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Gewalt soll gegen Terror helfen

Rainer Arnold im Gespräch über Flucht, Fundamentalismus und Militäreinsätze

Rainer Arnold ist der hiesige SPD-Bundestagsabgeordnete. Wenn er aber über seine Arbeit spricht, spielt sein Wahlkreis keine große Rolle. Es geht um die Krisenherde der Welt, die sich inzwischen auch in Deutschland auswirken. Über diesen Umweg kommt Rainer Arnold schließlich auch auf die Wohnungsnot und damit auf die lokale Politik zu sprechen.

Unterensingen. Zur Flüchtlingspolitik stellt Rainer Arnold fest: „Ein Teil unserer Koalition, nämlich die CSU, tritt der Kanzlerin immer wieder massiv ans Schienbein.“ Er macht sich Sorgen, dass diese Taktik auch den baden-württembergischen Landtagswahlkampf bestimmen könnte: „Das wirkt populär. Letztlich hilft es aber nur einer Partei wie der AfD, wenn man so tut, als gäbe es ganz einfache Lösungen.“

An „wirksamen Maßnahmen“ empfiehlt Rainer Arnold vor allem die schnellere Bearbeitung der Asylverfahren. Dafür brauche es eine moderne, einheitliche Informationstechno­logie. Auch das Personal beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge müsse dringend aufgestockt werden – kurzfristig unter anderem durch Ruheständler. In diesem Falle seien flexible Lösungen wichtiger als bürokratische Bedenken. Die Bundeswehr beispielsweise könne durchaus Amtshilfe leisten bei der Betreuung und Versorgung von Flüchtlingen – nur eben nicht dauerhaft: „Dafür ist ist sie ja gar nicht da.“

2016 zahle die Bundesregierung pro Kopf und Monat 670 Euro an die „Erbringer der Leistungen für Flüchtlinge“, also an Länder, Landkreise oder Kommunen. Zusätzlich stelle der Bund dieses Jahr 350 Millionen Euro zur Betreuung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge zur Verfügung. Gerade auf die Kommunen kommen große Herausforderungen zu, denn sie sind für die Anschlussunterbringung anerkannter Asylbewerber zuständig. „Diese Aufgabe wirft manche Gewissheiten der Regionalplanung über den Haufen“.

Die Kommunen müssten die Möglichkeit bekommen, neue Wohngebiete auszuweisen, sagt Arnold, denn so viel stehe fest: „Wer von den Flüchtlingen bei uns bleiben darf, sucht seine Lebensperspektiven in den Ballungszentren, wo es Arbeitsplätze gibt.“ Deswegen brauche es in diesen Ballungszentren genügend Wohnraum. Da nutze es nur wenig, wenn es in Cottbus freie Wohnungen gibt.

Um der Terrorgefahr und den Risiken in Deutschland begegnen zu können, fordert Rainer Arnold mehr Personal und mehr Geld für Polizei und Nachrichtendienste: „Der Rückbau der Polizei war ein Irrweg. Das hat sich auch in Baden-Württemberg gezeigt.“ Zigtausende bewaffneter Soldaten an Bahnhöfen jedenfalls würden die innere Sicherheit nicht erhöhen: „Dann verüben die Terroristen ihre Anschläge eben woanders.“

Sein Hauptarbeitsfeld sei aber eigentlich ein ganz anderes, meint der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion: „Da geht es um die Frage, warum die Flüchtlinge überhaupt kommen.“ Ob es sich um Konflikte in Syrien handelt, im Jemen, in Libyen oder in Mali, für Rainer Arnold gilt: „Da brennt es überall lichterloh. Und das ist nicht irgendwo, sondern direkt vor der Haustür bei uns in Europa.“

Arnold warnt vor dem Fehler, zu denken, dass sich das alles politisch lösen ließe: „Man muss sich dem fundamentalistischen Terror auch mit militärischer Gewalt entgegenstellen, und das wird die deutsche Debatte verändern.“ Auslandseinsätze der Bundeswehr seien da kaum noch zu vermeiden. Nötig sei ein gemeinsames Vorgehen gegen den IS. Das schließe Waffenlieferungen mit ein: „Der Grenz- und Küstenschutz anderer Länder ist auch in unserem Interesse.“ Dafür müsse man diese Länder ausrüsten. Auch bei diesem Thema fehle es eben – wie so oft – an der ganz einfachen Lösung.

In nahen und mittleren Osten werde sich die Landkarte in den nächsten 30 Jahren verändern, prognostiziert Rainer Arnold. Zum einen rechnet er damit, dass ein kurdischer Staat entsteht. Zum anderen weiß er nicht, welchen Weg Saudi-Arabien einschlägt. Der dortige Wahabitismus unterscheide sich in seinem Kern kaum vom IS. Es stelle sich auch die Frage, wie lange das Saudi-Regime trotz aller Menschenrechtsverletzungen noch als einigermaßen „berechenbar“ für den Westen gelten kann.

Verglichen mit solchen Fragen, ist der S-Bahn-Ringschluss zum Flughafen nach Echterdingen ein weniger wichtiges Thema. Rainer Arnold erwähnt es folglich nur am Rande.