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Dengler macht weiter

Wolfgang Schorlau stellt seinen Roman „Die schützende Hand“ vor

Kirchheim. „Ausverkauft!“ Diese Nachricht war bald nach dem Beginn des Vorverkaufs als Aufkleber auf dem Ankündigungsplakat zu lesen. Die Buchhandlung Zimmermann hat

zu ihrem 25-jährigen Jubiläum der Filiale Kirchheim einen außerordentlich attraktiven Autor eingeladen. Filialleiterin Sibylle Mockler entschuldigte sich bei den weggeschickten Interessenten: Eine Verlegung in die Stadthalle war aus Termingründen nicht möglich.

Der Autor Wolfgang Schorlau wird mit jedem Krimi bekannter. „Die schützende Hand“ hat bisher das größte Aufsehen erregt. Bis dato wurden schon achthunderttausend Romane des Autors verkauft. Bei der Buchhandlung Zimmermann ist er Stammgast, hat alle seine Krimis dort vorgestellt. Er fühlt sich hier wohl im Kreis seiner fachkundigen Fans. Deshalb kann er es sich leisten, eingangs mit seiner Mittelpunktfigur, dem Privatdetektiv Georg Dengler, augenzwinkernd ein Spiel zu treiben. Dengler, so berichtet er, habe ihm die Zusammenarbeit aufgekündigt, da er ein ewiger Hungerleider sei.

Im neuen Roman bekommt Dengler sofort Geld – damit war eine Überleitung zum ersten Text geschaffen, den der Autor vorlas: Dengler werden anonym ein Handy und ein Umschlag mit fünfzehntausend Euro zugeschickt. Er kann jetzt seine Miete bezahlen.

Schorlau fasste dann in einer längeren Erzählpassage den Fortgang der Dinge zusammen. Das zugeschickte Handy meldet sich und teilt ihm mit zerhackter Sprache den Auftrag mit: „Wer erschoss Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt?“ Dengler wundert sich, denn, so ergeben seine Nachfragen, der Fall ist von höchster Instanz bereits geklärt: Die beiden haben sich am 4. November 2011 erschossen. Denglers Eigeninteresse an der Sache wird erst durch seine Freundin Olga geweckt, die ihn auf Ungereimtheiten hinweist. Eine frühere Freundin Marlies schickt ihm an den Vorschriften vorbei die Ermittlungsakten zu. Nun legt Dengler mit der Recherche los.

Heraus kommen eine ganze Menge von Tatsachen, die der offiziellen Version des Selbstmordes widersprechen. Geradezu parodistisch wirkt die Begründung eines Sozialpsychologen, es habe sich bei den kaltblütigen Killern um eine „spontane Deradikalisierung“ gehandelt.

An den ausführlichen Bericht schloss sich die Lesung eines weiteren Romankapitels an. Dengler trifft sich in Freiburg mit einem seiner früheren Vorgesetzten vom BKA, der nach seiner Pensionierung ehrlich sein kann. Sie sind sich einig, dass eine Vertuschung von Tatsachen und der Umtriebe von Neonazis nur durch die „schützende Hand“ des Geheimdienstes möglich ist, der V-Leute beschäftigt und einen Staat im Staat bildet. Dies als Verschwörungstheorie zu klassifizieren, lenke ab. Die Wahrheit steckt in den Akten, die man nur richtig lesen muss, sofern sie nicht im Reißwolf gelandet sind. Mit dieser Spannung auf den weiteren Fortgang beendete der Krimiautor seine Buchvorstellung.

Für das Vorlesen hat Schorlau zwei relativ kurze, geschlossene Passagen ausgesucht. Das Hauptgewicht lag auf dem Bericht über den Zweifel an einem Doppelselbstmord mit unglaublichen Fahndungspannen und vorsätzlichen Täuschungen. Schorlaus Krimis sind eine Mischung aus Fakten und Fiktion. Eine Namensliste vorne und Anmerkungen hinten sind ständige Begleiter der Lektüre des Textes, in den viele Dokumente eingeflochten sind.

Dadurch geraten die erfundenen Nebenfiguren in diesem Krimi etwas flächig, sie erschöpfen sich in ihrer Funktion als Zuträger. Doch die Qualität der Erzählung spielt eine untergeordnete Rolle. Die Brisanz des Themas ist entscheidend und regte zu einer ausführlichen Diskussion und zu einem Sturm auf den Signiertisch an.

Wolfgang Schorlau antwortet in der Diskussion

Wie kamen Sie auf dieses Thema? Bei einer Lesung in Köln berichtete ihm ein Steuerberater von dem Bombenattentat vom 9.Juni 2004, bei dem der Augenzeuge zwei Bewaffnete gesehen hat, die offensichtlich die Täter deckten. Sie wurden bei den Ermittlungen nie erwähnt. Wie recherchieren Sie? Ein Profi hat geholfen. Manchmal sind indirekte Informationskanäle nötig. Nach einem Interview in der Stuttgarter Zeitung haben sich Zeugen gemeldet. In welchem Staat leben wir? Er gibt ein zwiespältiges Bild. Zwischen Legislative und Exekutive gibt es einen Machtkampf. Bei der Presse ist ebenfalls eine Zweiteilung festzustellen: „Stern“ und „Zeit“ sind aufklärerisch, ausgerechnet „Süddeutsche Zeitung“ und „Spiegel“ systemkonform. Es gibt den NSU-Untersuchungsausschuss mit immerhin vorwiegendem Aufklärungsinteresse, bei dem er sogar selbst vorgeladen war. Sind Sie mit der Verfilmung einverstanden? Ja, durchaus, auch mit Ronald Zehrfeld als Dengler. Der nächste Dengler-Krimi ist am 14. März im ZDF zu sehen. Die Verfilmung der „schützenden Hand“ ist eingefädelt. Sind Sie persönlich gefährdet? Nein, er fühlt sich angstfrei und hat noch nie Repressionen gespürt. Er ist froh, in einer freiheitlichen Demokratie zu leben, in der man unbequeme Wahrheiten vertreten kann. us