Einrichtung muss bis auf Weiteres schließen – Andrea Karrer führt Wochenbettbetreuung fort
Dettingen verliert seine Hebammenpraxis

Immer mehr freiberufliche Hebammen kehren ihrem Beruf den Rücken. Die Gründe sind häufig dieselben: schlechte Bezahlung und Unsicherheit darüber, wie es mit dem Versicherungsschutz weitergeht. Auch die Hebammenpraxis in Dettingen blutet immer mehr aus. Ende des Jahres ist bis auf Weiteres Schluss.

Dettingen. Es ist kein einfaches Jahr für die Hebammen, die die Dettinger Praxis betreiben. Zwei Kolleginnen, Monika Sutter und Natalie Garder, sind in Elternzeit und damit nicht verfügbar. Eine dritte Kollegin, Bianca Kümmerle, arbeitet seit Sommer in der Schwangerenambulanz der Klinik Göppingen – dort, wo es feste Arbeitszeiten und keine ständige Rufbereitschaft gibt wie in der freiberuflichen Arbeit. Für die Mutter von Drillingen keine leichte Entscheidung, aber eine Frage der Vernunft.

Bleiben nur Andrea Karrer, die nebenbei eine 50-Prozent-Stelle im Regenbogen-Kindergarten innehat – „aus Sicherheit“, wie sie sagt –, und Ulrike Merz, die zu 100 Prozent in der Hebammenpraxis arbeitet. „Eigentlich sind es eher 150 Prozent“, sagt sie. Weil die Praxis im laufenden Jahr so schlecht besetzt war, konnte niemand sie im Urlaubsfall vertreten. Die Folge: Keine Chance auf Erholung in 2015. Die Hebamme hat nun die Notbremse gezogen. 2016 wird sie ein Sabbatjahr machen – und anschließend weitersehen.

Andrea Karrer, die 2016 als einzige verbleibende Hebamme Frauen in Dettingen betreut, kann die Praxisräume in Dettingen nicht halten. Für die Dettinger Frauen hat die Schließung der Praxis Konsequenzen. Ohne Räume gibt es keine Kurse. Wer frisch schwanger ist, wird in Dettingen nach aktuellem Stand keinen Geburtsvorbereitungskurs besuchen können. „Wir hätten die Miete schon 2015 nicht mehr bezahlen können, wenn uns die Gemeinde Dettingen nicht großzügigerweise mit 5 000 Euro unter die Arme gegriffen hätte“, sagt Ulrike Merz. Doch es hakt nicht am Geld allein. Für eine Hebamme sind die Praxisräume in der Kirchheimer Straße schlicht zu groß.

Schwangeren- und Wochenbettbetreuung bietet Andrea Karrer weiterhin an. Allerdings nur für Frauen, die in Dettingen wohnen. „Und die Schwangeren sollten sich sehr früh bei mir melden“, sagt Andrea Karrer.

Dass die Hebammen-Gemeinschaft nun getrennte Wege gehen muss, schmerzt die Frauen. „Wir haben es genossen, in einer Gemeinschaft zu arbeiten. Man konnte sich austauschen, und die Räumlichkeiten waren gut genutzt“, sagt Monika Sutter. Die Hebammen hoffen 2017 auf ein Revival. „Wir haben den Wunsch, dass uns Räume vor die Füße fallen und wir uns wieder konstituieren können“, sagt Ulrike Merz – wohl wissend, dass das bei der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt nicht so einfach geschehen wird. Auch Bianca Kümmerle schließt eine Rückkehr in die freiberufliche Arbeit nicht völlig aus. Allerdings müssten die Voraussetzungen stimmen: eine Bezahlung, bei der sich die Hebammen Zeit für die Frauen nehmen können. „Wir wollen unseren Job richtig machen und nicht nach 20 Minuten Hausbesuch rausrennen, weil wir für mehr kein Geld bekommen“, sagt auch Monika Sutter. Mit der Familie sei der Beruf nur schwer zu vereinbaren, vor allem, wenn eine Hebamme noch kleine Kinder hat. „Ich müsste viel mehr freiberuflich arbeiten, damit es sich rechnet. Und das kann ich nicht“, sagt Bianca Kümmerle.

Auch der ungeklärte Versicherungsschutz ist den Frauen ein Dorn im Auge. Mitte 2016 läuft die Haftpflichtversicherung für die freiberuflichen Hebammen erneut aus. „Wenn nächstes Jahr im Juli die Versicherungen nicht zusagen, uns weiter zu versichern, können wir sowieso nicht weitermachen“, sagt Bianca Kümmerle.