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Ostereier im Oktober

Bis 16. Januar ist im Kirchheimer Rathaus die Ausstellung „Das Alter in der Karikatur“ zu sehen

Werden sich die Kinder auch im Oktober über Ostereier freuen? Es dauert eben, wenn der Osterhase in die Jahre gekommen ist und seine Eier mit dem Rollator zustellen muss. Dieses humorvolle Bild ist eines von vielen in der Ausstellung „Das Alter in der Karikatur“ im Kirchheimer Rathaus.

Die Ausstellung „Das Alter in der Karikatur“ im Kirchheimer Rathaus wird aufgebaut. Es arbeiten Initiatorin Dr. Franziska Polans
Die Ausstellung „Das Alter in der Karikatur“ im Kirchheimer Rathaus wird aufgebaut. Es arbeiten Initiatorin Dr. Franziska Polanski (links), Monique Kranz-Janssen und Ferdinand Virnich von buefet. Die Zeichnung mit dem Titel „Botox-Boom“ mit der älteren Pippi Langstrumpf stammt von Gerhard Haderer. Foto: Peter Dietrich

Kirchheim. Sie sind hintergründig und manchmal ziemlich heftig, die Zeichnungen von Spitzenkarikaturisten aus Deutschland, Österreich und der Schweiz. Da hat einer neben die Babyklappe eine passende Seniorenklappe gezeichnet oder dient das auf den Tisch gelegte Gebiss als praktische Mausefalle. Versammelt hat die Zeichnungen Dr. Franziska Polanski von der Universität Heidelberg. Die Medizinerin und Geisteswissenschaftlerin hat sich im interdisziplinären Forschungsprojekt „Altersbilder in Karikaturen“ intensiv mit dem Thema beschäftigt. Zugleich ist sie die Verfasserin vieler satirischer Texte, hat für die Süddeutsche Zeitung, SWR 2, die Leipziger Pfeffermühle und die Münchner Lach- und Schießgesellschaft gearbeitet.

„Humor ist ein Tor zum Unbewussten, auch zu unbewussten Gefühlen gegenüber dem Altern“, sagt Polanski. Die Karikaturen von Gerhard Haderer, Franziska Becker, Gerhard Glück, Greser & Lenz, Marie Marcks, Michael Sowa, Hans Traxler und vielen anderen sind nicht extra für die Ausstellung entstanden. Das hätte Polanski auch nicht gewollt. „Was habt ihr zum Thema Alter?“ hat sie die Künstler gefragt und deren Werke im Buch „Das Alter in der Karikatur“ veröffentlicht. Damit das schnell ging, geschah es im von ihr selbst neu gegründeten Verlag. Die Ausstellung, die am 25. November eröffnet wird, zeigt eine große Auswahl der Werke des Buches.

Nach Kirchheim kommt die Wanderausstellung direkt aus dem Sozialministerium in Stuttgart. Dieses hätte sie gerne erneut verlängert, doch sie war anschließend schon Kirchheim versprochen. Kirchheim wird nach dem 16. Januar keine Verlängerung bekommen, dann ist Wiesbaden an der Reihe.

Doch wie kam die Ausstellung überhaupt nach Kirchheim? Roland Böhringer, ehemaliger Leiter der Abteilung Soziales bei der Stadt, hatte von ihr gehört und kam im September auf den Verein buefet zu. Der fand es sofort gut, das Alter einmal aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten, und wurde Veranstalter. Der Begleitausschuss des Bundesprojekts „Demokratie leben!“ entschied kurzfristig über die finanzielle Unterstützung.

Mit den Karikaturen können auch Jugendliche etwas anfangen, sie eignen sich gut als Aufhänger für weitere Diskussionen, etwa für Schulklassen. „Ich will den politisch korrekten Altersdiskurs hinterfragen“, sagt Franziska Polanski. In den Hinterköpfen vieler Menschen seien noch immer die Altersstereotypen aus vergangenen Generationen, über die häufig nicht ausreichend gesprochen werde. „Im Humor platzen diese weitgehend unbewussten Altersbilder hervor“, so Polanski. Die bewussten Altersbilder hätten sich gewandelt, trotzdem gebe es weiterhin viel Altersdiskriminierung. Auf der tieferen, emotionalen Ebene sei das Alter noch häufig mit negativen Bildern verbunden. Die Ausstellung wolle das Leitbild vom aktiven Alter, das den Weg aus der Wissenschaft in die Öffentlichkeit fand, hinterfragen. Sie werfe auch die Frage auf: Wie geht der Mensch mit seiner Vergänglichkeit um – vor allem, wenn ihm die Hoffnung auf ein Danach fehlt?

Dass man über das Alter lachen darf, ist für Polanski völlig klar. „Lachen kann sehr heilsam sein“, sagt die Kuratorin. Es geht in den Karikaturen um Körperoptimierung und Anti-Aging, um Generationenkonflikte und Gebrechlichkeit. Bildet die Karikatur einen Gegentrend zum Bild vom fitten und aktiven Alter? Polanski hat im Forschungsprojekt unter anderem festgestellt, dass ältere Menschen in aktuellen Karikaturen öfter ästhetisch abstoßender dargestellt werden als in den 1960er-Jahren, damals wirkten sie tendenziell gepflegter.

Gepflegt soll auch die Ausstellung wirken, Franziska Polanski begleitete den Aufbau durch Ferdinand Virnich, Peter Bös und andere Aktive des Vereins buefet genau. Wer in nächster Zeit ins Rathaus kommt, sollte etwas Zeit mitbringen. Die durch die vielen verschiedenen Künstler vielseitigen Karikaturen auf den Rathausfluren machen schnell süchtig.

Die Ausstellung ist von 25. November bis 16. Januar während der Rathausöffnungszeiten zu sehen: montags und donnerstags von 8 bis 18 Uhr, dienstags von 8 bis 16 Uhr, mittwochs und freitags von 8 bis 12 Uhr, sowie samstags von 10 bis 13 Uhr. Das Buch „Das Alter in der Karikatur“ – Implizit Verlag, 125 Seiten, 17,80 Euro – ist beim Verein buefet, im Pflegestützpunkt im Haus der Sozialen Dienste, erhältlich.

Veranstaltungen zur Ausstellung

Am Freitag, 27. November, um 20 Uhr ist in der Zehntscheuer in Nabern das Kabarett „Achtung Greisverkehr!“ zu sehen. Am Montag, 30. November, um 17.30 Uhr gibt es in der Stadtbücherei einen Fachvortrag zum Vorsorgekonzept „Advance Care Planning“. Am Mittwoch, 2. Dezember, um 14 Uhr backen Flüchtlingskinder und andere Kinder in der Familien-Bildungsstätte Kirchheim, Widerholtstraße 4, „Omas Plätzchen“.