Lokalsport

Der Vogel im Oberstübchen

Segelfliegen Für eine 16-jährige Flugschülerin aus Owen erfüllt sich ein Traum: Sie bringt ihren eigenen Segler auf Vordermann – im Dachgeschoss des Elternhauses. Von Bernd Köble

Momente des Bangens: Stimmen die Berechnungen, hält das Wetter? Auf Jana Kostritza wartet nun Heimarbeit.Fotos: Markus Brändli
Momente des Bangens: Stimmen die Berechnungen, hält das Wetter? Auf Jana Kostritza wartet nun Heimarbeit.Fotos: Markus Brändli

Autofahrer steigen auf die Bremse, Passanten blicken ungläubig zum wolkenverhangenen Himmel. Über den Dächern im Owener Rebenweg baumelt am Samstag um die Mittagszeit der Rumpf eines ausgewachsenen Segelflugzeugs am Haken eines Krans. Bange Blicke auch bei denen, die wissen, worum es hier geht. Es regnet. Zum Glück nicht so heftig wie angekündigt, und auch die vorhergesagten Sturmböen lassen noch auf sich warten. Eine knappe Stunde dauert das ungewöhnliche Schauspiel, dann sind Tragflächen und Rumpf des Gleiters durchs Dachfenster des Reihenhäuschens im Inneren verschwunden.

Gibt‘s nicht? Gibt‘s doch. Die richtigen Freunde, ein wenig Glück und vor allem flugbegeisterte Eltern - mehr brauchte es nicht, um den Traum einer Teen-agerin wahr werden zu lassen. Jana Kostritza ist 16 Jahre alt. Schon als 14-Jährige hat sie in ihrem Verein, der Fliegergruppe Hülben, Geschichte geschrieben. Als Jüngste, die jemals alleine im Cockpit überm vereinseigenen Fluggelände eine Platzrunde gedreht hat. Im Frühjahr will sie ihren Flugschein machen und richtig abheben. Im eigenen Gleiter, nach dem sie lange im Internet geforscht und den sie schließlich von einem Privatmann in Koblenz geschenkt bekommen hat. 15 Meter Spannweite, ein Rumpf aus Gitterrohr, die Tragflächen aus Holz. Knapp 60 Jahre hat die K 8, Baujahr 1958, auf dem Buckel. Die betagte Dame zählt zu den gutmütigsten und zuverlässigsten Schulgleitern in der Geschichte des Segelfliegens. Etwas angestaubt und dringend restaurierungsbedürftig ist das gute Stück. Aber flugtauglich.

Weil in der Nähe kein geeigneter Stellplatz zu finden war, die 16-Jährige mangels Führerschein nur eingeschränkt mobil ist und der Segler zudem empfindlich auf Temperaturschwankungen reagiert, fasste der Familienrat einen ungewöhnlichen Beschluss: Der leer stehende Raum im Dachgeschoss wird zum Hangar auf Zeit. Kurze Arbeitswege garantiert. Einen Testlauf mit maßstabsgerechten Papierschablonen, mathematischen Berechnungen und dem Einbau eines entsprechend großen Dachfensters später, war klar: Der Vogel passt durch die Luke ins Oberstübchen. Knapp, aber immerhin.

Dort soll in den kommenden beiden Jahren nun eifrig gewerkelt werden. Der Segler will von Grund auf überholt werden. Rund 1 000 Arbeitsstunden, so schätzen Experten, warten auf die 16-jährige Schülerin, die, um überhaupt ans Werk gehen zu können, erst einmal einen Lehrgang zum sogenannten Zellenwart absolvieren muss. Die Bestimmungen des Luftfahrt-Bundesamts sind streng. „Das Ganze mag verrückt erscheinen“, sagt ihr Vater Detlef. „Weil sie mit so viel Engagement und Leidenschaft hinter dieser Sache steht, wollten wir sie unterstützen.“

Zu Ende ist die Geschichte damit noch nicht. Bevor der neue Lack draufkommt, muss der Segler im kommenden Jahr sandgestrahlt werden. Im Freien, versteht sich. Danach geht‘s wieder zurück unters Dach.

Momente des Bangens: Stimmen die Berechnungen, hält das Wetter? Auf Jana Kostritza wartet nun Heimarbeit.Fotos: Markus Brändli
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Segelflugzeug wandert per Kran auf Dachboden zur Restaurierung
Segelflugzeug wandert per Kran auf Dachboden zur Restaurierung