.“

Wie komme ich zu einem Impftermin? Die Termine sollen telefonisch über die kostenlose Nummer des ärztlichen Bereitschaftsdienstes vergeben werden. Die 116 117 ist nachts und an Wochenenden über die Rettungsleitstelle des DRK in Esslingen geschaltet. Wochentags laufen die Anrufe tagsüber bei der Kassenärztlichen Vereinigung auf. Über die Eingabe einer Zifferntaste sollen Impfwillige an das Callcenter der KV weitergeleitet werden, wo die Termine digital verwaltet werden. Ob die Impfpatienten wie bisher in den Corona-Abstrichzentren einen Code erhalten sollen, ist ebenfalls noch nicht abschließend geklärt.

Wie lange kann ich mich in den Impfzentren impfen lassen? Im Moment geht man im Sozialministerium davon aus, die Impfzentren ein halbes Jahr lang zu betreiben. Danach soll schrittweise die Regelversorgung über die Arztpraxen erfolgen. Virologen gehen von einer Immunität von 70 Prozent der Bevölkerung aus, um zur Normalität im Alltag zurückkehren zu können. Im Landkreis Esslingen müssten dafür etwa 380 000 Menschen über einen sicheren Impfschutz verfügen. Bernd Köble