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„Die Arbeitswelt wird weiblicher“

28. Bundeskongress der kommunalen Frauenlisten in der Kirchheimer Alleenschule

Beim 28. Bundeskongress der kommunalen Frauenlisten in der Kirchheimer Alleenschule stand unter anderem die Zukunft der Frauenbewegung im Mittelpunkt der Debatte. Rund 80 Delegierte von Frauenlisten aus Baden-Württemberg, Bayern und Brandenburg nahmen an der dreitägigen Veranstaltung teil.

Beim Bundeskongress der kommunalen Frauenlisten in Kirchheim erhielten viele Teilnehmerinnen von Dr. Antje Schrupp (auf dem link
Beim Bundeskongress der kommunalen Frauenlisten in Kirchheim erhielten viele Teilnehmerinnen von Dr. Antje Schrupp (auf dem linken Foto in der Mitte) wichtige Anregungen für ihre politisches Engagement. Fotos: Daniela Haußmann

Daniela Haußmann

Kirchheim. „Frauen kommen an die Macht. Die Arbeitswelt wird weiblicher“, sagte Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker in ihrer Begrüßungsrede. Die Gründe dafür sah die Kirchheimer Verwaltungschefin in der Tatsache, dass Frauen heute besser ausgebildet sind und es als Selbstverständlichkeit ansehen, Verantwortung zu übernehmen. Das sei keine Prognose für das Jahr 2015, sondern für das 21. Jahrhundert. Dass Feminismus und Emanzipation hierzu einen zentralen Beitrag geleistet haben und noch immer leisten, machte Dr. Antje Schrupp in ihrem Vortrag über die Zukunft der Frauenbewegung deutlich.

Die Journalistin, Politologin und Publizistin betonte, dass der Feminismus beileibe nicht tot ist. Vielmehr werde er gerade dann gebraucht, wenn Frauen gleichberechtigt sind. „Denn der Feminismus beschreibt eine Haltung, die davon ausgeht, dass Frauen ihre eigenen Wünsche und Vorstellungen von einem guten Leben umsetzen“, so Schrupp, die betonte, dass der Feminismus nicht nur dann eine Daseinsberechtigung hat, wenn Frauen unterdrückt sind. In dieser Situation sei er nur die Vorbewegung im Kampf um Gleichberechtigung, nach deren Erreichen die Realisierung weiblicher Bedürfnisse und Vorstellungen in den Mittelpunkt treten. Daher ist es laut Antje Schrupp wichtig, dass gleichberechtigte Frauen, die sich in Schlüsselpositionen befinden, Feministinnen sind und ihren Einfluss geltend machen.

Gerade in den neunziger Jahren seien viele Frauen bestrebt gewesen, sich in politischen Ämter zu engagieren. Doch dieser Trend sei abgeflaut. „So kommt es zu einer schleichenden Wiedervermännlichung des öffentlichen Raums“, sagte Antje Schrupp. „Grund dafür ist einerseits eine Ernüchterung über die emanzipatorischen Erfolge und andererseits, dass Konflikte, die durch das Auftreten von Frauen im öffentlichen Raum entstanden sind, nicht ausgetragen wurden, sondern nur unter dem Aspekt der Gleichstellung betrachtet wurden.“ Daher stelle sich nicht mehr die Frage, wie Frauen in den öffentlichen Raum kommen, sondern, wie sie ihre eigenen Ansichten hier behaupten und durchsetzen können.

Dabei ist es Schrupp zufolge wichtig, dass der Feminismus als das wahrgenommen und akzeptiert werde, was er ist, nämlich pluralistisch und vielfältig. Verschiedene Interessen und Forderungen bieten der Expertin zufolge die Chance, die Frauenbewegung insgesamt zu stärken, wenn generationenübergreifend, unter Einbeziehung verschiedener sozialer Milieus und unterschiedlicher Weltanschauungshintergründen an gemeinsamen Zielen gearbeitet wird. So lasse sich die Fokussierung auf Frauenthemen durchbrechen, wie Erfahrungen in den USA gezeigt hätten. „Frauenthemen sind demnach in einen Gesamtkontext einzubetten, der unter anderem auch Armut oder Diskriminierung nach Alter, sexueller Orientierung und Hautfarbe berücksichtigt", so Antje Schrupp. „Die Frauenunterdrückung kann also nicht separiert betrachtet werden.“

Trudy Zeeb-Mosig von der Frauenliste Herrenberg betonte, dass es schwierig sei, junge Frauen, die sich im Familien- und Berufsaufbau befinden, für das Engagement zu begeistern. Hier riet Antje Schrupp dazu, die Veranstaltungen junger Feministinnen zu besuchen oder im Internet Kontakt aufzubauen. Sabine Reuster aus Jesingen fand die generationenübergreifende Zusammenarbeit als wichtigen Punkt. „Hier haben wir in Kirchheim noch Entwicklungspotenziale", sagte sie. „Aber ich denke, dass das mit der richtigen Akzeptanz und Toleranz zu schaffen ist.“

Darüber hinaus plädierte Schrupp dafür, dass der neoliberalen Einverleibung feministischer Forderungen entgegengetreten werden müsse. So habe beispielsweise das Elterngeld zu einer Verteilung finanzieller Mittel von unten nach oben geführt, wobei Eltern, die auf diese Unterstützung wirklich angewiesen seien, nicht von ihr profitieren konnten. „Feministinnen hätten hier aufschreien müssen", so Antje Schrupp. „Gleichzeitig schreibt sich der Kapitalismus feministische Forderungen auf die Fahnen, die am Ende zu größeren Unterschieden zwischen Reich und Arm führen.“ Dem müsse entgegengetreten werden. Gleichzeitig fordert sie dazu auf, dass Frauen mit mehr Souveränität für ihre Meinung, Wünsche und Belange einstehen.