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„Ihr Modell soll Schule machen“

Seit zehn Jahren gibt es die Demenz-WG des Vereins „Gemeinsam statt einsam“

Die Wohngemeinschaft für Menschen mit Demenz des Vereins „Gemeinsam statt einsam“ in der Hindenburgstraße in Kirchheim gibt es seit mittlerweile zehn Jahren – Anlass genug, dieses von Angehörigen und Altenpflegefachkräften aufgebaute Projekt im Mehrgenerationenhaus Linde gebührend zu feiern.

Die jungen Artisten des Kinderzirkus‘ Teckolino sorgten für Unterhaltung bei der Feier in der Linde.Fotos: Katja Eisenhardt
Die jungen Artisten des Kinderzirkus‘ Teckolino sorgten für Unterhaltung bei der Feier in der Linde.Fotos: Katja Eisenhardt

Kirchheim. Es waren Pioniere, die vor zehn Jahren die bis dato im Land einmalige Wohnalternative für Menschen mit Demenz ins Leben gerufen hatten, betonte Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker bei der gemeinsamen Feier mit den WG-Bewohnerinnen, deren Angehörigen und den Betreuern. „Sie haben damals enorme Widerstände überwunden. Dazu gehören Mut, Hartnäckigkeit und die Liebe für die Eltern, um ein solches Projekt aufzubauen.“ Die Wohngemeinschaft in der Hindenburgstraße, in der acht Bewohnerinnen mit Demenz unter einem Dach leben, war vor zehn Jahren die erste von Angehörigen getragene Demenz-WG im Land: „Ihre WG war beispielgebend für weitere Projekte dieser Art.“

Für die Bewohnerinnen bedeute diese Wohnform eine Möglichkeit, Normalität in den Alltag einkehren zu lassen, „in entspannter Atmosphäre wieder einen eigenen Tagesrhythmus zu finden“, ergänzte die Oberbürgermeisterin. Auch die Stadt weite ihre Demenzkampagne weiter aus. So gebe es seit Kurzem beispielsweise das Angebot von gemeinsamen Wanderungen für Menschen mit und ohne Demenz sowie ein Kunstprojekt. „Mein Wunsch ist es, dass Ihr Modell in Kirchheim Schule macht und weitere Wohngemeinschaften entstehen.“

„Die Demenz-WG ist ein Projekt, das Spuren hinterlassen hat. Heute gibt es bereits 21 vergleichbare WGs in Baden-Württemberg“, berichtete Hartwig von Kutzschenbach, Vorsitzender der Alzheimer-Gesellschaft Baden-Württemberg und Sachgebietsleiter von SOFA (Sozialpsychiatrischer Dienst für alte Menschen) im Landkreis Esslingen. „Sie haben sich vor zehn Jahren trotz aller Skepsis und Widerständen von außen durchgesetzt. Ich wünsche Ihnen auch für die Zukunft viel Kraft, Mut, Entschlossenheit und Durchhaltevermögen.“ Der ebenfalls zur Feier gekommene CDU-Bundestagsabgeordnete des Wahlkreises Nürtingen, Michael Hennrich, sicherte den Beteiligten weiterhin seine Unterstützung auf politischer Ebene zu: „Wir haben bereits viele Stationen gemeinsam erlebt, etwa jene der Finanzierung einer solchen Wohnform“, erinnerte Hennrich. Bis Ende des Jahres wolle man auf Bundesebene das Pflegestärkungsgesetz II verabschieden; das Thema ambulante Wohngruppen spiele dabei eine große Rolle.

Es seien bisher zehn ereignisreiche und spannende Jahre gewesen, bestätigte die Vereinsvorsitzende Sybille Mauz. Nach wie vor sei man auf Unterstützung angewiesen. „In der Wohngemeinschaft gehören stetige Veränderungen dazu. Entsprechend müssen wir uns immer rechtzeitig darum kümmern, dass es weitergehen kann“, sagte Sybille Mauz. „Es wird auch weiterhin spannend bleiben.“

WG-Leiter Hubert Gehlen gab abschließend einen kurzen Einblick in den WG-Alltag: „Unsere Bewohner sollen sich so gut es geht wie zu Hause fühlen. Solange es geht, werden sie daher auch bei den hauswirtschaftlichen Tätigkeiten mit eingebunden.“ Auch das gemeinsame Singen und Tanzen bringe Erinnerungen wieder ans Tageslicht. Alle 14 Tage gibt es eine Maltherapie: „Es ist immer wieder toll, zu sehen, was dabei entsteht – genauso wie bei der gemeinsamen Arbeit bei den Beeten auf der Gartenterrasse.“ Ein zentraler Faktor sei die Zeit, die man für die Bewohner aufbringe, in der man beobachten und die Betreuung entsprechend der möglichen Veränderungen anpassen könne. „Oft werden Demenzkranke so hingestellt, als bekämen sie ohnehin nichts mehr mit. Dass das nicht stimmt, erleben wir jeden Tag aufs Neue“, sagte Gehlen. Auch für die Betreuungskräfte sei die Arbeit in der WG eine „Lebensschule“, aus der man unheimlich viel mitnehme.

Für Unterhaltung bei der Feier sorgten die jungen Artisten des Kinderzirkus‘ Teckolino. Die Mutter von Mitbegründer Jens Mischner lebt selbst in der Kirchheimer Demenz-WG. Ob als lustige Clowns oder akrobatisch an Ringen, Tüchern oder auf Bällen balancierend, hatten die Kinder ein tolles Programm vorbereitet, für das es vom Publikum großen Applaus gab.

Weitere Infos zum Verein gibt es auf www.gemeinsam-statt-einsam-kirchheim.de im Internet.

Hubert Gehlen
Hubert Gehlen