Lokale Kultur

Der Napoleon der Buchhändler

Helmut Mojem würdigt den Verleger Johann Friedrich Cotta

Kirchheim. Restlos besetzt war der „Schulraum“ des Max-Eyth-Hauses am Sonntagmorgen. Es ist ungewöhnlich, dass ein Verleger solche Anziehungskraft entwickelt, ist

Ulrich Staehle

es doch seine Aufgabe, Autoren publik zu machen, nicht sich selbst. Dies stellte der Redner der Matinee, Dr. Helmuth Mojem, gleich fest. Johann Friedrich Cotta ist unter den Verlegern eine Ausnahmeerscheinung. Und niemand ist kompetenter, als der vom Literaturbeirat eingeladene Leiter des Cottaarchivs, das im Literaturarchiv Marbach seine Heimat gefunden hat, um diesen wirkungsmächtigen Mann vorzustellen.

Johann Friedrich Cotta kam 1764 in Stuttgart zur Welt. Nach einem Studium solch disparater Fächer wie Mathematik, Geschichte und Jura war er als Anwalt tätig. 1787 übernahm er das 1659 in Tübingen gegründete Familienunternehmen, die Cotta‘sche Verlagsbuchhandlung. Da auch noch andere Erben da waren, musste er sie kaufen – mit Schulden. Am Ende seines Lebens 1832 war er ein millionenschwerer Mann. Wie hat er einen solchen Aufstieg geschafft?

Voraussetzung war sein enormes Arbeitspensum. Und seine Arbeit war produktiv. Er erkannte die Zeichen der Zeit: In der Zeit der Aufklärung gewann die Bildung einen hohen Stellenwert, es fand eine richtige „Leserevolution“ statt. Dadurch bildeten sich neue Leserschichten, vor allem unter den Frauen. Neu an der Gesellschaft war auch eine Teilnahme an politischen Prozessen. Infolge der Industriellen Revolution konnten mit Schnellpressen Publikationen in großer Auflage hergestellt werden.

Cotta nutzte alle diese Möglichkeiten. Er modernisierte den Tübinger Verlag, der im Wesentlichen ein lokaler Univerlag war, indem er einen Universalverlag daraus machte. Eine Schlüsselfunktion als „Türöffner“ spielte dabei Friedrich Schiller. Historisch geworden ist eine Begegnung zwischen Cotta und Schiller am 4.  Mai 1794. Das Engagement Schillers zog das Goethes nach sich, es folgten Größen wie Hölderlin, Kleist, Hebel und Heine. Für Schiller bedeutete Cotta eine lebenslange Freundschaftsbeziehung, Goethe blieb distanziert geschäftlich.

Im Kielwasser der hohen Literatur, fischte Cotta nach breiten Leserschichten. Mojem: „Die Erwartungshaltung des Publikums verlangte nach Zeitschriften, Kalendern, Journalen, Almanachen, Monatsblättern, Taschenbüchern – kurz, nach Periodica jeglicher Tendenz und Couleur. Cotta gründete sie in rascher Folge, sowohl der Unterhaltung gewidmete wie die „Flora“ oder das „Taschenbuch für Damen“, die sich speziell einer weiblichen Leserschaft andienten – das „männliche“ Pendant hierfür war der „Pferdekalender“, wie auch belehrende Fachzeitschriften, seien es eher mit akademischer oder popularisierender Richtung.

Cotta war als Landtagsabgeordneter und Berater zweier Könige auch ein liberal einzustufender politischer Mensch. Er erkannte das politische Interesse seines Publikums und pub­lizierte politische Periodica wie die „Europäischen Annalen“ und die „Staatsgeschichte Europas“. Dominiert wurde diese publizistische Produktion von zwei täglich erscheinenden, viel gelesenen Blättern, der Augsburger „Allgemeinen Zeitung“ und dem „Morgenblatt für gebildete Stände“. Mit seiner progressiven universellen Einstellung handelte sich Cotta Probleme ein: Die Zensur war eine ständige Bremse und das Urheberrecht war noch nicht entwickelt. Außerdem wurde er als Alleinherrscher auf dem Markt angegriffen.

Geradezu unfassbar ist, dass Cotta auch als Unternehmer auf anderen Gebieten tätig war, er baute in Baden-Baden ein Kloster in ein Hotel um und führte auf dem Bodensee die Dampfschifffahrt ein. Sein Sohn Georg bezahlte die Kosten für diese Geschäfte mit ihrem Verkauf und konzentrierte sich wieder auf die Verlagsgeschäfte. So blieb der Cottaverlag „das gelobte Land der Poeten“, für Uhland, Heine oder die Droste. Das Verlagsprogramm bot geradezu eine von der Aufklärung geprägte Literaturgeschichte. Der Verleger Johann Friedrich Cotta hat dem Verlag einen solchen Glanz verliehen, dass der Name Cotta bis heute noch Strahlkraft hat. Die späteren Besitzer, der Kröner-Verlag und heute der Klett-Cotta-Verlag, sonnen sich immer noch darin.

Die überaus dichten Informationen wurden von Helmuth Mojem frei und lebendig und trotzdem in druckreifen Formulierungen vorgetragen, unterstützt durch veranschaulichende Bildprojektionen.