Kirchheim

Recht und Ratio contra Emotionen

Wahlkampf Bundestagsabgeordnete warnen davor, Erdogan durch Auftrittsverbote in die Karten zu spielen.

Kirchheim. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Michael Hennrich nimmt kein Blatt vor den Mund: „Die Verlautbarungen, die wir aus der Türkei hören, sind unerträglich. Da packt einen das kalte Grausen.“ Die Teilnehmer solcher Wahlkampfauftritte dürfe man durchaus fragen, was sie noch in Deutschland hält, wenn sie so begeistert sind von Erdogans Ideen. Doch die emotionale Seite des Themas ist das eine, die rechtliche etwas ganz anderes. Dessen ist sich auch Hennrich bewusst: „Wir können einen Auftritt absagen, wenn ein Minister in einer Regierungsmaschine nach Deutschland kommt. Problematisch wird es aber, wenn jemand mit einem Linienflug als Privatmann kommt.“ Dann lasse sich der Auftritt nur verbieten, wenn die öffentliche Sicherheit gefährdet sei. „Die Kommunen haben das bisher in vorbildlicher Weise entschieden.“

Rainer Arnold, verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Bundestag, mahnt zur Besonnenheit. Wirklich um Wahlkampf gehe es „Erdogan und seinen Leuten“ gar nicht: „Es geht ihnen darum, Konflikte zu schüren, um auf der nationalen Welle noch etwas Zustimmung zu erhalten.“ Schon in der Türkei habe Erdogan seine Gesellschaft in Freund und Feind gespalten. Jetzt dehne er dieses Prinzip auch auf andere Länder aus. Arnolds Handlungsempfehlung für die deutsche Politik: „Wir dürfen nicht über das Stöckchen springen, das Erdogan uns da hinhält.“ Westliche Politiker sollten dessen Vorgehensweisen entlarven und entsprechend klare Worte dafür finden. Eines aber ist für Rainer Arnold ganz klar: „Wir brauchen keine Angst zu haben vor Drohungen. Ohne westliche Technologie endet für die Türkei alles in einem großen Fiasko.“

Matthias Gastel (Grüne) kann die ablehnende Haltung der Mehrheit in Deutschland gegen offizielle Wahlkampfauftritte türkischer Kabinettsmitglieder nachvollziehen. „Emotional teile ich diese Haltung auch.“ Die „aggressive Form“, in der vom türkischen Staat die Wahlkampfauftritte eingefordert werden, hält er schlicht für „unverschämt“. Rational gedacht, glaubt Gastel allerdings, „dass Auftrittsverbote unsererseits wie ein Wahlkampfgeschenk für Erdogan wirken - und diesen Gefallen sollten wir ihm nicht tun“. Es sei eben nicht die Türkei, die da so unverschämt auftrete, sondern Erdogan selbst - „der die Türkei gerne ohne kritische Presse und ohne kritische Opposition regieren würde“. Erdogans Argumentation zu abgesagten Auftritten sei „nichts als Ablenkung von seinen eigentlichen Plänen“.Andreas Volz