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TTIP-Gegner bangen um Umwelt

Kundgebung in Kirchheim weist auf Defizite des Freihandelsabkommens hin

Rund 200 Menschen kamen am Samstag vor dem Kirchheimer Rathaus zusammen. Ihr Ziel: gegen die geplanten Handelsabkommen TTIP, CETA und Co. zu demonstrieren. Das Kirchheimer Bündnis gegen TTIP hatte die Kundgebung organisiert. Sie vermittelte, dass die Abkommen Verbraucher- und Arbeitnehmerrechte massiv schwächen.

So mancher TTIP-Gegner machte seinem Unmut am Samstag in der Kirchheimer Fußgängerzone lautstark Luft.Foto: Haußmann
So mancher TTIP-Gegner machte seinem Unmut am Samstag in der Kirchheimer Fußgängerzone lautstark Luft.Foto: Haußmann

Kirchheim. „Wir müssen alles tun, um das Transatlantic Trade and Investment Partnership-Abkommen (TTIP) zu verhindern", sagte Bundestagsabgeordnete Karin Binder. Die ernährungspolitische Sprecherin der Partei Die Linke betonte, dass es sich bei TTIP um kein klassisches Freihandelsabkommen handelt. „Es geht nicht um die Abschaffung von Zöllen und Handelsschranken, weil es die zwischen Europa und den USA kaum noch gibt", so die Politikerin. „Ziel ist vielmehr der Abbau von so genannten nicht-tarifären Handelshemmnissen." Als Handelshemmnisse könnten die Vertragspartner alles definieren: Verbraucherschutz, Kennzeichnungspflicht, Datenschutz oder auch Arbeitnehmerrechte.

Wenn TTIP erst einmal in Kraft getreten ist, könnte es damit aus Sicht von Sarah Händel zur Absenkung von etablierten Standards kommen. „Denn US-Konzerne können dann europäische Staaten verklagen, wenn deren Gesetze ihre Gewinne schmälern", argumentierte die Landesgeschäftsführerin des Vereins „Mehr Demokratie". Die Urteile würden keine Richter fällen, sondern von den Konzernen selbst ausgewählte Wirtschaftsanwälte. Schon die Drohung solcher Klagen könne angesichts enorm hoher Schadensersatzzahlungen ausreichen, um unliebsame Gesetze aus der Welt zu schaffen.

So könnten laut Karin Binder ausländische Unternehmen gegen nationale Umweltvorschriften klagen. Das Freihandelsabkommen kann laut Maria Heubuch aber auch den Weg für Gentechnik im Essen ebnen. Gentechnisch veränderte Organismen durchlaufen der Europaabgeordneten der Partei Bündnis 90/Die Grünen zufolge in der EU ein Zulassungsverfahren, in dessen Rahmen Umweltauswirkungen und gesundheitliche Effekte beurteilt werden, bevor sie in den Handel kommen. Hier gelte das Vorsorgeprinzip, das der Politik bei Bedenken erlaube, eine Zulassung entsprechender Produkte zu unterbinden.

In den USA würden die Behörden einen entsprechenden Zulassungsantrag in der Regel lediglich zur Kenntnis nehmen und auf die Angaben vertrauen, in denen der Hersteller seinem Produkten attestiert, dass von ihm keine Gesundheits- und Umweltgefahren ausgehen. „Diese Produkte gelangen dann ohne weitere Auflagen in den Verkauf", berichtete Karin Binder, die mit Blick auf TTIP betonte, dass mit Blick auf das Freihandelsabkommen schon jetzt deutlich werde, dass das Vorsorgeprinzip aufgeweicht werde. „Gleiches gilt für den Einsatz von Pestiziden. In Europa gelten hier sehr niedrige Grenzwerte, die durch TTIP bereits in Frage gestellt werden", sagte Maria Heubuch. „Handelsbegünstigungen werden höher bewertet als Umwelt, Gesundheit und ethische Bedenken und das gilt es zu unterbinden."

Sarah Händel schloss nicht aus, dass Dinge wie das Bayerische Reinheitsgebot mit TTIP ausgehöhlt werden. Karin Binder betonte, dass das Freihandelsabkommen nicht den mittelständischen Unternehmen, Landwirten oder Arbeitnehmern zuspiele, sondern den großen Konzernen, die am Verhandlungstisch ihren Einfluss geltend machen und den Markt neu aufteilen. „Je mehr diese Konzerne wachsen, umso mehr findet Rationalisierung statt", kritisierte Binder.

Auch der Mindestlohn stehe mit TTIP auf dem Spiel. „Wenn wir ihn endlich auf den Betrag erhöht haben, den die Menschen brauchen, damit sie in der Rente nicht verarmen, dann stehen wir vor dem Problem, dass uns die Amerikaner verklagen, weil der höhere Mindestlohn Gewinneinbußen erwarten lässt", so Karin Binder, für die TTIP nur einige wenige Profiteure schafft und die breite Masse zu Verlierern macht. Maria Heubuch wies darauf hin, dass in der Debatte das Comprehensive Economic and Trade Agreement (CETA), das zwischen der EU und Kanada verhandelt wurde, nicht vergessen werden dürfe. Es stelle in vielen Bereichen eine Blaupause für TTIP dar. Aus diesem Grund sei es wichtig, dass die Bürger auf der Straße bleiben, weiter protestieren, ihre Unterschrift gegen TTIP und CETA abgeben und ihre Landtags-, Bundestags- und Europaabgeordneten ansprechen.

Bundestagsabgeordnete Karin Binder (Die Linke), Landtagsabgeordneter Andreas Schwarz (Bündnis 90/Die Grünen), Europaabgeordnete
Bundestagsabgeordnete Karin Binder (Die Linke), Landtagsabgeordneter Andreas Schwarz (Bündnis 90/Die Grünen), Europaabgeordnete Maria Heubuch (Bündnis 90/Die Grünen) und Sarah Händel, Landesgeschäftsführerin des Vereins Mehr Demokratie (von links nach rechts) versammelten sich vor dem Rathaus.Foto: Daniela Haußmann