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„Nette Toilette“ ist Geschichte

Stadt Kirchheim stellt die Zahlungen an die Anbieter ein und spart somit jährlich 12 000 Euro

Einst aus der Idee geboren, der „Not“ der Innenstadtbesucher abhelfen zu können, ist sie nun der Finanznot der Stadt Kirchheim zum Opfer gefallen: die „nette Toilette“. Nur gut neun Jahre hat ihre Geschichte in Kirchheim gedauert.

Die Toiletten der Kirchheimer Volkshochschule sind sauber und gepflegt. Aber sie sind auch mit dem deutlichen Hinweis versehen,
Die Toiletten der Kirchheimer Volkshochschule sind sauber und gepflegt. Aber sie sind auch mit dem deutlichen Hinweis versehen, dass es sich seit dem Jahreswechsel nicht mehr um eine „nette Toilette“ handelt. Die Stadt Kirchheim hat den Vertrag gekündigt und die Zahlungen eingestellt.Foto: Carsten Riedl

Kirchheim. Kirchheims Oberbürgermeisterin Angelika Matt-Heidecker verweist auf die Haushaltslage der Stadt, die mindestens so angespannt sein dürfte wie die Blase mancher Innenstadtbesucher: „Bis 2018 haben wir einen Fehlbetrag von sechs Millionen Euro in unserem Haushalt, und den müssen wir ausgleichen.“ Vorsichtig fügt sie hinzu: „Diese sechs Millionen Euro haben vor dem 4. September gegolten.“ Der 4. September ist für die Oberbürgermeisterin der bundespolitisch entscheidende Stichtag, an dem sich ungeahnte Folgekosten für die Kommunen ergeben haben: durch die Pflicht, für die Unterbringung von Obdachlosen zu sorgen, zu denen künftig in erster Linie bleibeberechtigte oder auch geduldete Flüchtlinge zählen dürften.

Um also wirklich an allen Ecken und Enden Ausgaben einzusparen, habe der Gemeinderat schon länger beschlossen, das Projekt „nette Toilette“ in Kirchheim zu beenden. Millionen lassen sich dadurch zwar nicht einsparen, aber in diesem Fall gilt das Motto: „Kleinvieh macht auch Mist.“ Insgesamt 12 000 Euro hat die Stadt Kirchheim seit Ende 2006 jährlich an die Kooperationspartner überwiesen, die im Gegenzug ihre Kundentoiletten für die gesamte Öffentlichkeit bereitgestellt haben – unabhängig davon, ob die Toilettenbesucher Kunden waren oder nicht.

Die Not der Innenstadtbesucher erkennt die Oberbürgermeisterin durchaus: „Mir ist klar, dass man eigentlich – vor allem für eine älter werdende Bevölkerung – die Toiletten in der Innenstadt ausbauen müsste. „Aber“, fügt sie hinzu, „wir müssen auch einen Haushalt hinbekommen.“

Öffentliche Toiletten stünden jetzt in der Innenstadt wieder am Krautmarkt sowie am Rossmarkt zur Verfügung. Auch die Toiletten im Rathaus würden viele Stadtbummler aufsuchen. Ein großes Problem mit öffentlichen Toiletten lasse sich aber kaum jemals lösen: Vandalismus oder auch sonstige Fälle von unpassendem Umgang mit öffentlichem Eigentum. Selbst am Krautmarkt, wo immerhin 50 Cent zu zahlen sind, komme es immer wieder zu heftigen Beschädigungen. Unter anderem solche Zustände in öffentlichen Toiletten waren der Grund, der zum Projekt „nette Toilette“ geführt hatte.

Andererseits glaubt Angelika Matt-Heidecker aber nicht, dass alle „netten Toiletten“ in Kirchheim besonders stark frequentiert waren: „Besonders auch ältere Menschen trauen sich oft nicht, in einem Laden die Toilette aufzusuchen, ohne dort auch etwas einzukaufen.“ Insofern seien es wohl nur einige wenige „netter Toiletten“ gewesen, die regen Zuspruch fanden.

Eine davon befand sich im Spital, also im Domizil der Kirchheimer Volkshochschule. Volkshochschulleiterin Susanne Voigt hatte sich bereits im September 2014 schriftlich an die Oberbürgermeisterin gewandt und darauf hingewiesen, dass eine monatliche Pauschale der Stadt in Höhe von 60 Euro bei Weitem nicht ausreiche, um die Kosten zu decken. Außer den gestiegenen Reinigungskosten – wegen mehrfacher Reinigungen jeden Tag – seien auch die Kosten für Toilettenpapier, Handtücher und Seife „massiv gestiegen“. Deswegen wollte die Volkshochschule eigentlich um eine Erhöhung des Zuschusses für die „nette Toilette“ bitten.

Stattdessen kam aber ein Jahr später der Brief aus dem Rathaus mit der Betreffzeile „Beendigung der Aktion“. Die Volkshochschule reagiert jetzt auf ihre Art: Weil ihre Kursteilnehmer berechtigterweise Wert auf saubere Toiletten legen – auch bei Kursen, die abends stattfinden –, sind an den Türen, die zu den WCs im Spital führen, deutliche Hinweisschilder angebracht. Darauf steht, dass es sich hier seit 31. Dezember 2015 nicht mehr um eine „nette Toilette“ handelt, sondern um Toiletten, die nur und ausschließlich für Kursteilnehmer zur Verfügung stehen, also für Kunden der Volkshochschule. Um das zu verdeutlichen, hängt auch gleich noch eine Kopie des „Kündigungsschreibens“ aus dem Rathaus daneben.

Susanne Voigt hat ihrerseits eben auch die Kosten im Blick, genau wie die Stadtverwaltung und der Gemeinderat: „Wir würden das mit der ,netten Toilette‘ gerne aufrechterhalten – dann aber wirklich nur mit einem Zuschuss, der auch unsere zusätzlichen Kosten deckt.“