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Der Heuteufel war unterwegs

Strohregen über dem östlichen Gebiet von Kirchheim – Naturphänomen als Kleintrombe bekannt

Ein Naturschauspiel gab es am Montag über dem östlichen Stadtgebiet von Kirchheim zu beobachten. Dort „regnete“ es Stroh vom Himmel dank lokaler Witterungsverhältnisse.

Ein gar nicht so seltenes Naturphänomen gab es Anfang der Woche in Kirchheim zu bestaunen: Es regnete Stroh vom Himmel. Büschel
Ein gar nicht so seltenes Naturphänomen gab es Anfang der Woche in Kirchheim zu bestaunen: Es regnete Stroh vom Himmel. Büschel und Halme waren auf Straßen, Gehwegen und Häusern zu sehen und ein unverkennbarer Strohgeruch lag in der Luft.Foto: Niels Böhling

Kirchheim. Am Montagnachmittag regnete es über dem östlichen Stadtgebiet Stroh aus dem Himmel. Wie an einem ruhigen Wintertag große Schneeflocken niedergehen, schwebten geknickte Strohhalme von bis zu einem halben Meter Länge auf Dächer, in Gärten, auf Grundstücke und auf Straßen. Zu einzelnen Halmen gesellten sich mehrere Dezimeter große „Stroh-Flocken“ aus leicht verhakten Halmen. Dies seltene Schauspiel ereignete sich um 14.30 Uhr und dauerte etwa eine Viertelstunde. Der örtliche Schwerpunkt des Strohregens lag über dem östlichen Rauner und der Bohnau wie zwei gut einstündige Kontrollfahrten ergaben.

Die Ursache für den Strohregen dürfte in einer sogenannten Kleintrombe zu finden sein. Dabei handelt es sich um einem kleinräumigen Wirbelwind – mit im Vergleich zu einem Tornado oder einer Windhose geringeren Kraft und Größe und anderem Entstehungsweg. Kleintromben entstehen über aufgeheizten Landflächen. Für die Bildung einer Kleintrombe war die Witterung günstig: trockene Böden, hohe Sonneneinstrahlung und wenig Luftbewegung mit allerdings hier und da leichten Böen. Die Getreideernte war im Gang. Auf den Äckern lag frisches Stroh. Durch das Mähen des Getreides konnte sich der Boden noch mehr erhitzen, da die Beschattung verringert wurde. Durch die lokale Aufheizung bildete sich eine instabile bodennahe Heißluftschicht beziehungsweise -blase, die bald abhebt und dabei ins Rotieren kommt.

Befindet sich am Boden leichtes, aufnehmbares Material wie zum Beispiel Stroh, wird dieses mit in die Höhe gerissen und die Kleintrombe so sichtbar. Oft wird mehr oder weniger Staub aufgewirbelt. Ein weiterer gebräuchlicher Begriff für Kleintrombe ist Staubteufel – in englisch Dust ­Devil genannt. Manchmal wird auch Heu aufgewirbelt. Das nennt man dann Heuteufel und hierher gehört dann auch der aktuelle „Strohteufel“, ein Begriff, der allerdings nicht gebräuchlich ist.

Durch den Pirouetten-Effekt verstärkt sich die Drehgeschwindigkeit beim Aufsteigen mehr und mehr. Geschwindigkeiten von über 100 Kilometer pro Stunde können entstehen. Die Höhe der Windwirbel kann 100  Meter betragen, ganz selten auch 300 Meter, sagt der Meteorologe Thomas Sävert von der Unwetterzentrale Bochum. Oft seien die Kleintromben ortsfest, manchmal wandern sie aber auch etwas. Charakteristisch ist, dass ihre Kraft schnell zusammenbricht, wenn sie den aufgeheizten Bereich verlassen oder die Heißluft aufgebraucht ist. Dann sinkt das mitgeführte Material recht plötzlich und konzentriert zu Boden.

Tatsächlich entstand am Montagnachmittag so ein Heuteufel zwischen Ötlingen, Lindorf und dem Rübholz. Drescharbeiten waren im Gange. Von hier wären es 4,5 Kilometer bis zum Strohregenzentrum über der Gauß- und Einsteinstraße. Landwirt Martin Sommer beobachtete den Heuteufel, der bei hiesigen Landwirten „Windhex“ heißt und nicht unbekannt ist. Er sieht jedes Jahr zwei bis drei 15 Meter hohe Exemplare. Dieser Heuteufel ist seiner Aussage nach 15 Meter hoch geworden, hat Stroh aufgenommen und Richtung Wendlingen gelaufen.

Dass Kleintromben so weit ziehen, also rund 4,5 Kilometer, hält Thomas Sävert für recht unwahrscheinlich. Allerdings kommen Kleintromben bei entsprechender Wetterlage häufig vor, erklärt er.

Es ist also wohl noch mindestens ein weiterer Heuteufel entstanden. Angesichts der am Montag in Kirchheim um 14 Uhr herrschenden Windrichtung wäre dieser im Gebiet südlich von Jesingen gewesen.

Nach Sävert sind die Kleintromben in der Regel ungefährlich. „Da kann man durchgehen“, sagt er. Einen Zusammenhang mit einem Klimawandel ist seiner Ansicht nach nicht erkennbar. Schon zwischen 15  bis 20 Grad Celcius können sich Kleintromben bilden; auch über Wasser oder über Schnee.

Ein Video eines Heuteufels mit Stroh vom 3. August ist zu finden in Facebook unter Tornadoliste und unter www.naturgewalten.de/staubteufel.htm

Weitere Beobachtungen zu Kirchheimer Heuteufeln sind interessant und können unter der Telefonnummer 0 70 21/48 94 20 berichtet werden.