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„Das wird ein Langstreckenlauf“

Leni Breymaier möchte mit solidarischen Problemlösungen den Erfolgsweg der AfD stoppen

Leni Breymaier, designierte Landesvorsitzende der SPD, will das sozialpolitische Profil ihrer Partei stärken.

Leni Breymaier setzt auf ihr sozialpolitisches Profil, um die Wahlchancen der SPD zu verbessern.Foto: Tilman Ehrcke/Staufenpress
Leni Breymaier setzt auf ihr sozialpolitisches Profil, um die Wahlchancen der SPD zu verbessern.Foto: Tilman Ehrcke/Staufenpress

Region. Am 22. Oktober wählt die SPD ihre neue Landesvorsitzende. Die Eislingerin Leni Breymaier ist bisher einzige Kandidatin.

Frau Breymaier, die Männer haben die Karre in den Dreck gefahren, jetzt muss eine Frau ran, um sie wieder flott zu machen.

LENI BREYMAIER: Ich glaube, dass dies für die SPD Baden-Württemberg so nicht zutrifft, weil wir vor Nils Schmid Ute Vogt als Landesvorsitzende hatten. Daher habe ich nicht das Gefühl, dass es so besonders ist, als Frau an der Spitze der SPD im Land zu stehen.

Ich wollte auf Angela Merkel anspielen, die nach der CDU-Parteispendenaffäre von Helmut Kohl und Wolfgang Schäuble übernehmen musste. Ist sie ein Vorbild für Frauen in der Politik?

BREYMAIER: Nicht für mich persönlich. Aber bemerkenswert ist schon, dass wir seit elf Jahren eine Frau im Kanzleramt haben. Wenn ich jetzt eine junge Frau von etwa 20 bin, dann erlebe ich seit meinem neunten Lebensjahr, dass eine Frau Kanzlerin sein kann. Und zwar eine mit einer Durchschnittsfigur und flachen Schuhen, die auch nicht eine Barbie-Rolle erfüllt. Sie ist für eine Mädchengeneration jenseits der politischen Couleur ein gutes Vorbild.

Zurück zur Landes-SPD. Es gibt keinen Gegenkandidaten. Die Wahl zur Vorsitzenden scheint schon in trockenen Tüchern zu sein.

BREYMAIER: Ich renne nicht herum, als sei ich schon gewählt. Bis 22. Oktober können sich andere Bewerber melden. Ich stelle mich gerade in vielen SPD-Kreisverbänden vor.

Das Landtagswahlergebnis der SPD lag unter dem schwachen Resultat der Bundestagswahl 2013. Sie bewerben sich um ein Bundestagsmandat. Würde die Landesvorsitzende nicht besser im Land bleiben?

BREYMAIER: Ich gebe meine Funktion als Verdi-Landesbezirksleiterin auf. Ich habe mein ganzes Leben lang gestaltet. Ich war Klassensprecherin, Schulsprecherin, Betriebsrätin. Ich bin es gewohnt, mehrere Funktionen zu haben. Das wird sich wechselseitig befruchten. Es war auch bei der Landes-SPD immer so, dass die Vorsitzenden ein Mandat hatten – im Landtag oder im Bundestag. Ich werde die Tradition fortführen.

Sie werden ohne Wahlkreis nur auf der Landesliste kandidieren?

BREYMAIER: Nein, ich bin mit verschiedenen Wahlkreisen im Gespräch. Wir haben in Berlin 20 Abgeordnete für 38 Wahlkreise. Da kann man sich nicht den Luxus leisten, auf eine Kandidatur vor Ort zu verzichten.

Wo werden Sie dann antreten?

BREYMAIER: Das ist noch nicht entschieden. Nach dem erbärmlichen Landtagswahlergebnis gibt es Regionen, die weder in Stuttgart noch in Berlin einen SPD-Abgeordneten haben. Das wird mein Maßstab.

Was wird die Vorsitzende Breymaier anders machen als ihr Vorgänger?

BREYMAIER: Nils Schmid kam durch Mitgliederentscheid 2009 ins Amt. Er hat eine gute Arbeit gemacht, auch in der Landesregierung. Er kann auch ganz viel. Dass er keine Rampensau ist, wusste man. Man hat ihn aber vor allem als Finanz- und Wirtschaftsminister wahrgenommen.

Was unterscheidet Sie von Nils Schmid?

BREYMAIER: Ich denke, ich habe ein anderes Profil. Er ist ein Mann, etwas jünger. Ich habe ein klar ausgeprägtes sozialpolitisches Profil. Das ist so. Ich glaube, das braucht und will die SPD jetzt. Das wurde bei allen Aufarbeitungen des Wahlergebnisses klar. Erst als dies deutlich wurde und als Nils Schmid zurückzog, habe ich mich zur Kandidatur entschieden. Ich hätte mir das vor einem halben Jahr nicht vorstellen können, auch nicht vor zehn Jahren.

Sie hätten sich auch das Wahlergebnis nicht vorstellen können?

BREYMAIER: Nein, ich hätte mir auch nicht vorstellen können, dass Rechtspopulisten 15 Prozent bekommen. Nach der jüngsten Umfrage steht die AfD sogar bei 17 Prozent.

… trotz des Streits und der Fraktionsspaltung?

BREYMAIER: Ja, die können tun, was sie wollen.

Wird die AfD mancherorts verharmlost? Die scheinen einen anderen Staat zu wollen.

BREYMAIER: Ja, sie wollen eine andere Gesellschaft. Sie wollen zurückdrängen, was wir in den vergangenen Jahrzehnten gesellschaftspolitisch erreicht haben. Im Kern sind sie mindestens reaktionär. Sie bieten nur unsolidarische Lösungen an. Wir brauchen aber solidarische Lösungen. Dafür steht die SPD.

Die SPD hat sich in der Umfrage gegenüber der Landtagswahl nur minimal auf 13 Prozent verbessert.

BREYMAIER: Das zeigt, das wird kein Sprint, das wird ein Langstreckenlauf. Wir müssen über eine lange Strecke glaubwürdige soziale Politik machen.

Wurden auch Fehler gemacht, die zum Wahlergebnis führten?

BREYMAIER: Sicher wurden Fehler gemacht. Zum Beispiel der Verkauf der EnBW-Wohnungen oder dass bei der Untersuchung der NSU-Verbrechen erst eine Enquete-Kommission eingesetzt wurde.

. . . und sich erst nach deren Scheitern ein Untersuchungsausschuss mit dem Terrortrio befasst hat?

BREYMAIER: Genau. Dennoch glaube ich, dass unter dem Strich dies alles keine Rolle gespielt hat. Weil bei dieser Wahl Inhalte keine Rolle gespielt haben. Sonst würde die AfD jetzt nicht bei 17 Prozent stehen. Denn auf der Habenseite der Regierung steht eine ganze Menge mehr.

Wie kann man darauf reagieren?

BREYMAIER: Ich will den Menschen vermitteln, dass wenn sie ein Problem mit ihrer Alltagsgestaltung haben, dies kein persönliches Lebensversagen ist, sondern dass es vielleicht an Rahmenbedingungen liegt, die man auch gemeinsam gestalten kann.

Wo sehen Sie die SPD nach der nächsten Landtagswahl in viereinhalb Jahren?

BREYMAIER: Ich denke, die letzte Landtagswahl war geprägt vom Thema Geflüchtete, dem Kretschmann-Hype und davon, dass die Chance da war, dass die Grünen vor der CDU stehen. Das wird 2021 nicht mehr so sein. Wir müssen über eine lange Strecke eine glaubwürdige inhaltliche Politik machen.

Woran wird dann diese glaubwürdige inhaltliche Politik zu erkennen sein?

BREYMAIER: Ich denke, die SPD ist für Leute da, die nichts anderes zu verkaufen haben, als ihre zwei Hände und ihren Kopf. Wenn ich heute arbeite, möchte ich, dass es mir von meiner Erwerbsarbeit heute gut geht, dass es meinen Kindern gut geht und dass ich ordentlich leben kann, wenn ich erwerbslos, krank und wenn ich alt bin. Das muss der Maßstab sein.

Zur Person

Privat: Leni Breymaier ist 56 Jahre alt, in Ulm geboren und in Rottenacker aufgewachsen. Sie ist verheiratet und lebt seit 1986 in Eislingen. Beruf: Die gelernte Einzelhandelskauffrau arbeitete als Verkäuferin und ist seit 2007 Landesbezirksleiterin von Verdi.

Politik: Breymaier trat 1982 der SPD bei. Sie ist seit 2009 stellvertretende Landesvorsitzende der Partei.